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Friedrichsbau-Varieté - Clowns
www.friedrichsbau.de

Stuttgart, 16. Februar 2012: Zweieinhalb Stunden lang Clownerie und Komik pur, das hätte auch ganz schön schief gehen können. Doch das Experiment ist geglückt: „Clowns – Die Show“, das neue Programm im Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté, langweilte bei der Vorpremiere keine Spur. Vielmehr brachte das zehnköpfige Ensemble – plus Vier-Mann-Kapelle – die Stimmung am "Schmutzigen Donnerstag" im Saal mehr und mehr zum Kochen. Dank eines sorgfältig und durchdacht zusammengestellten Ensembles ist das reine Komik-Programm  auch ein reines Vergnügen.

Ralph Sun, Hausregisseur im Stuttgarter Friedrichsbau, hat in den vergangenen Jahren nicht nur einmal Shows in Szene gesetzt, die ganz auf Komiker verzichteten. Seine neueste Kreation „Clowns – Die Show“ hingegen widmet sich vollständig dem Humor, in leiseren und lauteren Tönen. Alle Nummern sind clownesker Natur oder haben zumindest eine komische Note. Eine durchgehende Handlung gibt es diesmal nicht, und so bleibt auch das wandelbare Bühnenbild abstrakt.


KGB Clowns, I Baccala

Im Mittelpunkt der Show stehen die KGB-Clowns aus Russland, die auch das Plakatmotiv bilden und in vielen bekannten Varietés gearbeitet haben. Der große Kräftige und sein etwas kleinerer Partner, die optisch noch am ehesten dem klassischen Clowns-Bild nachkommen, zeigen in ihren Auftritten eine Vielzahl von originellen und eigenständigen Ideen. Da wäre zum Beispiel die Szene um eine (lebende) Statue, die wechselweise vor dem Umkippen bewahrt oder in verschiedener Weise malträtiert wird. Fast immer spielt bei den KGB-Clowns Musik eine Rolle, gesprochen wird dagegen (fast) gar nicht – beim komischen Musizieren auf Balalaika und Mini-Akkordeon, bei einer Szene um ein Musizier-Verbot, bei einer Tennisschläger-Jonglage im Flamenco-Rhythmus, die auch artistisches Können offenbart, und bei der abschließenden „lebenden Musikbox“, die direkt ins umjubelte Finale mit mehreren Vorhängen überleitet. Bestens bekannt, unter anderem von Sarrasani, Manege-Renz, Fliegenpilz und dem Schweizer Monti, ist das italienisch-schweizerische Clownsduo „I Baccala“. All ihre Klassiker sind in der Show zu sehen: Sie jonglieren mit Äpfeln, gehen mit der sperrigen Leiter durchs Publikum, zeigen Akrobatik zu zweit und auch auf den Schultern eines Zuschauers, und sie erklimmen natürlich in unnachahmlicher und völlig zu Recht bejubelter Weise das Trapez. Die akrobatischen Eskapaden bieten ihnen immer wieder viel Gelegenheit, sich mit dem völlig übersteigerten Daumendrücken, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist, gegenseitig anzufeuern. Das artistische Element in ihren Auftritten – mit durchaus feinen Leistungen – leistet einen wichtigen Betrag dazu, dass die Clowns-Show trotz der Konzentration aufs Humoreske stets abwechslungsreich bleibt.


Diane Dugard, Duo Unwucht

Körper-Komik ist insbesondere auch das Metier des deutschen Duos Unwucht, bei dem die figürlichen Unterschiede den Namen zum Programm werden lassen. Doch auch diese Partnerakrobatik mit Augenzwinkern enthält anspruchsvolle Tricks, u.a. den Kopfstand auf den Füßen des Partners und Wurftricks im Ikarier-Stil. In ihrem zweiten Auftritt wird eine Klappbox „nur“ durch Meditation zusammengefaltet. Für die große Überraschung in dieser Show sorgt die Französin Diane Dugard mit ihren Hühnern – zum ersten Mal, seit wir über die Friedrichsbau-Shows berichten, sind hier Tiere auf der Bühne zu sehen. Mit durchschlagendem Erfolg, denn das liebe Federvieh sorgt für angeregte Pausengespräche und entwickelt sich zu Publikumslieblingen der besonderen Art. In einem ersten Auftritt werden die Hühner mit kleinen Futtergaben dazu verlockt, die Vorführerin zu überqueren, während diese einen Purzelbaum schlägt oder einen Handstand drückt; durch Futterpicken bedienen die Hühner ein Glockenspiel. Später treten Dugard und ein Huhn am Doppeltrapez auf – beide mit schwarzem Federkleid am Körper und weißen Federn am Kopf. Dugard zeigt diverse Posen, ihr tierischer Partner sitzt ungerührt auf ihrem Kopf oder ihren Beinen. Nach der Pause wäscht Dugard ein schwarzes Huhn in der Waschmaschine erst „grau“ und dann „weiß“. Und schließlich wird Dugard selbst zum Huhn und zeigt im entsprechenden Outfit mit gewaltigen Hühnerfüßen, Federkleid und rotem Kamm eine Handstandarbeit.


Donimo, Mascha, Paul del Bene

Donimo aus England erinnert, schon rein optisch, an die Komiker der Stummfilmzeit, von Buster Keaton bis Stan Laurel. Bodenjonglage und Schwertschlucken, diese anspruchsvollen Disziplinen setzt er nach einem Blick ins Handbuch „spontan und ungeprobt“ um und kämpft später – via eigenem Mantel auf dem Kleiderständer – in zwei Rollen gegen sich selbst. Die meisten Künstler im Programm kommen ohne oder mit nur wenigen Worten aus. Ganz anders gestrickt ist da Mascha, die neue „Hilfskellnerin“ im Friedrichsbau. Schon vor der Vorstellung mischt die wohlproportionierte, temperamentvolle und kontaktfreudige Russin mit hinreißendem Akzent das Publikum auf, eröffnet später das Programm, zeigt auch eine komische Zauberei. Paul del Bene bewegt sich ebenso schon vor der Show als komischer Kellner durchs Publikum, ist auf der Bühne mit haarsträubenden Illusionen zu sehen (Ringverkettung, zerschnittene Zeitung), macht Musik mit Hindernissen und kämpft später – einer der großen Lachschlager des Abends, der die Stimmung Richtung Finale zum Kochen bringt – gegen die Tücken des Objekts, wenn er als großer Dirigent an seinen „Musikern“ aus dem Publikum verzweifelt.

Gewagt und gewonnen: Wieder einmal ist Ralph Sun und dem Friedrichsbau ein großartiges Programm geglückt, in dem Humor in vielen Facetten im Mittelpunkt steht – musikalische, körperliche, pantomimische Komik, mal mit leisen Tönen, dann auch wieder zum lauthals Lachen. Balsam für gestresste Seelen.

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Text und Fotos: Markus Moll