CHPITEAU.DE

Friedrichsbau-Varieté - Magic Vampires
www.friedrichsbau.de - 53 Showfotos

Stuttgart, 13. September 2013: Vielleicht ist es die letzte Show an diesem Ort. Fast 20 Jahre lang war die Rotunde im Gebäude der Stuttgarter L-Bank die Heimat für eines der großartigsten Varieté-Theater in diesem Land. Doch in der Silvesternacht könnte der letzte Vorhang fallen. Schließlich hat die L-Bank erst ihre finanzielle Förderung des Theaters und dann den Mietvertrag für die Rotunde aufgekündigt. Alles aus? Hoffentlich nicht. Als gemeinnützige GmbH, ohne das bisherige Mutterhaus DEAG, möchte das Friedrichsbau-Team in ein Zelt auf den Stuttgarter Pragsattel ziehen, neben das Theaterhaus.

Bis September 2014 soll dieser Plan vollzogen werden, und so werden aktuell Gesellschafter für das neue Unternehmen, Stuhlpaten, Sponsoren und Mitglieder für einen Freundeskreis gesucht. Und ein Entgegenkommen der L-Bank wäre auch noch notwendig: Noch ein Programm würde man gerne in der Rotunde spielen und dann erst in der Sommerpause umziehen. Ist das nun alles machbar oder nicht? Die Stimmung im Friedrichsbau-Team scheint jedenfalls positiv und optimistisch. Und so wurde in den vergangenen Wochen gleichzeitig mit der Bank verhandelt und ein Stück produziert, das Blut saugende Ungeheuer im Titel trägt.


Raymond, Jorgos Katsaros 

„Magic Vampirs – Die Show mit Biss“ macht so richtig Spaß. Der Stuttgarter Grieche Jorgos Katsaros begibt sich dabei auf den Weg, um bei Graf Dracula in Siebenbürgen zumindest „einen Bürgen“ für seine griechische Heimat zu finden. Schnell trifft er auf den Holländer Raymond, der seine von Dracula entführte Verlobte sucht. So ist für die lose Rahmenhandlung gesorgt, in Draculas Spukschloss treffen die beiden auf allerhand kuriose Gestalten. Katsaros hat im Friedrichsbau schon vor zweieinhalb Jahren durch die Produktion „Magic de Luxe“ geführt. Genauso amüsant und stilvoll, wiederum im schwarzen Frack, zaubert er sich nun durch „Magic Vampires“. Wieder durchbohrt er scheinbar das edle Sakko eines Zuschauers mit einer Zigarre, manipuliert Spielkarten nach Belieben oder lässt ein Tischchen vor den Augen der Zuschauer schweben.


Raymond, Jorgos Katsaros

Und als Jorgos Katsaros die Bühne einmal verlassen muss, führt sein ewig hilfloser Kompagnon Raymond quasi „in Vertretung“ den Zaubertrick mit den Martiniflaschen vor. Dabei muss er sich jedoch simultan via Handy erklären lassen (und das am besten, ohne dass es jemand im Publikum bemerkt), was er genau zu tun hat. Selbstredend,  dass Raymond dabei das eine oder andere Gläschen Wermut zu viel trinkt. Ein ganz großer Lachschlager vor der Pause, mit frenetischem Jubel quittiert. Raymond, eigentlich Rámon Hopman, war von 2002 bis 2007 neben Olivier Taquin einer der beiden „Frères Taquin“, gewann mit dieser Nummer Bronze in Monte Carlo und war u.a. bei Knie und Roncalli engagiert. Zuletzte tourte er mit Kotini jr. in einem Duo-Programm durch Deutschland.


Mikhail Stepanov, Philipp Tigris, Sittah

Die vielleicht letzte Show in diesem Gebäude ist auch ein Programm der bekannten Gesichter – fast alle Akteure waren in den vergangenen fünf Jahren auch in anderen Friedrichsbau-Programmen zu sehen. Und so gibt es nach vier Jahren ein Wiedersehen mit der Niederländerin Sittah und ihren Großillusionen. Sexy Outfits und moderne Tanzchoreographien bietet Sittah mit drei Tänzerinnen und einem Tänzer nach wie vor. Allerdings geht eine der Großillusionen am Premierenabend völlig schief: Als das Tuch vor dem Glaskasten gelüftet wird, ist der Akteur darinnen mitnichten verschwunden. Und bei einem anderen Trick hängt der Boden des Requisits derart durch, dass es sich auch für den Unbedarften von selbst erklärt, wo die „verschwundene“ Assistentin steckt. Der Applaus für „Sittah’s Revenge“ bleibt verhalten. Philipp Tigris war vor fünf Jahren am Luftring und als Matrose mit Hula Hoop-Ringen in der ersten Burlesque-Show des Friedrichsbaus zu sehen. Heuer lässt der muskulöse, mit großformatigen Tattoos ausgestattete 38-Jährige im ersten Programmteil wieder bis zu fünf Hula Hoop-Reifen kreisen, wiederum kombiniert mit Kontorsionselementen, diesmal allerdings in einer sinnlichen Nummer im Chicago-Stil und im Nadelstreifen-Outfit. Nach der Pause zeigt er dann in seiner Kontorsionsnummer seine ganz enorme Beweglichkeit, zum Beispiel wenn er – auf Hände und Kinn gestützt – die Beine um seinen Oberkörper kreisen lässt. Auch Mikhail Stepanov war 2008 in der Burlesque-Show zu sehen. Erneut beweist er heuer seine enorme Kraft, und zwar diesmal nicht nur an den Strapaten (u.a. mit freihändigem Spagat), sondern auch im Cyrrad.


Vanessa Lee, Mikhail Stepanov, Iryna Bondarenko

Friedrichsbau-Premiere feiert dagegen seine Frau Iryna Bondarenko mit einer außergewöhnlichen Nummer, bei der sie ihre Jonglagen mit bis zu sechs Bällen mit Spitzentanz kombiniert. Dargeboten wird dies mit bezauberndem Lächeln. Bondarenko ist ehemaliges Mitglied der Truppe Bingo und war als solche Bronze-Gewinnerin in Monte Carlo 2003. Vanessa Lee hat als gebürtige Stuttgarterin ein Heimspiel im Friedrichsbau. Sie durfte hier bereits 2010 im Rahmen der Absolventenshow der Berliner Artistenschule auftreten und ein Jahr später in der Musikantenstadel-Parodie „Servus, Grüezi und Hallo“. Auf das Spiel mit den Federn verzichtet sie diesmal bei ihrer Arbeit am Solotrapez; stattdessen mimt sie ganz in Weiß Raymonds unschuldige Verlobte. Starke Tricks wie ihre Rückwärts-Umschwünge lassen das Publikum am Premierenabend begeistert jubeln.

Die Kombination aus Illusionsshow, Artistik und ganz viel Humor kam zur Premiere glänzend an – frei nach der Erkenntnis, dass das Publikum meistens dann besonders zufrieden ist, wenn es herrlich viel zu lachen gab. Dem Grafen Dracula kommen Grieche Jorgos und Holländer Raymond, so viel sei verraten, bis zum letzten Vorhang nicht auf die Spur. Bleibt zu hoffen, dass sich dagegen für Stuttgarts unverzichtbares Varieté eine gute und dauerhafte Lösung „mit Biss“ findet.

__________________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber