Nun endlich ist es soweit! Unter besonderen
Vorzeichen – mit 3G-Kontrolle, Maskenpflicht und absichtlich frei
gelassenen Plätzen –, aber eben doch „live on stage“ wird Premiere
gefeiert. In der weiterhin unsicheren Zeit geht das Varietéteam um
Direktor Timo Steinhauer und Regisseur Ralph Sun dabei bestmöglich auf
Nummer sicher. Und so wurde wieder einmal eine Illusionsshow
zusammengestellt, denn mit diesem Genre feierte das Haus in den
vergangenen Jahren besondere Erfolge. „Magic Maniacs“ wurde
weitestgehend mit Friedrichsbau-erfahrenen Akteuren besetzt, einige von
ihnen aus dem Großraum Stuttgart stammend. Bei anderen konnten
Corona-bedingt ausgefallene Verpflichtungen nachgeholt werden.
Ottavio Belli mit
Assistentinnen
Los geht es mit Großillusionen von Ottavio Belli.
Der Italiener präsentiert sich energisch und temperamentvoll, wenn er
selbst und seine Assistentinnen aus einem großen Käfig erscheinen oder
eine Dame aus einer Gitterbox herbeigezaubert wird. Mit einem Gerät, das
an eine Ziehharmonika erinnert, können seine Assistentinnen scheinbar
auf Papierdicke gepresst werden. Nicht minder ungemütlich scheint es
später für eine seiner Partnerinnen zu werden, wenn sie sich in einer
Box befindet, in der das Platzangebot durchs Einschieben eines Kastens,
eines Bretts und dreier Stangen drastisch vermindert wird. Dennoch sehen
wir ihre Hand herauswinken. Zum Erstaunen des Publikums entsteigen kurz
darauf nicht nur diese Dame, sondern noch zwei weitere Assistentinnen
der Kiste. Später dürfen seine Partnerinnen noch weitere vermeintliche
Torturen über sich ergehen lassen. Einer der beeindruckendsten Tricks
von Ottavio Belli ist „Eclipse“, zu deutsch Finsternis. Hier wird ein
kreisrundes Gestell durch eine schmale Wand in der Mitte geteilt.
Zunächst wird die linke Hälfte des Kreises durch eine Papierwand
abgedeckt. Als Schattenspiel sehen wir eine Assistentin scheinbar die
Mittelwand durchdringen und dabei verschwinden. In umgekehrter Weise
kehrt sie später zurück.
Jorgos Katsaros,
Gabriele Testa
Zu Ottavio Bellis Team gehört auch
Nachwuchskünstler Gabriele Testa, der solo einen einzigen Mentaltrick
zeigen darf, in dem er die Auswahl einer Spielkarte durch einen
Zuschauer vorhersieht. Der Auftritt leidet darunter, dass Testa nur
Italienisch spricht und Conférencier Jorgos Katsaros übersetzen muss.
Während Belli zu rockigen Klängen die große Geste zelebriert, unterhält
der „Stuttgarter Grieche“ Jorgos Katasaros humorvoll und im charmanten
Plauderton, obenrum korrekt im Frack, doch untenrum heuer nur mit
einer goldfarbenen Short bekleidet. Zum fünften Mal innerhalb der
vergangenen zehn Jahre ist er prägender Teil einer Friedrichsbau-Show
und gehört damit zu den Stammkräften des Hauses. Zunächst macht er uns
augenzwinkernd mit den Sicherheitshinweisen vertraut, später zaubert er
unterschiedliche Mengen von Karos auf die gleiche Spielkarte. Amüsant
ist auch, wie er in der Lage ist, die Position nummerierter Würfel zu
verändern, die er in eine quadratische Säule geschoben hat. Obwohl dafür
kein Platz sein dürfte. Nicht fair, aber lustig ist sein „Super Quiz“,
bei dem eine Zuschauerin banal einfache und ein Zuschauer extrem
schwierige Fragen beantworten muss. Natürlich gewinnt die Dame. Das
gesamte Publikum darf bei einem unterhaltsamen Mental-Zauber mitmachen,
der zur allgemeinen Verblüffung alle zur gleichen Lösung führt. Und
später darüber staunen, wie er in einem vollständigen Puzzle immer noch
ein Teil ergänzen kann, ohne dass es den Rahmen darum sprengt.
Daniel Craven mit
Assistentinnen
Der zweite Großillusionist dieser Show, Daniel
Craven aus Deutschland, verkörpert mit seiner blonden Wuschelmähne einen
charmanteren, eleganteren Typ als Ottavio Belli. Er lässt eine seiner
beiden Assistentinnen dem Anschein nach von Speerspitzen durchbohren und
unversehrt zurückkehren – aufmerksame Besucher erkennen hier Yana Grimm,
die vor wenigen Jahren Captaingirl des Balletts im Circus Krone war.
Besonders stimmungsvoll und als kleine Geschichte inszeniert ist die
Illusion, in der Daniel Craven und eine Assistentin auf undurchschaubare
Weise die Plätze auf einem Sessel tauschen. Dramatischer wird es, wenn
Craven dem Anschein nach von rotierenden Sägeblättern zerteilt wird. Zur
Überraschung des Publikums erscheint er kurz darauf, natürlich
unverletzt, mitten im Zuschauerraum wieder. Auch die Durchdringung der
rotierenden Blätter eines großen Ventilators kann ihm nichts anhaben.
Julius Frack
Julius Frack ist, wie Jorgos Katsaros, ebenfalls
in Stuttgart aufgewachsen. Er steuert besonders originelle Illusionen
zur Show bei – beispielsweise wenn er dem Anschein nach aus einem
gigantischen 3D-Drucker ausgedruckt wird und so zum ersten Mal auf der
Bühne erscheint. Eine Zuschauerin darf auf einem Flipchart eine
Strichmännchen-Figur farbig ausmalen und sagt damit zur allgemeinen
Überraschung die Farben seines nächsten Outfits voraus. Zu den kleinen,
charmanten Tricks gehört, wie er Bälle zwischen den Fingern erscheinen
lässt oder aus einem Kartenspiel eine von einer Zuschauerin bestimmte
Karte „herausfischt“. Wunderbar poetisch ist sein Auftritt als
Schneider. Dabei verwandelt sich eine schnell gezeichnete Modeskizze in
Textil, tanzt eine fliegende Schere über den Stoff, und das von ihm
zusammengestellte Kleid über einer Modepuppe wird einen Wimpernschlag
später plötzlich von einer echten Dame getragen – einfach zauberhaft!
Andrew O'Ryon und
Valentina Cocco
Der Italiener Andrew O’Ryon verkörpert einen Typen
zwischen Steampunk und Gothic. Zunächst wechseln er und seine
Assistentin und Lebensgefährtin Valentina Cocco die Plätze auf bzw. in
einer großen Glasbox. Er schreckt auch nicht davor zurück, Rasierklingen
zu verspeisen und sie an einer Schnur aufgefädelt wieder ins
Scheinwerferlicht zu befördern, auch wenn ich persönlich dieses
Grusel-Kunststück nicht gerne sehe. Besser gefällt da die romantische
Szene, in der die Partnerin nicht nur schwebt, sondern sich auch
scheinbar frei in der Luft dreht. Wirklich verblüffend ist seine Version
der „zersägten Jungfrau“, denn die verwendeten Kisten sind extrem flach
und kompakt. |