CHPITEAU.DE

Friedrichsbau Varieté - Revue der Elemente
www.friedrichsbau.de

Stuttgart, 1. November 2007: Weniger reine Nummernrevuen, mehr Gesamtinszenierung: Das Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté will Neues wagen, stärker auf durchkomponierte Themenshows setzen. Das 50er-Jahre-Programm “Lollipop” im Herbst war ein Vorgeschmack, noch aufwendiger ist nun die Wintershow “Revue der Elemente”, die bis zum 26. Januar 2008 läuft, ausgefallen. Erstmals führt Ralph Sun Regie. Der 40-jährige Stuttgarter hat zunächst Mode studiert, machte dann jahrelang experimentelle Musik und kam schließlich zum Friedrichsbau, wo er als stellvertretender Inspizient, Inspizient und zuletzt als Regieassistent tätig war.

 “Wir wollen kein nettes Potpourri von allem, sondern starke Bilder schaffen, die einen Eindruck hinterlassen, mehr Happening bieten als herkömmliche Präsentation”, sagte er gut zwei Wochen vor der Premiere der “Revue der Elemente” zu chapiteau.de. Fast ein halbes Jahr habe er am Konzept für die “bisher aufwendigste Produktion des Friedrichsbaus” gefeilt; vor der Premiere arbeitete er dann mit dem sechsköpfigen Ballett eine Woche lang in Paris und probte anschließend mit allen Künstlern fünf Tage lang bis zur Premiere.


Franziska Becker, Ballett

Die Premienvorstellung lieferte dann einen etwas zwiespältigen Eindruck. In der Tat übertrifft der Aufwand für diese Show alles, was wir bisher im Friedrichsbau gesehen haben: ausgefeilte Tanzszenen mit den sechs Damen von “Les Belles d’un Soir”. Wundervolle Beleuchtung mit vielen Effekten. Projektionen von Vulkanen, Meeresbrandung, Wolken, Landschaft, die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde symbolisierend. Spektakulär die Szene vor der Pause: Sängerin Franziska Becker steht in einem ausladenden roten Kleid, sich um sich selbst drehend, auf der Bühne - und gegen Ende des Songs erscheinen aus dem Kleid erst Hände und Arme, dann die Damen des Balletts. Dennoch: Die effektvolle Show lud am Premierenabend zu interessiertem Staunen ein, wirklich begeisternd und mitreißend war sie aber nicht - vielleicht auch einfach noch nicht, denn im Friedrichsbau wollte man nach der Premiere weiter an der “Revue der Elemente” feilen.


Duo Gorodji, Jochen Schell, La Vizio

Sorgfältig auf das Showkonzept abgestimmt ist die Auswahl der artistischen Darbietungen. Jochen Schell eröffnet das artistische Programm mit einer faszinierenden Performance. Er  lässt Kreisel auf einer Schwertspitze oder auf einem ziehharmonika-artigen Gestell rotieren, und schließlich drehen sich sechs Kreisel gleichzeitig auf Schell selbst - auf Kopf, Schultern, zwei Fingern, Fuß und Knie. Im zweiten Programmteil ist er noch einmal mit einer ungewöhnlichen Jonglage zu sehen - ihm geht es nicht darum, so viele Gegenstände wie möglich in der Luft zu halten, sondern eher um tänzerische Bilder mit nicht mehr als vier Ringen. Faszinierend sind die Schattenspiele von Mikhael Mikheleev, der mit Licht und bloßen Händen einen ganzen Zoo auf Leinwand zaubert - Hund und Hase, Elefant und Löwe, Wolf und Elch... Nicht ganz überzeugt hat uns einzig die Handstand-Darbietung von Yuriy Ovysannikov, früheres Mitglied der Gruppe “Seaworld”: Der junge Artist zeigt seine Kunst nicht im genre-üblichen Zeitlupentempo, sondern hastet eher von Pose zu Pose - was soll das? Schön anzusehen ist später die Luftakrobatik des Duo Gorodji an vier Seilen mit Halteschlaufen, hier  “Doppelstrapaten” getauft. Das artistische Glanzlicht des Programms liefert aber ohne Zweifel das Duo “La Vizio”, das auch schon im “Cirque du Soleil” zu sehen war - schwierigste Tricks wirken in dieser Hand-auf-Hand-Darbietung leicht und schwebend.

Ein Mehr an Inszenierung führt bisweilen zu einem Weniger an artistischer Qualität - das konnten wir hier zum Glück nicht feststellen - oder zu allzuviel Bedeutungsschwere, wo uns Leichtigkeit, Tempo und Ausgelassenheit lieber wären. Das war schon eher so. Interessanterweise war der einfachste Moment der Show für unser Empfinden auch der berührendste und intensivste: Sängerin Franziska Becker trug im goldenen Kleid Natasha Bedingields “Soulmate” vor. Freilich aber ist der Weg dem Grundsatz nach mehr als richtig, den der Friedrichsbau einschlagen will: “Gesicht zeigen und unseren Shows ein eigenes Gesicht geben”, wie es Friedrichsbau-Sprecherin Mascha Hülsewig formuliert. Diesem Anspruch wurde die “Revue der Elemente” gerecht - wir sind gespannt, auf das, was kommt.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber