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Friedrichsbau - "Celebrating The King"
www.friedrichsbau.de - 52 Showfotos

Stuttgart, 7. Dezember 2014: Totgeglaubte längen länger! Für Elvis Presley gilt das wohl eher nicht. Der King oft Rock’n’Roll dürfte, allen Legenden zum Trotz, tatsächlich am 16. August 1977 in Memphis verstorben sein. Unsterblich ist nur seine Musik, die ihn dank einer Milliarde verkauften Platten zum erfolgreichsten Solokünstler aller Zeiten macht. Am 8. Januar 2015 wäre er 80 Jahre alt geworden. Deshalb widmet ihm das Friedrichsbau-Varieté die Eröffnungsshow am neuen Standort in Stuttgart. Für die Varietébühne ist der Ausspruch aber auf jeden Fall zutreffend: Totgeglaubte leben länger.

Der Schock ist zwei Jahre her: Der Hauptsponsor L-Bank teilte der Geschäftsleitung des Friedrichsbau-Varietés mit, dass man aus der Förderung aussteigt. Nach Medienberichten ging es um rund 750.000 Euro im Jahr. Damit war Ende 2013 Schluss. Weitere Hiobsbotschaften folgten: Die bisherige Mutter des Friedrichsbaus, die Deutsche Entertainment AG (DEAG), zog sich aus dem Theater zurück. Daraufhin kündigte die L-Bank die Miet- und Pachtverträge für die Räume des Varietés. Es war seit 1994 in der L-Bank zu Hause, mitten in der City. Sofort begann die Suche nach einem neuen Standort. Schnell wurde ein städtisches Gelände auf dem Pragsattel, direkt neben dem Theaterhaus, identifiziert. Die Lösung „Zirkuszelt“ stellte sich bald als nicht machbar heraus; der Lärmschutz machte einen Strich durch die Rechnung. Die Wahl fiel somit auf ein neues Gebäude in einem Fertighallen-System. Mit massiver finanzieller Unterstützung der Stadt Stuttgart konnte dies nun für 1,9 Millionen Euro errichtet werden. Insgesamt ein unglaublicher Kraftakt innerhalb von zwei Jahren, in denen das Theater auch noch in eine gemeinnützige Gesellschaft mit mehreren Gesellschaftern umfirmierte.


Stuttgarts neues Friedrichsbau-Varieté - Blick in den Theatersaal

Stolz ist das Friedrichsbau-Team um die beiden Geschäftsführer Gabriele Frenzel und Timo Steinhauer auf die neue Spielstätte. Freilich ist die plüschige Gemütlichkeit des bisherigen Rundbaus in der L-Bank jedoch einem recht sachlichen Ambiente gewichen, das durch zusätzliche Dekorationen noch verschönert werden soll. Im hellen Foyer befinden sich unter anderem eine große Bar, Stehtische und ein Sitzbereich. Der Theatersaal bietet nun 342 Plätze an langen Tischreihen, die rechtwinklig zur Bühne stehen. Darüber spannt sich ein Sternenhimmel aus 150 Lichtern. Anders als am bisherigen Standort ist auch eine voll ausgestattete Küche vorhanden, so dass vom neuen Partner Goldrausch-Gastronomie warme Speisen und selbst Menüs ohne Vorbestellung angeboten werden können. Die neue Bühne ist deutlich höher, breiter und verfügt über ein höheres Bühnenportal. Damit können auch „großformatigere“ Darbietungen gezeigt werden. Alles, was verwendbar war, wurde aus dem bisherigen Theater entfernt und mitgenommen: Tischbeine (mit neuen, rechteckigen Platten) und Stühle, Licht- und Tontechnik, Dekorationen zum Beispiel.


Ray Martin, Dacia Bridges 

In letzter Minute wurde das Theater so weit fertig, dass es bespielt werden kann. Somit wird in der aktuellen Show auch auf ein Bühnenbild komplett verzichtet. Der bekannte Elvis-Interpret Ray Martin und die Stuttgarter Sängerin Dacia Bridges mit rötlicher Lockenmähne führen mit ihrem Songs durch die Show, zumeist im Wechsel solistisch, vor der Pause als Duo mit „Rollin’ on the River“. Neben Titeln des King of Rock’n’Roll selbst ist auch Musik seiner Weggefährten und von Künstlern, die er inspirierte, zu hören. Ray Martin zum Beispiel singt auch Titel von Johnny Cash, und die ausstrahlungs- wie stimmstarke Dacia Bridges performt außer eigenen Songs auch Titel von Tina Turner oder Cher. Das Publikum geht mit, singt mit, klatscht mit. Auf Episoden oder Erläuterungen zum Leben von Elvis Presley wird dagegen verzichtet. Regisseur Ralph Sun verlässt sich allein auf die Kraft der Musik. Freilich ist schade, dass das Orchester längst eingespart wurde, so dass Martin und Bridges zu Instrumental-Playbacks singen und performen müssen.

 
Valerie Hormes, Tom Birringer, Beatrice Kessi 

Die meisten artistischen Darbietungen dieses Programms lassen sich eher dem klassischen Zirkusstil als dem „Cirque Nouveau“ zuordnen. Den Auftakt macht Valerie Hormes aus dem Abschlussjahrgang 2014 der Berliner Artistenschule. Sie lässt bis zu vier Hula Hoop-Reifen im Rock’n’Roll-Rhythmus um Körper, Arme und Beine kreisen. Ebenfalls in Berlin, allerdings an der Artistenschule „Etage“, wurde Tom Birringer ausgebildet, der seine Drehungen und Wendungen im Cyrrad in Gestalt eines etwas biederen Typen mit Karohemd und Karopulunder zeigt. Von einem romantischen Popsong begleitet wird die klassische Tuchakrobatik von Beatrice Kessi. Die ausgebildete Tänzerin wechselte vor zwei Jahren ins artistische Fach. Nach Genickhang und Abfaller kreiselt sie kopfüber an den Tüchern.

 
Sebastian Stamm, Valentino Bihorac, Beatrice Kessi 

Valentino Bihorac stammt eigentlich aus Bosnien, gibt auf der Bühne jedoch stets den heißblütigen Latino. Zu entsprechender Musikbegleitung jongliert er jeweils fünf Bälle und Fußbälle sowie vier Keulen – letzteres auch, während er einen Ball auf seinem Kopf dopsen lässt. Zum Abschluss hält er fünf Ringe in der Luft. Gleichzeitig balanciert er auf seinem Kopf eine Stange, auf deren oberen Ende ein Ball ruht. Starker Applaus ist der Lohn für einen starken Auftritt. Sebastian Stamm war 2011 Halbfinalist beim RTL-„Supertalent“ und wurde zum „Mister Pole Dance Germany 2013“ gewählt. Bei seiner Akrobatik am Chinesischen Masten erntete er nicht nur Jubel, als er die Jacke ablegt und den muskulösen Oberkörper freimacht. Vor allem gibt es Beifall, wenn er den Salto am Mast zeigt, Variationen der Flagge präsentiert oder das Requisit kopfüber hinunterrutscht, um knapp über dem Boden zu bremsen. Für ihre zweite Luftdarbietung neben dem Tuch hat sich Beatrice Kessi den Ring ausgesucht. Hier kombiniert sie Akrobatik mit Gesang.


Melanie Chy, Trio To-Ri-Mi

Die drei Damen des Trio To-Ri-Mi von der Circusschule Kiev präsentieren Kontorsion und Akrobatik zu sphärischer Musik. Pyramide, einarmige Handstände und Waagefiguren, ineinander verschlungene Figuren und Brücken, darunter auch neue und überraschende Elemente, gehören zu dieser überzeugenden Kür. Für die Schlussnummer konnte eine der ganz bekannten und etablierten Varieté-Künstlerinnen gewonnen werden: Auf ihrer glänzenden, sich drehenden Harley Davidson zelebriert Melanie Chy ihre eleganten Handstände zu krachenden Sounds.

Der Abend endet nach dem musikalischen Epilog – „Are you lonesome tonight?“ – schlussendlich mit Zugaberufen aus dem Saal. Totgeglaubte leben länger: wenn schon nicht Elvis Presley, dann doch Stuttgarts Varieté! Bleibt zu hoffen, dass der neue Standort gut angenommen wird. Das Programm 2015 klingt jedenfalls äußerst viel versprechend. Angekündigt werden eine Show mit Artistik sowie Live-Musik aus dem Projekt „Piano Particles“ der Klangkünstler Steffen Wick und Simon Detel, eine neue Version von „Clowns“, ein Gastspiel der Magier Topas & Roxanne, eine Hommage an Whitney Houston sowie eine heitere Show mit der großartigen schwäbischen Komikerin Rosemarie Warth.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber