Ein anderer
kreativer Kopf, den wir ebenfalls als Clown kennen, hat diesmal Regie
geführt. Eddy Neumann bringt die Geschichte auf die Bühne und sorgt
dafür, dass wir unterhaltsame zwei Stunden aus einem Guss erleben
dürfen. Das ist ihm ganz wunderbar gelungen, die Show ist äußerst
unterhaltsam, charmant, kurzweilig und abwechslungsreich besetzt.
Szene aus dem
Opening
Daran haben
natürlich auch die anderen Beteiligten ihren Anteil. Die Werkstätten
haben wieder ein wunderbares und funktionelles Bühnenbild geschaffen.
Das Lichtdesign zaubert stilsicher die unterschiedlichsten Stimmungen.
Die Musik kommt aus der Konserve, unterstützt die einzelnen Auftritte
aber – anders als noch bei der letzten Produktion – bestens. Die für das
Casting verantwortliche Vivi Paul hat viele neue Gesichter nach
Düsseldorf geholt und etliche Genres, die dort länger nicht mehr zu
sehen waren. Der Großteil der Artisten stammt aus der Ukraine. Da sie
aber alle ihren eigenen Auftrittsstil haben, ist für Abwechslung
gesorgt. Leider verzichten müssen wir auf das hauseigene Ballett. Dafür
sind die Berlin Show Dancers dabei, ebenfalls als rein weibliches
Quartett.
Conc, Vitaliy
Ostroverhov
Die Tänzerinnen
sind selbstverständlich Teil des Eröffnungsbilds. Nachdem Conc Stühle
und Tische vor sein Café gestellt hat, belebt sich der Platz nach und
nach. Ein Passant wirft einen Blick in die Zeitung des Gastwirts, die
Bedienung zieht ihre Schürze an, eine Nachbarin schaut dem Treiben von
ihrem Fenster aus zu. Weitere Artisten und die Tänzerinnen kommen hinzu,
eine als Businesswoman, eine andere im Sportdress. Eben so, wie es
zugeht, wenn die Stadt erwacht. Das Ganze aber in einer durchdachten
Choreographie präsentiert. Asia Medini schnappt sich einen der
Passanten, um ihm bei seinen Künsten von einer Bank aus zuzusehen. Bei
dem Mann im schwarzen Outfit handelt es sich um Vitaliy Ostroverhov. Was
eben noch eine Wäscheleine war, dient ihm nun als Schlappseil. Darauf
balanciert er souverän in verschiedenen Varianten. Sogar im Spagat hält
er sich im Gleichgewicht. Seine besondere Spezialität sind Jonglagen mit
silbernen Hüten, die so groß sind, dass er sie zum Schluss auf seinem
Kopf stapelt.
Brittany
Gee-Moore, Conc, Duo Twins
Was Vitaliy
Ostroverhov kann, können wir auch, denken sich Conc und sein Kellner
Ernesto. Die Homepage führt die beiden übrigens als Colli & Hendricks.
Conc versucht sich an Jonglagen mit seinem Tablett, Ernesto mit drei
Sektkühlern. Besser läuft es, nicht zuletzt dank eines kleinen Kniffs,
mit Zigarettenkisten. Keine Schummeleien braucht Brittany Gee-Moore. Die
kanadisch-irische Artistin wird von ihren Kollegen auf Händen
hereingetragen. Als Requisit hat sie sich das Vertikalseil ausgesucht.
Zumindest auf Varietébühnen eine Rarität. Warum eigentlich, fragt man
sich, wenn man sieht, welche Trickvielfalt Brittany Gee-Moore daran
zeigt. Ästhetische Haltefiguren sind ebenso dabei wie gewagte Abfaller.
Dargeboten mit viel Präsenz, begleitet von traumhafter Musik und
eingehüllt in ein wunderbares Licht wird daraus ein wahrer Genuss. Mit
einem Weinglas und dem Stil einer Rose motiviert Conc die Zuschauer
erfolgreich, mit ihm zu musizieren. Goldene Fäden fliegen beim folgenden
Tanz des Balletts. Und dann dürfen wir Bekanntschaft mit dem Duo Twins
machen. Andrii und Mykola Pysiura haben gerade beim Salieri Circus Award
in Mailand Bronze gewonnen. Ihre Hand-auf-Hand-Akrobatik arbeiten sie in
flotten Anzügen. Nebenbei versuchen sie herauszufinden, wer von beiden
stilvoller und kreativer ist. Am erfolgreichsten sind sie aber
gemeinsam. Etwa wenn der eine auf dem Kopf des anderen im Einarmer
balanciert. Dies gleich in verschiedenen Variationen. Sprünge bauen die
jugendlichen Akteure ebenfalls in ihren lebhaften Auftritt ein, der von
einem Kopf-auf-Kopf beschlossen wird.
Kateryna
Nikiforova, Steam Acro Troupe
Den Partner im
Kopfstand zu tragen, das schafft natürlich auch Conc. Sogar unter
Einsatz einer Perchestange, die er auf dem Kinn platziert. Fairerweise
sei erwähnt, dass der Partner eine Puppe und die Perchestange ein
Besenstil ist. Kateryna Nikiforova beherrscht die Kunst der Bouncing
Jonglage. Allerdings wirft sie die Bälle nicht zum Bühnenboden, sondern
auf ein durchsichtiges Requisit mit Boden und schrägen Seitenwänden. So
ergeben sich neuartige Effekte, mit denen Kateryna Nikiforova schon im
Big Apple Circus und im Cirque du Soleil verblüffte. Immer mehr der
weißen Kugeln schickt sie so auf den verschiedensten Bahnen durch den
Raum, den die drei Begrenzungen bilden. Nach einem weiteren fulminanten
Auftritt des Balletts produziert sich Conc als Ballerina. Statt mit den
Händen, zelebriert er sein Solo im Tütü mit den Händen, die aber
stilecht im passenden Schläppchen stecken. Der Versuch von Ernesto,
Popcorn herzustellen, ist von wenig Erfolg gekrönt. So schultert Conc
die zig Kartons mit der Aufschrift „Popcorn“ auf der einen Seite und
trägt sie hinaus. Auf der anderen Seite kündigen große Lettern die nun
folgende Pause an. In dieser können die Gäste einen weiteren Gang des
speziell für diese Show kreierten Menüs genießen. Kaum ist das Besteck
beiseite gelegt, öffnet sich der Vorhang wieder. In Pettycoats mit
bunten Punkten holen uns die Tänzerinnen schwungvoll ab und lassen an
ein mögliches Suppenkoma gar nicht erst denken. Zumal es mit viel Tempo
weitergeht. Die Steam Acro Troupe wagt rasante Sprünge auf dem
Trampolin, die auch auf einem stilisierten Haus im Hintergrund gelandet
werden. Dazu wurde clever die mittlere Häuserzeile der Kulisse
umfunktioniert. Die Dame und ihren beiden männlichen Partner sorgen mit
einem Feuerwerk an Flugsequenzen für beste Stimmung.
Vitaliy
Ostroverhov, Conc und Beifahrerin
Schon sehr genau
hinsehen muss man beim nächsten Auftritt von Conc, präsentiert er uns
doch einen Flohzirkus. Die beste Sicht auf das Geschehen haben einige
Ensemblemitglieder, die direkt auf der Bühne Platz nehmen dürfen. Die
Zuschauer im Saal müssen schon ihre Fantasie bemühen, um all das zu
sehen, was Conc groß ankündigt. Mit bloßem Auge ist das zu erkennen, was
uns Vitaliy Ostroverhov im Aufzug eines formvollendeten Golfers zeigt.
Und doch fällt es schwer zu glauben, dass es tatsächlich möglich ist, so
viele übereinander gelegte Golfschläger souverän auf Stirn und Nase zu
balancieren. Als Clou liegt auf der Konstruktion noch ein Golfball.
Letztendlich erleben wir eine Art Metallversion der Sanddornbalancen.
Unbemerkt vom Publikum ersetzt Vitaliy Ostroverhov die schweren Golf-
durch leichte Tischtennisbälle. Diese schnalzt er mit flinker Zunge in
die Luft, um sie dann mit dem Mund wieder aufzufangen. Zum Schluss
balanciert er eine extralange Stange mit Fahne am oberen Ende auf der
Stirn, um eine Kugel in einen Becher ganz an der Spitze der Konstruktion
zu bugsieren. Diese ungewöhnliche Darbietung wird herrlich charmant und
immer mit einem Augenzwinkern präsentiert. Auf eine imaginäre Autofahrt
nimmt Conc eine sympathische Beifahrerin aus dem Publikum mit. Im
Verlauf seiner Spritztour erlebt das ungleiche Paar allerlei komische
Szenen.
Sergiy
Mishchurenko, Duo Medini
Je nach Wohnlage
gehört auch das horizontale Gewerbe zur Nachbarschaft. Hinter verrucht
ausgeleuchteten Fensterscheiben posieren die Damen des Balletts. Diese
erotische – aber natürlich familientaugliche – Grundstimmung greift
Sergiy Mishchurenko für seine Kür am Flying Pole auf. Der Ukrainer sieht
blendend aus, sein muskulöser Body erfreut insbesondere den weiblichen
Teil des Publikums und ist für die kraftvollen Tricks ganz bestimmt von
Vorteil. Wir dürfen eine traumhafte, ausdrucksstarke Inszenierung an der
fliegenden Perchestange erleben, die hochwertige Artistik so ungeheuer
leicht erscheinen lässt. Musik und Licht machen dieses einzigartige
Erlebnis perfekt. Für Erheiterung sorgen Colli & Hendricks mit ihrer
Version des Kaninchen-Tricks, bei dem Käpt'n Blaubär einen Gastauftritt
hat. In goldenen Kostümen tanzt das Ballett zu Michael Jacksons „Black
or White“. Die Schlussnummer gehört Asia und Dylan Medini. Die
Geschwister waren 2023 mit Gifford's Circus auf Tournee und drehen nun
im Apollo Varieté ihre flotten Runden auf Rollschuhen. Wobei vor allen
Dingen Dylan Berührung mit dem Podest hat, während seine Schwester in
durchaus riskanten Posen von ihm gehalten wird. Noch einmal sorgen sie
für ordentlich Schwung in diesem Programm und hörbare Begeisterung beim
Publikum. Den furiosen Schlusspunkt setzen sie mit dem Wirbel im
Genickhang. Ab dem 12. November sind an dieser Stelle die Skating
Donnerts zu sehen. Ausführlich zelebriert wird das folgende Finale. Alle
Mitwirkenden nehmen den frenetischen Applaus der Premierengäste
entgegen. Zwischenzeitlich schließt Conc sein Café, dreht das Schild an
der Tür von „open“ auf „closed“. Feierabend. |