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Friedrichsbau-Varieté - "Clowns"
www.friedrichsbau.de - 66 Showfotos

Stuttgart, 9. April 2015: Wie doch die Zeit vergeht! Es ist bereits die dritte Eigenproduktion des Friedrichsbau-Varietés, die im neuen Gebäude Premiere feierte. Dort präsentiert sich der Theatersaal nun mit deutlich optimierter Bestuhlung. Die Besucher in den ersten beiden Reihen schauen wieder frontal auf die Bühne; dahinter sind die Tische in lockerer Reihung strahlenförmig angeordnet. Die Saalwände wurden inzwischen mit rotem Samt bespannt. So ergibt sich endgültig eine Wohlfühl-Atmosphäre. Wie doch die Zeit vergeht! Genau das ist im Grunde auch Thema der Show „Clowns“.

Die Rahmenhandlung berichtet davon, wie eine frühere Artistin alias Lara „Grandma“ Paxton in ihren Lebenserinnerungen schwelgt. Freilich: Es ist eine dieser Geschichten, bei denen man vor der Show besser die Pressemappe lesen sollte, um sie richtig zu verstehen. Zu Beginn deckt die „Grandma“ also einen wahren Zirkus auf, der zunächst noch unter Tüchern verborgen ist. Dazu gehören ein Artisteneingang, eine Circuskapelle und Manegenkästen. Und damit beginnt die Zeitreise zu den Erinnerungen, die Zeitreise in Grandmas frühere Circuslaufbahn. Der Conférencier – im Circus sagen wir Sprechstallmeister – kündigt eine Show voller Sensationen an. Eine davon: der schüchternste Mann der Welt! Doch davon später mehr.


Mr. Leu, Michael Clifton und Musiker

Auch am neuen Standort macht das Friedrichsbau-Varieté keine Abstriche bei der Qualität. Und so gibt es in dieser Produktion erneut Live-Musik, die auch eine tragende Rolle spielt. Wieder einmal wurde dafür Mr. Leu gewonnen, der am Flügel und mit seiner großartigen Stimme durchs Programm führt. An seiner Seite: die beiden Musiker Ben Perkoff (Saxofon und Flöte) und Robin Draganic (Kontrabass) sowie Komiker Michael Clifton. Die meiste Zeit über sitzt er am Schlagzeug, doch später hat er auch einen seiner berühmten Auftritte in schwarzen Strapsen und mit den burlesken „Body Drums“. Mr. Leu, Michael Clifton und weitere Künstler in dieser Produktion gehören zu den Stammgästen in den Produktionen von Friedrichsbau-Regisseur Ralph Sun. Wie Schauspieler an einem Theater setzt er sie immer wieder in neuen Rollen ein, um seine Showkonzepte umzusetzen. Gleichwohl muss er darauf acht geben, dass unter den wiederkehrenden artistischen Nummern nicht die Abwechslung leidet, die das „Varieté“ im Namen trägt.


Diane Dugard, Juan Cocho 

Nachdem wir uns diesmal also in einem echten Circus befinden, gibt es gleich zwei Tiernummern im Programm. Diane Dugard zeigt ihre Hühner, die über sie laufen, während sie einen Zeitlupen-Purzelbaum schlägt oder einen Handstand drückt. Und auch das Glockenspiel beherrscht das liebe Federvieh. Auf das Huhn kommt auch Dugards Hund, wenn er mit Hahnenkamm dekoriert sein Können zeigt. Ums Frauchen kreisen, Rechnen und nach Seifenblasen schnappen gehören dazu. Diane Dugard verwandelt sich selbst in ein Huhn, wenn sie im Federkleid und mit überdimensionalen Hühnerfüßen ihrer Equilbristik-Nummer einen komischen Toch verpasst. Ihr Partner Juan Cocho, zugleich als Akkordeon-Musiker im Programm vertreten, trägt später ein Hahnengewand, während er im Cyrrad über die Bühne rollt.


Giulio Lanzafame, Die Maiers 

Eine der weiteren Circusattraktionen liefert der Italiener Giulio Lanzafame. Auf einem Stuhl sitzend, jongliert er mit Händen und bestrumpften Füßen mit bis zu fünf Bällen. Sieben schafft er im Stehen – dann freilich nur mit den Händen. Später müht er sich auf amüsante Weise, das Schlappseil zu erklimmen. Natürlich gelingt ihm dies schlussendlich. Allerdings wiederholt er damit auch die Geschichte der „Maiers“. Das Paar, Sabine Maier und Jochim Mohr, hat seine liebe Not damit, ans Trapez zu gelangen. Ein junger Mann aus dem Publikum muss helfen, seinen Stuhl als Aufstiegshilfe zur Verfügung stellen und diverse störende Kleidungsstücke entgegennehmen oder wieder bringen.


Archie Clapp (mit Zuschauer), Lara "Grandma" Paxton, Jean Ferry 

In Ralph Suns erster Show unter dem Titel „Clowns“ im Jahr 2012 standen mit den KGB-Clowns und „I Baccala“ echte, klassische Clowns im Mittelpunkt - damals bereits ergänzt durch Diane Dugards Hühnerdressur. Nunmehr wolle er ein „facettenreiches Spektrum an schillernden Kunstfiguren“ präsentieren, heißt es im Programmheft. Ein Clown im eigentlichen Sinne, in der Gestalt des modernen Komikers, ist da im Grunde nur Archie Clapp. Der jongliert auf seiner freistehenden Leiter mit „nicht brennenden Fackeln“ oder lässt in einer absurden Lichter-Jonglage leuchtende Punkte von einer Körperöffnung zur nächsten wandern. Und dies alles gerne im hautengen, rosa „Super-Archie“-Dress. Doch zurück zum eingangs erwähnten „schüchternsten Mann der Welt“. Der wird verkörpert vom Berliner Artisten Jean-Ferry. Zunächst versucht „Super-Archie“ ihm zu helfen: Er zeigt Jean-Ferry, wie man zaubert. Davon gestärkt, wagt sich Jean-Ferry aufs Trampolin, wo bei wilden Sprüngen und Salti tatsächlich das Selbstbewusstsein in ihm erwacht. Nachdem Grandma ihre Lebenserinnerungen Revue passieren ließ, wagt sie selbst noch einmal die große Luftnummer. Sie streift das Kostüm von damals über und zeigt Akrobatik am fliegenden Rollator. Hier schließt sich auch der Kreis der Rahmenhandlung: Grandma stellt sich als Jean-Ferrys unerfüllte Liebe heraus. Seine Schüchternheit stand jahrelang im Weg. Nun läuten die Hochzeitsglocken. Und der Bräutigam zeigt sein famoses Können auf der freistehenden Leiter, ehe der rote Vorhang fällt.

Nicht nur der Varietésaal ist nun vorläufig fertig gestellt, mit dieser dritten Produktion am neuen Standort ist auch wieder ein Höhepunkt des künstlerischen Schaffens am Friedrichsbau erreicht – hochklassiges Varieté mit ebensolchen Künstlern, wunderbarer Live-Musik und einer thematisch durchkomponierten Show, die zum Lachen und zum Staunen einlädt.

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Text und Fotos: Markus Moll