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Friedrichsbau - "Servus, Grüezi & Hallo"
www.friedrichsbau.de - 123 Showfotos

Stuttgart, 9. September 2018: Sie ist artistisch stark, herrlich lustig, ungeheuer rasant und sexy noch dazu: Die neue Show „Servus, Grüezi und Hallo“ im Friedrichsbau-Varieté Stuttgart macht richtig Spaß. Dabei versucht das Theater einmal mehr, auf Nummer sicher zu gehen. Was in der Vergangenheit erfolgreich lief, wird erneut aufgegriffen. Immer wieder werden hier zum Beispiel Programme geschaffen, die Magie oder Burlesque in den Mittelpunkt stellen. Und mit „Servus, Grüezi und Hallo“ wird eine Produktion neu aufgelegt, die 2011 ein Renner war.

Dabei ist der Zeitpunkt für das Remake gut gewählt. Denn mit der „total verrückten Dirndl-Show“, so der Untertitel, wird auch das 200-jährige Bestehen des Cannstatter Volksfestes gefeiert. Zu Beginn erzählt uns eine Stimme aus dem Off, wie das Fest entstand und letztlich auf einen Vulkanausbruch auf den Philippinen zurückgeht. Die Aschewolken hatten monatelang den Himmel über Württemberg verdunkelt und damit eine Hungersnot ausgelöst. Das Ende dieser schlimmen Zeit wurde mit dem ersten Volksfest gefeiert. Das schöne Bühnenbild zeigt einen Mini-Wasen mit dem Wahrzeichen "Fruchtsäule", Süßwarenstand  und Bierausschank. Aus dem Cast von 2011 ist nur die Film- und Fernsehschauspielerin Sandra Steffl alias Sandy Beach wieder dabei. Die kurvige Blondine ist die Zeremonienmeisterin des Abends. Sie begrüßt uns im „Friedrichsbau-Festzelt“ und stimmt gleich ein engagiertes „Rock mi“ an. Das Ensemble in Dirndl und Lederhosen tanzt ausgelassen mit.


Armando Arano, Philipp Tigris 

Artist Philipp Tigris, eigentlich ein gestandenes Mannsbild Mitte 40, darf Sandys achtjährigen Sohn spielen, das „Tigerle“. Und mit seinem Können mit Hula-Hoop-Reifen überzeugen. Er ist einer der wenigen Herren, die dieses Genre gewählt haben. Und ein besonders ehrgeiziger noch dazu. Ganz neu erarbeitet hat er sich den Trick, bei dem er drei Reifen um das ausgestreckte linke Bein kreisen lässt. Plus zwei weitere um seine Arme. Außerordentlich stark ist die Darbietung von Armando Arano. Seine kraftvollen Handstände zelebriert er die meiste Zeit auf einem Arm. Ein schmales Brett überquert er mit Kopfsprüngen. Schließlich geht es im einarmigen Handstand die Treppe seines Requisits hinab und wieder hinauf. Dann krönt er seine Darbietung mit dem legendären Klötzchen-Abfaller. Nach diesem richtet er sich nochmal direkt in den Handstand auf. Arano ist wie seine Lebensgefährtin Thais Ferreira aus dem noch laufenden Saisonprogramm des Schweizer Circus Royal nach Stuttgart gewechselt.

 
Davide Skizzo Nicolosi
 

Für Riesenspaß auf der Friedrichsbau-Bühne sorgt der italienische Comedy-Magier Davide Skizzo Nicolosi. In seinem ersten Auftritt gibt er, empfindsame Gemüter mögen ihm verzeihen, Jesus Christus. Er vermehrt auf wundersame Weise Weißwurst. Wasser verwandelt er in Wein und Bier und wieder zurück. Man könnte sich auch im Schaustellergottesdienst im Festzelt wähnen. Im Wasen-tauglichen Outfit, mit pinker Lederhose und grünem Karohemd, lässt Skizzo später aus Papierschnipseln eine unversehrte Zeitung entstehen und zaubert aus Röhren immer mehr Flaschen herbei. Und dies alles mit seiner herrlichen überdrehten Art, sich mit den Händen ständig durch die lange Lockenpracht auf seinem Kopf fahrend. Nicht minder verblüffend ist, wie er später mit einer Kordel eine Brezel, eine Flasche Bier oder eine Landjägerwurst aus einer Kiste angelt. Er senkt das bloße Seil in die Box und zieht die Köstlichkeiten sorgsam ans Seil geknotet daraus hervor. Was dazwischen geschieht, bleibt unserer Fantasie überlassen. Für Lacher ist auch gesorgt, wenn er den imaginären Floh Renata vom Sprungbrett in den Pool springen lässt. Nicolosis letzter Auftritt ist bereits aus seinem ersten Friedrichsbau-Engagement 2017 bekannt, vermag aber wiederum die Zwerchfelle zu erschüttern. Zunächst malträtiert er sich selbst mit einem Laubbläser, dann füllt er damit einen großen Ballon und steigt in diesen hinein. Und dies alles in einem durchaus neckischen Bade-Outfit.

 
Duo Flash, Alex und Anna, Sebastian Stamm
 

Ordentlich Stimmung machen die Kaskadeure des Duos Flash. Ihre Darbietung enthält viele Salti und Wurfelemente. Es ist vielmehr eine artistisch richtig starke Nummer mit fröhlichem Augenzwinkern als, wie in manch anderen Kaskadeur-Nummern, ein Comedyact mit artistischen Einsprengseln. Das Duo Alex und Anna zeigt eine klassische Rollschuhnummer mit den typischen Tricks dieser Disziplin, bis hin zum Genickhangwirbel. Schade nur, dass man auf ein Podest verzichtet. Das schränkt zum einen die Sicht aufs Geschehen ein. Zum anderen gehört es ja eigentlich zum wesentlichen Charakteristikum des Genres, dass nur eine kleine Plattform zur Verfügung steht und eben nicht der ganze Raum einer großen Bühne. Zum wiederholten Mal im Friedrichsbau zu Gast ist Sebastian Stamm. Neu ist der Vollbart, den er sich nun zugelegt hat. Mit Leichtigkeit erklimmt Stamm den Chinesischen Mast, der hier als Maibaum gestaltet ist, um daran kraftvolle Posen zu zeigen. Zwischendurch wirft er seine Weste ab und präsentiert den muskulösen Oberkörper. Kopfüber saust er am Ende den Mast hinunter, um kurz über dem Boden zu stoppen.


Thais Ferreira, Philipp Tigris, Dmytro Kharlov 

Eine bezaubernde Darbietung am Luftring präsentiert die hübsche Thais Ferreira. Interessante Drehungen um das Requisit, Rückwärts-Umschwünge und zum Abschluss ein Genickhangwirbel sind Bestandteile ihres Repertoires. Etwas schade ist nur, dass sie hier nicht in größerer Höhe arbeiten kann. Sehr beeindruckend ist die Kontorsionsnummer von Philipp Tigris. Der kräftige Artist demonstriert hohe Beweglichkeit und beherrscht gar den Mundstand. Dringend notwendig wäre freilich, dass er seine Kunst auf einem Podium zeigt anstatt auf dem Bühnenboden. Hier ist die ohnehin eingeschränkte Sicht teils noch durch die Gerätschaften des Soundsystems am Bühnenrand verdeckt. Wunderbar stark ist auch die Rola Rola-Nummer von Dmytro Kharlov mit Assistentin Nataliia. Er wagt gar einen Kopfstand auf einer Walze und balanciert auf einer Wippe, die auf einem fünfstöckigen Turm aus Rollen steht.


Sandra Steffl, Inna Zobenko 

Inna Zobenko kniet auf einer Drehscheibe und dreht sich dabei in aberwitzigem Tempo und mit unglaublicher Ausdauer um sich selbst. Die blonden Haare fliegen nur so, das Ensemble versammelt sich um sie und feuert sie an. Später richtet sich die gebürtige Ukrainerin sogar noch auf und steht auf der rotierenden Scheibe. Ihr Gleichgewicht ist mehr als ausgeprägt, ein Schwindelgefühl scheinbar nicht vorhanden. Im Grunde sind es nur zwei Tricks, aus denen diese Darbietung besteht – aber dennoch ist sie grandios. Kommen wir nochmal zurück zu Sandra Steffl. Sie hat entscheidenden Anteil am Gelingen dieser Show. Einem Programm, das so herrlich extrovertiert nach vorne geht. Steffl lässt sich als laszive „Fischerin vom Bodensee“ im Kleinboot über die Bühne ziehen und geizt beim burlesken „Glock’n‘Roll“ nicht mit ihren Reizen. Lässt die Zuschauer ausgelassen schunkeln und „Schatzi, schenk mir ein Foto“ singen. Interpretiert selbst ein traditionelles Gstanzl, in diesem Fall ein Loblied aufs Starkbier. Und bekennt gesanglich, sie sei „gamsig, gamsig, gamsig“, zum Breakdance von Sebastian Stamm.

Auf diesen herrlichen Varieté-Spaß schmettern wir ein zünftiges „Prosit der Gemütlichkeit“. Ein Besuch ist rundum zu empfehlen. Und aktuell noch gut mit einem Gang übers Cannstatter Volksfest zu verbinden. Dem hier mehr schon gehuldigt als dass es aufs Korn genommen wird.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll