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Friedrichsbau-Varieté - "Illusion"
www.friedrichsbau.de - 119 Showfotos

Stuttgart, 20. September 2017: Zu den Spezialitäten des Hauses im Friedrichsbau-Varieté Stuttgart gehören die Zaubershows. Sie stehen regelmäßig auf dem Spielplan. Die neueste Variante „Illusion – Do not trust your Eyes!“ fällt besonders gelungen, verblüffend, unterhaltsam aus. Zwei verschiedene Großillusionisten, ein langhaarig-haarsträubender Komiker und ein geheimnisvoller asiatischer Schwertkämpfer sorgen für interessante Kontraste. Ganz besonders staunen lässt das Gedankenleser-Duo Sonambul. Hinzu kommt eine luftakrobatische Nummer.

Mit „Illusion“ ist der Friedrichsbau in die Spielzeit 2017/18 gestartet, die vierte am neuen Standort auf dem Stuttgarter Pragsattel. Erstmals schmückt wieder ein Wandbild mit dem aktuellen Show-Motto das Foyer. Im alten Gebäude gab es das zu jeder Produktion. So wird eine schöne Tradition wieder aufgenommen. Kummer bereitet dagegen, dass 2017/18 zum ersten Mal nur noch drei statt wie bisher vier große Eigenproduktionen auf dem Programm stehen. Dafür werden immer mehr Gastspielproduktionen für einzelne Tage gebucht.


Ottavio Belli

Los geht das neue Programm mit zwei klassischen Großillusionen. Ein scheinbar leeres Podium wird mit einem Vorhang verhüllt, der kurz darauf wieder gelüftet wird. Dabei erscheint Ottavio Belli, Magier aus Italien mit energischem, temperamentvollem Auftreten. Die erste seiner Assistentinnen steckt kurz darauf in einem Käfig, in dem Lidschläge vorher noch Flammen loderten. Dann folgt das eigentliche Opening. Darin stellen sich alle Künstler gegenseitig vor. Einer der beeindruckendsten Tricks von Ottavio Belli ist „Eclipse“, zu deutsch Finsternis. Hier wird ein kreisrundes Gestell durch eine schmale Wand in der Mitte geteilt. Zunächst wird die linke Hälfte des Kreises durch eine Papierwand abgedeckt. Als Schattenspiel sehen wir eine Assistentin scheinbar die Mittelwand durchdringen und dabei verschwinden. In umgekehrter Weise kehrt sie später zurück. Staunen dürfen wir auch, wenn Ottavio Belli eine Partnerin scheinbar flach wie eine Briefmarke presst. Ein Rätsel bleibt, wie eine Assistentin den Weg aus einer von Speeren durchbohrten Kiste findet, welche auf einem besonders hohen Metallgestell ruht. „Geometrical impossible“ ist der treffende Titel seiner letzten Illusion, in der Feuerpfeile eine Kiste durchstoßen, in der man gerade noch eine Assistentin vermutete.


Daniel Craven

Der zweite Großillusionist dieser Show, Daniel Craven aus Deutschland, verkörpert mit seiner blonden Wuschelmähne einen charmanteren, eleganteren Typ. Auch er lässt seine beiden Assistentinnen zunächst auf rätselhafte Weise auf der Bühne erscheinen, in diesem Fall aus einer gläsernen Box. Und dies nur, um kurz darauf eine von ihnen dem Anschein nach von Speerspitzen durchbohren und unversehrt zurückkehren zu lassen. Später durchdringen der Magier und seine Assistentinnen eine Wand aus massivem Metall; Craven bewegt sich darüber hinaus durch die rotierenden Blätter eines großen Ventilators. Abwechslungsreich und spannend geht es weiter, wenn Daniel Craven und eine Assistentin auf undurchschaubare Weise die Plätze auf einem Sessel tauschen. Im zweiten Programmteil wird Craven dem Anschein nach von rotierenden Sägeblättern zerteilt. Zur Überraschung des Publikums erscheint er kurz darauf, natürlich unverletzt, mitten im Zuschauerraum wieder.


Duo Sonambul 

Die faszinierendsten Künstler des Abends sind jedoch Roman Maria von Thurau und seine Partnerin Vivian alias Duo Sonambul. Sie waren bereits 2007 im Friedrichsbau engagiert, in der nach ihnen benannten Show „Sonambul“. Seitdem ist uns ihre Kunst, auch nach hunderten von besuchten Circus- und Varietéshows, unvergesslich geblieben. „The Art of Mindreading“ ist das Motto ihrer Arbeit. Roman gibt den stilvollen Conférencier im Anzug, seine Partnerin das geheimnisvolle Medium im Abendkleid. Die blonde Frau verfügt angeblich über dänische Vorfahren und soll in Brasilien auf der Farm ihres Großvaters aufgewachsen sein. Dort habe ihr indianisches Kindermädchen sie in die Kunst eingewiesen, aus Gesichtern Gedanken zu lesen. Man weiß nicht so Recht, was daran nun autobiographisch ist und was Teil der Kunstfigur. Doch unterhaltsam ist Vivian auf jeden Fall. Mit dahingezischten Sätzen wie „Wenn man Ameisen vergiftet, fallen sie immer nach links“ unterstreicht sie ihre mystische Aura. Im ersten Auftritt rät sie – mit verbundenen Augen – Gegenstände, die Zuschauer im Publikum mit sich führen. Für ungläubiges Staunen ist gesorgt, wenn Vivian auf einem Flipchart eine Persönlichkeit malt, an die eine Zuschauerin gerade denkt. Pablo Picasso ist richtig. Charmant, wie ein Zuschauer das Wort errät, das seine Ehefrau zufällig aus einem Buch gewählt hat – Vivian hilft als „Souffleuse“ mit einem Pappschild nach. Später werden die Wünsche erraten, die Zuschauer in der Pause auf kleinen Zetteln notiert haben. Auch die Seriennummer des Geldscheins, den ein Zuschauer mit sich führt, ist für Vivian keine Unbekannte.


Skizzo, Szulita und Dennis 

Skizzo blödelt sich durch seine Comedy-Magic-Nummer, in der er unter anderem den Schwert- und Luftballonschlucker mimt. Völlig ohne erkennbaren Zusammenhang hastet er von Trick zu Trick, lässt fahrig das eine bleiben, um schnell wieder etwas ganz anderes zu tun. Noch abgefahrener ist nur sein zweiter Auftritt nach der Pause. An Feuerspiele reihen sich unter anderem eine Striptease-Einlage, das Verzerren der Gesichtszüge mit einem Gebläse, so dass seine langen Locken nur so fliegen, und das Verschwinden in einem riesigen Ballon. Die scheinbar wahllose Abfolge ergibt ein witziges Ganzes. Die einzige akrobatische Darbietung des Abends steuern Szulita und Dennis am Vertikalseil bei. Leider sind sie auf den Gedanken verfallen, mit LED-beleuchteten Kostümen im Dunkeln zu arbeiten. So kann man ihre Gesichter, ihre Persönlichkeit nicht erkennen und beobachtet stattdessen turnende Christbaumkugeln. Der Applaus bleibt verhalten. Auf diese Nummer hätte man besser verzichtet.


Ryan Hayashi

Ryan Hayashi mimt einen geheimnisvollen Samurai-Kämpfer. In seinem ersten Auftritt lässt er auf geheimnisvolle Weise vier Münzen ihre Plätze unter ebenso vielen Spielkarten tauschen. Einziger Nachteil dieser Darbietung ist, dass sie via Kamera auf eine Leinwand übertragen werden muss. Aus den hinteren Reihen des Theatersaales sind die Bilder nicht optimal erkennbar. Noch faszinierender seine Hauptnummer. Hierbei zerteilt er mit verbundenen Augen Salatgurken mit einem scharfen Samuraimesser. Und dies, während eine Assistentin das Gemüse mit Mund oder Zähnen hält, um den Kopf gebunden hat oder es auf ihrem Unterarm liegt. Ein besonderer Ausweis höchster Konzentrationsfähigkeit des Samurai-Künstlers.  Mehrmals in der Show arbeiten die unterschiedlichen Zauberkünstler gemeinsam. Beispielsweise wenn Daniel Craven und Roman Maria von Thurau in Sekundenschnelle „Rubiks Würfel“ lösen. Durch diese Zwischenspiele werden die Einzelteile der Show noch besser zu einem Ganzen verbunden.

Dieser große Zauber-Abend zeigt einmal mehr, wie vielfältig das Feld der Magie ist. Es reicht von kleinen Manipulationen mit Münzen und Karten bis hin zu spektakulären Show-Bildern. Auch satirische Verballhornung, geheimnisvolle Gedankenspiele und faszinierende Konzentrationsübungen sind ein Teil davon. Erlaubt ist, was unterhält. Das Publikum im gut besetzen Saal, mitten unter der Woche, dankte es mit donnerndem Applaus. Möge die gesamte neue Spielzeit so erfolgreich werden.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber