Doch
die Zeit ist nicht stehen geblieben. Max und Willi, das kongeniale
Musikcomedy-Duo, hat sich getrennt – und Max Nix eigentlich den
Ruhestand angetreten. Den er nun aus Verbundenheit zum Friedrichsbau
unterbricht. Wir waren gespannt: Funktioniert Max auch ohne Willi? Der
gesprächige Part des Duos ohne seinen schweigsamen Kompagnon? Schon nach
wenigen Augenblicken ist klar: Ja, das tut er.
Max Nix
Im
Opening erleben wir das gesamte Ensemble in einem Tanz. Abwechselnd
werden einzelne Akteure im Lichtkegel herausgestellt. Mittendrin Max Nix
im farbenfrohen Outfit. Dieses wird ihm entrissen, zum Vorschein kommt
ein tadellos sitzender Anzug im Leopardenlook mit Fliege. Das ist auch
schon ein wenig burlesk. Ausgerechnet eine kleine Kartenzauberei will
Max Nix nutzen, um die Stimmung richtig anzuheizen. So geht es weiter:
Mit ironischen, erfreulich kompakten Auftritten führt er durchs
Programm. Zum Beispiel bei seinen Seiltricks mit praktischer Hilfe durch
einen Magneten. Das Publikum geschickt abzulenken ist das Wichtigste an
der Zauberei, lässt er uns wissen. Dann, wenn vor der Pause der
Plüsch-Leopard aus dem Zylinder erscheint, unter den Augen seiner
fürchterlich gelangweilten Assistentin. Oder in einer richtigen
Großillusion, in der sein Körper von der Hand einer Assistentin
durchdrungen wird. Nur eine ganz große, ausführlich gespielte Szene
gönnt Max Nix sich. Wenn er sich aufs hohe Einrad wagt und
„Todes-Slalom“ zwischen einigen „Freiwilligen“ auf der Bühne fährt.
Duo
Heart’s Desire, Anja Pavlova, Jonathan Finch-Brown
Die
erste Burlesque-Szene ist gleiche eine der sinnlichsten,
prickelnd-erotischsten. Anja Pavlova legt darin erst die bunten Tücher,
dann die farbenfrohen Blüten ihres exzellent gearbeiteten Kostüms ab.
Auf der Vorbühne, mitten im Publikum, zelebriert sie ihren lasziven
Fächertanz. Es knistert im Friedrichsbau. Und das tut es auch beim Duo Heart’s Desire alias Viktoriia Knysh und Dmytro Shmygovskyi aus der
Ukraine. Mal rotieren sie bei ihrem Poledance gemeinsam, mal abwechselnd
ums Requisit, häufig tanzen sie zusammen am Boden. Ihre Darbietung wird
dem Namen des Genres gerecht, ist tatsächlich mehr akrobatischer Tanz
als turnerische Höchstleistung. Trotz einiger bemerkenswerter Figuren,
wenn sich beispielsweise Dmytro kopfüber von der Stange abdrückt und sie
sich auf seinen Füßen in der Waage hält. Klassische Handstände und hohe
Beweglichkeit demonstriert Jonathan Finch-Brown im schlichten schwarzen
Outfit und voller Dynamik.
Kiki
Beguin, Rachel Belle Barum, Janet Fischietto
Sündig
in ihr schwarzes Kostüm eingeschnürt, performt Kiki Beguin ihren Tanz in
düsterer Lichtstimmung. Mal verbirgt sie ihren Körper hinter schwarzen
Federn, mal lässt sie tiefe Einblicke zu. Gerd Siemoneit-Barum, der weltberühmte Raubtierdompteur und Circusdirektor,
hätte sich wohl nicht träumen lassen, dass seine Enkeltochter einmal in einer
erotischen Varietéshow auftreten würde. Frivol im goldenen Vogelkäfig,
bekleidet nur mit weißer Unterwäsche, arbeitet Rachel Belle Barum ein
anspruchsvolles Repertoire, von Zehen- und Fershang bis
Genickhangwirbel. Janet Fischietto verfügt über eine so facettenreich
schillernde Persönlichkeit, dass sie zum dritten Mal für eine
Burlesque-Produktion des Friedrichsbaus verpflichtet wurde. Schon ihr
Körper ist mit vielen Tattoos zum Kunstwerk gestaltet. Die Italienerin
erscheint wie eine Diva der Stummfilmzeit, eine mondäne Femme Fatale. In
ihrer Performance „Venus meets the Earth“ gibt sie die Göttin der Liebe
und Schönheit, die in ihrer Bademuschel die Wassertropfen sprühen lässt
– inmitten von zwei leicht bekleideten, golden schimmernden Jünglingen.
Marta
Paley, Kiki Beguin, Janet Fischietto
In
origineller Weise kombiniert Marta Paley Jonglagen mit Spitzentanz. Das
„Simple Russian Girl“, so der Titel der Musikbegleitung, begeistert die
Stuttgarter, sorgt für den bis dahin stärksten Applaus des Abends. Dann,
wenn sie mit zwei Zigarrenkisten und einem Ball, mit zwei Bällen und
einem Luftballon sowie schließlich klassisch mit Zigarrenkisten
jongliert. Ohnehin steigt die Stimmung nun immer weiter an. Zum Beispiel
bei der humorvollen Burlesque-Nummer von Kiki Beguin. Ganz und gar
neckisch und verführerisch ist die Art und Weise, wie sie auf der Bühne
Desserts zubereitet. Nicht an einem Handmixer, sondern an ihren Brüsten
befestigt sie zwei voll funktionsfähige Rührbesen. Die erzeugten
Leckereien dürfen von einigen Zuschauern gekostet werden. Skurril auch
der zweite Burleseque-Tanz von Janet Fischietto, nun mit Katzenmaske und
puscheligem Schwanz.
Duo Little Finch, Anna Pavlova, Gomonov Knife Show
Deutlich glamouröser wird es dann wieder bei Anja Pavlovas
Schönheitstanz. Sie beginnt im Paillettenkleid und bedeckt sich später
nur noch mit weißen Fächern. Sexy aufgemacht, mit viel körperbetontem
Tanz, ist die „Gomonov Knife Show“. Andrei Gomonov wirft selbst dann
Messer in Richtung seiner betörend schönen Partnerin Daria Shereme, wenn
diese an eine rotierende Scheibe gefesselt ist. Glücklicherweise wird
sie niemals getroffen. Das Duo Little Finch – Jonathan und Bob
Finch-Brown – vereint in der Schlussnummer Elemente von „Boylesque“,
Drag und Luftakrobatik. Das Bühnen- und Ehepaar arbeitet am Luftnetz in
Matrosenoutfit und Damen-Body, eine Hommage an den Modeschöpfer
Jean-Paul Gaultier. Dabei dürfen auch starke Tricks nicht fehlen. |