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Berliner Artistenschule - Initital
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Stuttgart, 4. August 2016: Das ist einer der stärksten Jahrgänge der vergangenen Jahre! Auf diese kurze Formel lässt sich bringen, was wir beim Besuch der aktuellen Absolventenshow der Berliner Artistenschule gesehen haben. Neun junge Menschen, sechs Mädels und drei Jungs, sind damit den Sommer über auf Tour. Jahre haben sie gemeinsam an der Schule verbracht und schließlich erfolgreich die Abschlussprüfung abgelegt – an einer für Deutschland einzigartigen Einrichtung. Nun sind sie auf „Klassenfahrt“ durch rund 30 deutsche Städte. Danach werden sich ihre Wege trennen.

Verbinden wird sie immer die qualifizierte Ausbildung, die sie in Berlin genossen haben. Und das Erlebnis, auf einer gemeinsamen, umfangreichen Tournee viel wertvolle Auftrittserfahrung gesammelt zu haben, ehe sie künftig auf sich alleine gestellt sind. Engagements im Varieté, auf Kreuzfahrtschiffen und bei Galas sind es, was die meisten der Jung-Artisten sich wünschen. Von einer Circus-Karriere träumen sie leider kaum. Für die Organisation der Absolventen-Tour zeichnen in bewährter Weise Maik M. Paulsen und Jan van Aubel mit ihrer Firma „Wundercircus“ verantwortlich. Dabei durfte der traditionelle Stopp im Stuttgarter Friedrichsbau nicht fehlen. Nur in Stuttgart und Darmstadt ist das Programm jeweils gleich vier Abende in Folge zu sehen.

 


Ensemble

 

In der diesjährigen Produktion „Initial“ machen die Absolventen sich selbst zum Thema. Karl-Heinz Helmschrot hat erstmals Regie geführt, Cristiana Casadio die Choreographien der Ensembleszenen geschaffen. In Einspielungen aus dem Off wird von der Entscheidung der jungen Artisten berichtet, aus der Passion eine Profession zu machen. Jeder wird kurz mit einigen seiner wesentlichen Charakterzüge vorgestellt. Und es werden kleine Szenen aus dem Trainingsalltag gezeigt – beispielsweise Übungen an der Ballettstange unter den strengen Augen des Ausbilders. So wird das Künstler-werden nacherzählt.

 


Monalaura, Duo Sienna, Saleh Yazdani

 

Das Opening mündet in die Duo-Tüchernummer von Monalaura alias Mona Tesch und Laura Borkowski. Auf einen ruhigen Beginn folgen hier in dynamischem Tempo viele Halte- und Drehfiguren. Abfaller werden in riskanter Weise Hand-in-Hand oder mit einem Fuß in einer Kniekehle beendet. So ist gleich nach diesem ersten, starken Auftritt für großen Applaus und Jubel gesorgt. Saleh Yazdani hat für seine Handstände ein außergewöhnliches Requisit in Form eines großen Holzschaukelpferdes gewählt. „Run Boy Run“ liefert den Soundtrack zum Thema, wie sich hier ein Heranwachsender gegen die Tristesse des Alltags stemmt. Es liegt auf der Hand, dass der wippende Untergrund Salehs Balancen erschwert, beispielsweise bei Hand- und Kopfstand auf dem Schädel des Spielzeugpferdes. Seine Arbeit wird von fortwährendem Applaus begleitet. Im ersten ihrer zwei Auftritte zeigen Sina Brunner und Vienna Holz alias Duo Sienna eine eher ungewöhnliche Version des Poledance, nämlich ein Duett, bei dem sie gemeinsam um die Stange rotieren.

 

Anna Shvedkova, Rosalie, Saleh und Anna

 

Später wandelt Saleh Yazdani mit seiner Partnerin Anna Shvedkova auf den Spuren von Vanessa und Sven, wenn sie in der kompakten Duo-Akrobatik die Unterfrau gibt. Annas Haupt-Darbietung spielt sich dagegen in der Luft ab. Schließlich sind Solo-Artistinnen am Trapez ein typisches „Werk“ der Berliner Artistenschule. Anna gibt ihrem Auftritt durch die zweite Trapezstange, also die Aufrüstung zum Doppeltrapez, dennoch eine eigenständige Note. Nach vielen modernen Beats und schlichten Kostümen ist es beim nächsten Auftritt eine willkommene Abwechslung, dass Rosalie Held zu einem französischen Chanson im Walzerrhythmus arbeitet und dabei doch tatsächlich ein Kostüm mit Glitter und Rosenschmuck trägt. Bei ihrer Handstand-Equilibristik arbeitet sie auf einem Podest mit rotierender Drehscheibe. Im Handstand nimmt sie zudem eine Rose mit den Zehen vom Boden auf. Auch diese Pausennummer wird mit starkem Applaus bedacht.

 


Carlos Zaspel, Rosalie, Sir Adam

 

Stark geht es zum Beginn des zweiten Programmteils weiter. Carlos Zaspel war bereits vor einem Jahr im Friedrichsbau zu Gast. Noch als Artistenschüler hatte er hier gemeinsam mit seinem Bühnenpartner Fabio Zimmermann alias Duo „Two Guys One Club“ ein Engagement in einer regulären Produktion des Hauses. Nun kehrt er mit einer eindrucksvollen Darbietung zurück. Sein neu kreierter „Spinning Pole“ besteht aus einem fest stehenden und einem im Kreis darum schwingenden Mast. So etwas haben wir tatsächlich noch nicht gesehen. Gleich einer rasanten Karussellfahrt kreist er um den feststehenden Mast, hält sich dabei zeitweise nur mit den Beinen am Spinning Pole oder springt von Mast zu Mast. Dabei macht das Zusehen wirklich Spaß, und eigentlich möchte man am liebsten selbst eine Runde drehen. Wenn es nur so einfach wäre…. Auch kraftvolle Tricks am fest stehenden Masten, bis hin zum Salto, sowie ein Kopfstand oben auf dem Requisit gehören zum Repertoire. In ihrem zweiten Auftritt nach der Rosen-Nummer zeigt Rosalie noch eine starke Tücherkür. Zu einem melancholischen Popsong wechseln sich Sturz in die Tücherschlaufe, mit den Füßen gefangen, Genickhang und Spagat ab. Eine temperamentvoll vorgetragene Diabolonummer bietet eigentlich immer eine Gute-Laune-Garantie. Und das gilt ganz bestimmt bei Adam Harwig alias Sir Adam im Schottenrock. Er beginnt seinen Auftritt auf einem Stuhl sitzend und lässt dabei ein Diabolo um seine Beine tanzen. Später schickt er, nunmehr im Stehen, bis zu drei von ihnen durch die Luft.

 


Ensemble, Duo Sienna

 

Die Show endet, wie sie begonnen hat, nämlich mit einer rein weiblichen besetzten Duo-Luftnummer. Sina Brunner und Vienna Holz präsentieren interessante, anspruchsvolle Halteposen, zum Teil quasi spiegelbildlich. Es ist schon bemerkenswert, wie viel "Frauenpower" dieser Abschlussjahrgang bietet. Eine tolle Ausstrahlung haben in dieser Saison alle Absolventen. Und die zeigt sich noch einmal in der temperamentvollen Ensembleszene, mit der sich die staatlich geprüften Jung-Artisten vom begeisterten Publikum verabschieden.

Hoffentlich auf Wiedersehen – und ja: gerne auch im Circus. Schließlich gehören in dieser Saison zwei Absolventen der Berliner Artistenschule, Benno Jacob und Lukas Stelter alias Diabolo-Duo TwinSpin, zum Ensemble des Schweizer National-Circus Knie. Ein Engagement, das für die allermeisten Artisten der Lebenstraum schlechthin ist.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber