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Neues Theater - Varieté-Frühling 2019
www.neues-theater.de - 90 Showfotos

Frankfurt-Höchst, 6. März 2019: Die aktuelle Show ist die wohl stärkste Varieté-Produktion der letzten Jahre im Neuen Theater Höchst. Sie ist stark besetzt, hat genau die richtige Länge, die Verpackung stimmt und – das Wichtigste – sie ist ungeheuer unterhaltsam. Es gibt vier artistische Nummern und ein Comedy-Duo. Und es gibt Timothy Trust und Diamond. Die Begleiter durch den Abend erhalten sehr viel Raum. Das vollkommen zu Recht. Denn die beiden haben ein enormes Repertoire, sind sehr wandelbar. Zudem verstehen sie es bestens, das Publikum mitzunehmen.

Zum Auftakt erscheinen sie aus eckigen Säulen, auf die Bilder von ihnen projiziert werden. Weiter geht es mit Quick Change-Illusionen und der schwebenden Jungfrau. Ihr zweiter Auftritt ist der faszinierendste. Timothy Trust lässt sich im Publikum Gegenstände zeigen, die die mit verbundenen Augen auf der Bühne stehende Diamond prompt benennt. Das geht nicht nur sehr schnell, sondern auch fehlerfrei. Selbst den Ladestand eines Smartphone-Akkus und eine Ausweisnummer gibt sie ohne Probleme wieder. Richtig mystisch, oder vielmehr mysteriös, wird es, wenn Trust und seine Partnerin Herren aus dem Publikum auf die Bühne holen. Beim Spiel mit Metallreifen werden diese in den Händen eines Herren heiß. Einem anderen versagen die Beine. Es wirkt schon ein wenig beängstigend, zu sehen, wie hier Varietégäste manipuliert werden.


Timothy Trust und Diamond

Einfach nur unterhaltsam ist der Dialog von Timothy Trust mit einem Frosch. Denn Bauchredner ist er auch. Das Zwiegespräch der beiden ist wirklich witzig, zumal hier nicht nur die bekannten Witzmechanismen des Genres ausgepackt werden. Nach der Pause durchbohrt der Magier einen Karton, in dem Diamond sitzt, mit Säbeln. Gegen Ende der Show wird dann auch die Rahmenhandlung aufgelöst. Trusts Vater besaß demnach einen Circus, in dem er am Ende eine große indische Zaubershow zeigte. Als Vermächtnis bekam Timothy von seinem Vater eine Kiste, die bis heute nicht geöffnet werden konnte. Doch als eine Zuschauerin das Jahr der Eheschließung eines daneben sitzenden Paares auf einem Zahlenschloss einstellt, springt dieses auf. Darin ein Schriftstück in einer Plexiglasrolle. Auf der Seite Papier finden sich dann verblüffenderweise Informationen zur Hochzeit ebenjenes Paares. Diamond schlägt vor, dass Timothy, jetzt wo das Rätsel gelöst ist, die indische Zaubershow von damals zeigen könne. Diese erleben wir vor dem Finale. Äußerst witzig dargeboten, folgt Trick auf Trick. Es sind keine allzu spektakulären Illusionen, die Gesamtpräsentation zählt. Nahtlos folgt die Verabschiedung durch alle Mitwirkenden, die ebenfalls indische Gewänder tragen.


Helmut (Collins Brothers), Dmitry Chernov, Meike Silja

Nicht ganz so begnadete Zauberkünstler sind die Collins Brothers. Bei ihrem „zersägten Helmut“ geht so ziemlich alles schief. Das aber auf sehr amüsante Weise. Die Brüder zeigen neben ihrem Klassiker auch die mobile Duschkabine. Hier nimmt Helmut mitten auf der Bühne eine ausgiebige Dusche. Natürlich verläuft das nicht ohne Komplikationen. Es ist ein herrlicher Spaß, bei dem Helmut trotz aller Missgeschicke auch oben ohne eine gute Figur abgibt. Als erste artistische Nummer genau richtig platziert ist Dmitry Chernov. Der kreative Kopf, der so viele Nummern für andere entwickelt, steht in Höchst mal wieder selbst auf der Bühne. Als mystischer Schamane jongliert er mit weißen Bällen. Das tut er sehr dynamisch, womit die Show bestens in Schwung kommt. Bis zu sieben Bälle hält er gleichzeitig in der Lust. Die nächste Künstlerin wird von Timothy Trust und Diamond herbeigezaubert. Wieder sind Projektionen im Spiel. Meike Silja erscheint somit aus dem Nichts, um am Trapez eine ruhige, kraftvolle Kür zu zeigen. Getaucht in wunderschönes Licht zeigt sie anspruchsvolle Figuren, die nicht ungefährlich sind. So etwa den Genickhang an der Trapezstange.


Selyna Bogino, Shcherbak & Popov, Julius Zier

Eine weitere attraktive junge Artistin erleben wir im zweiten Teil. Dabei handelt es sich um Selyna Bogino mit ihren Antipodenspielen. Sie ist Circuskünstlerin in der fünften Generation. Vater Paolo ist mit nach Höchst gekommen, um seiner Tochter zu assistieren. Diese jongliert gekonnt verschiedene Requisiten mit den Füßen. Los geht es mit einer Walze. Am Ende hält sie fünf große Bälle mit Füßen und Händen in der Luft. Zu den Top Acts unserer Tage gehört die Partner-Akrobatik von Shcherbak & Popov. Die Tricks der sympathischen Ukrainer mit den Schirmmützen sind phänomenal. Was ungeheuer schwer sein muss, wird von ihnen mit größter Leichtigkeit präsentiert. „Singing in the rain“ bildet die musikalische Begleitung. So begeisterten sie etwa schon im Moulin Rouge und gewannen in Monte Carlo einen Goldenen Clown. Der Titel wird hier natürlich live gespielt, wie sämtliche Stücke der Show. Dafür sorgt die Tom Schlüter Band. Das Quartett hinterlässt wieder einen glänzenden Eindruck. Ungeheuer stimmungsvoll ist das Lichtdesign, welches, genauso wie die Musik, den Genuss perfekt macht. Für die Beleuchtung ist Philipp Zier verantwortlich, der zudem die Projektionen steuert. Bruder Julius hat die gesamte Show produziert.

Mit seiner achten Show im Neuen Theater hat Julius Zier seine bislang gelungenste Produktion hingelegt. Sie macht einfach von Anfang bis Ende größten Spaß. Der Weg in den Westen Frankfurts hat sich in diesem März mehr als gelohnt. Ein Wiederholungsbesuch ist fest eingeplant. Dieses Frühjahrs-Varieté kann man sich ohne Zweifel mehrfach ansehen.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch