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Friedrichsbau-Varieté - "Neon"
www.friedrichsbau.de - 88 Showfotos

Stuttgart, 17. Februar 2017: Auf eine Zeitreise zurück in die 1980er Jahre will das Friedrichsbau-Varieté mit seiner Frühjahrsproduktion „Neon – The living 80s“ entführen. Die Reise ist vorwiegend eine musikalische. Sängerin Karina Klüber interpretiert große Hits dieser wunderbaren Zeit der Popkultur. Dazu gibt es artistische Darbietungen, die sich in das Thema gut einfügen. Etwa Sergey Timofeevs Handstände auf einem Requisit im 80er-Look. Oder Nummern, die ans Motto angepasst wurden. Es bleibt bei diesen musikalischen und optischen Reminiszenzen; eine Handlung gibt es nicht.

Zumal Karina Klüber tatsächlich fast „nur“ singt und nicht etwa in charmanten Plaudereien an die 80er erinnert – was man sich ja auch vorstellen könnte. Ihre Moderationen sind vielmehr ganz knapp. Im Opening performt sie „I’m so exited“ vor einem großen „NEON“-Schriftzug auf Rollen. Zwischen den Buchstaben erscheint das Ensemble in 80er-Klamotten zu einem ausgelassenen Tanz. Flugs werden die Buchstaben wieder beiseite gerollt und kehren nicht mehr zurück, auch nicht im Finale.


Pranay Werner, Alex Black Magic, Pippa the Ripper
 

Dann gehört die Bühne Pranay Werner. Der Autodidakt stammt weder aus einer Circusfamilie, noch hat er eine Circusschule besucht. Sondern ganz einfach selbst eisern trainiert. Und das erfolgreich, denn sicher lässt er bis zu drei Diabolos durch die Luft fliegen oder um sein ausgestrecktes Bein kreisen. Mit seinem gewinnenden, sympathischen Lachen hat er das Publikum schnell auf seiner Seite. Starker Applaus ist ihm sicher. Dagegen kommt der erste Auftritt des Quartetts „Alex Black Magic“, bestehend aus zwei Damen und zwei Herren, so gar nicht an. Schade, denn die Nummer ist originell. Auf einer Leinwand im Hintergrund läuft ein Videoclip mit Bildern aus den 80ern – vom Außerirdischen „Alf“ bis hin zu Michael Jackson. Und Truppenchef Alex springt durch diese Bilder, so dass Realität und Fiktion optisch verschwimmen. Wie von Geisterhand erscheinen immer wieder Gegenstände aus dem Film auf die Bühne. Eine echte Überraschung ist auch die Tiernummer: „Pippa the Ripper“ zeigt, was ihr kleiner Hund alles gelernt hat. Beispielsweise auf den Hinterbeinen spazieren oder Slalom zwischen Pippas Beinen laufen.


Maxime Poulin, Duo Balkanica, Karina Klüber

Die Songs von Karina Klüber ziehen sich durch den Abend; auf „Holding Out for a Hero“ folgt „Love is a Battlefield“. Freilich ist es schade, dass es dazu keine Live-Band gibt. Die einzelne Sängerin auf der großen Bühne zum Halb-Playback – das läuft schnell Gefahr, steril zu wirken. Die Lösung ist gefunden, wenn sie „What a feeling“ vor dem „Flashdance“-Video im Hintergrund performt oder auf der Mittelbühne oder einfach zwischen den Tischreihen singt: Mit mehr Brimborium oder größerer Nähe zum Publikum wird das „Blutleere“ der Bandmusik-Begleitung geschickt kaschiert. Der Kanadier Maxim Pulin kommt glänzend an und hat das Publikum schnell auf seiner Seite. Er verbindet sein artistisches Können auf dem Kunstrad, bis hin zur Fahrt im Stehen auf dem Lenker, mit zahlreichen Gags. Dabei mimt er einen „kleinen Angeber“, der unter anderem mit seinem Tattoo beeindrucken will. Auch das Duo Balkanica kombiniert Akrobatik und Humor, und zwar bei seiner Kaskadeurnummer im klassischen Circus-Stil. Das Kaskadeur-Genre ist eigentlich fest in männlicher Hand. Doch Yordan Pudev und seine Partnerin Svetlana Nikolova sorgen in männlich-weiblicher Besetzung für eine willkommene Überraschung. Und so herrscht weiter tolle Stimmung bis zur Pause.


Oscar Kaufmann, Sergey Timofeev, Pippa the Ripper

Ein Wiedersehen gibt es im zweiten Programmteil zunächst mit Alex Black Magic und fröhlich-chaotischen Zauber-Parodien, dann mit Maxim Poulin in einer absurden Minirad-Performance. Es folgen die beiden artistischen Highlights des Abends. Oscar Kaufmann, Absolvent der Berliner Artistenschule, wirbelt im Cyrrad über die Bühne, steht ekstatisch kreiselnd in seinem Requisit oder hängt quasi fliegend daran. Die neue musikalische Begleitung mit Queens „I want it all“ verleiht dem Auftritt eine ganz neue Dynamik und Intensität. Anerkennende Pfiffe und Bravo-Rufe erntet anschließend Segey Timofeev für seine exzellenten Handstände auf einem sich ständig verändernden Requisit im Stil von „Rubiks Zauberwürfel“. Das berühmte Drehpuzzle liefert natürlich einen schönen Bezug zum 80er Jahre-Thema. Für einen mitreißenden Abschluss des Programms sorgt Pippa the Ripper, die ihre Hula-Hoop-Nummer als heiße Rockerin zelebriert. Im Vorfeld dieser neuen Produktion konnten die Friedrichsbau-Gäste gar über ihre beliebtesten 80er-Hits abstimmen. Den Siegertitel „99 Luftballons“ gibt es zum Einstieg ins Finale; darauf folgt ein gefühlvolles „First time“ – jeweils interpretiert von Karina Klüber.

Und dann beweist Regisseur Ralph Sun wieder einmal seine Liebe zum Experiment, wenn er das Finale durch den dritten Auftritt des Zauberquartetts „Alex Black Magic“ unterbricht. Mit großem Schluss-Applaus und mehreren Vorhängen endet ein gelungener Premierenabend.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber