Was die
Show selbst angeht, so ist keine großartige Umstellung
notwendig. Sie folgt dem bewährten Konzept, nach dem die
eigenständigen Darbietungen durch einen Conferencier verbunden
werden. Zusammengestellt wurde sie von Frank Ruprecht.
Dankenswerterweise gibt es wieder Livemusik. Die wunderbare
Band Neelah ist zum zweiten Mal dabei und musiziert immer
dann, wenn es sinnvoll möglich ist. Eine echte Bereicherung.
 
Neelah, Jannis Arséne
Das
Quartett mit Sängerin Nicole Siegel spielt bereits vor dem
Beginn der Show. Die Songs gehen direkt in das Öffnen des
Vorhangs über. Es entsteht ein fließender Einstieg in die
eigentliche Begrüßung. Diese übernimmt Karl-Heinz Helmschrot,
der uns auch durch den Abend begleitet. 1994 sah ich ihn
erstmals im Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté. Als
„Entertainer der neuen Generation“ bezeichnete ihn das
Programmheft damals. Inzwischen verkörpert er den Entertainer
klassischen Stils, wie schon seine Bühnengarderobe erahnen
lässt. Helmschrot tritt in Hose, Hemd, Krawatte, Weste und
Baskenmütze auf. „Ode an den mitgenommenen Mann“ heißt das
Gedicht, welches er zu Beginn mit live gespielter
Hintergrundmusik vorträgt. Zu seinen Aufgaben gehört es
ebenfalls, die Künstlerinnen und Künstler der Show
anzukündigen. Das tut er ganz wunderbar und immer sehr
wertschätzend für seine Mitstreiter. Den Auftakt macht Jannis
Arséne. Sein Requisit bezeichnet er selbst als „Spinning
Sticks“. Das sind zwei sehr lange Handstäbe, die auf einer
drehbaren Plattform stehen, welche wiederum den Mittelpunkt
einer Plattform mit größerem Durchmesser bildet. Darauf zeigt
Jannis Arséne sehr effektvolle ein- und zweiarmige Handstände.
Als Clou hält er sich seitlich an einer der Stangen fest und
rotiert mit ihnen. Das Wort „Moderation“ hat zehn Buchstaben.
Für jeden davon hat Karl-Heinz Helmschrot ein Zigarrenkistchen
vorbereitet. Mit den Kistchen, aber auch den aus den Lettern
zu bildenden Worten lässt sich wunderbar jonglieren. Beides
tut Hemlschrot auf sehr amüsante Weise.
  
Pranay Werner, Tori Boggs, Karl-Heinz Helmschrot
Mit dem
Jonglieren bestens vertraut ist natürlich auch Pranay Werner.
Sein Metier sind die Diabolospiele. 2015 wurde er damit beim
Circusfestival von Monte Carlo ausgezeichnet. In Höchst erlebt
nun seine neue Darbietung ihre Weltpremiere. „Eine
zeitgenössische Diabolo-Darbietung über das Entdecken einer
Leidenschaft, das Spielen und das Sein. Geführt von großem
Optimismus und von Naivität. Die Höhen und Tiefen des Lebens,
das Herauskämpfen, das Loslassen und das Wachsen. Über das
Leben eines Traums, der bis zum jetzigen Zeitpunkt anhält...“,
so beschreibt Werner seine Performance selbst. Die meisten der
Tricks hat der 30-jährige selbst entwickelt. Es ist eine
intensive Arbeit, die einen vollends für sich einnimmt.
Befreiendes Lachen auf verschiedene Arten demonstriert sodann
Karl-Heinz Helmschrot. Dafür, dass die Show ordentlich Fahrt
aufnimmt, sorgt Tori Boggs. Sie ist 31-malige Weltmeisterin in
ihrer Disziplin, dem Seilspringen und gehörte bereits zum
Ensemble des Cirque du Soleil. Wie ein Wirbelwind fegt sie
über die Bühne und fasziniert mit atemberaubenden
Sprungkombinationen. Dazu gibt es ein geniales Zusammenspiel
mit Neelah. Die Band und Boggs pushen sich gegenseitig, dass
es eine wahre Freude ist. Hier wird sportliche Akrobatik auf
höchstem Niveau präsentiert, die einen mitreißt. Karl-Heinz
Helmschrot jongliert ein weiteres Mal. Nun mit Hut, Ball und
einem aufgespannten Regenschirm.
 
Duo Sienna, Samaki
Dann löst
das Duo Sienna seinen mit einem Auftritt verbundenen Preis des
Neuen Theaters beim European Youth Circus 2016 ein. In
Wiesbaden stellten sich Sina und Vienna am Pole dem
Wettbewerb. Nun erleben wir sie am Luftring. Sie überraschen
mit ungewöhnlichen, sehr starken Tricks, welche sie zu einer
äußerst sinnlichen Kür zusammengestellt haben. Es entstehen
traumhafte Bilder, denen man sich nicht entziehen kann. An
dieser Stelle ebenfalls ein großes Lob an die Lichtregie.
Herrlich gestaltet ist der Einstieg in den zweiten
Programmteil. Während das Publikum nach der Pause wieder in
den Saal kommt, musizieren dort bereits Karl-Heinz Helmschrot
und Neelah gemeinsam. Dieses Zusammenspiel geht über in den
Beginn der weiteren Show. Helmschrot tauscht die Gitarre gegen
Säge und Bogen. Auch darauf versteht er es, wunderbar zu
spielen. Samaki einem Genre zuzuordnen ist schlichtweg
unmöglich. Dazu ist die blonde Italienerin einfach zu
vielseitig. Sie steppt, sie jongliert mit Hüten, sie
schauspielert und sie interagiert wunderbar mit dem Publikum.
So erleben wir eine außergewöhnliche Darbietung voller
Lebensfreude, die einfach ansteckend ist.
  
Sheyen Caroli, Kenris Murat und Aurélia,
Karl-Heinz Helmschrot
Klassische
Circuskunst wiederum hat Sheyen Caroli mit nach Höchst
gebracht. Seit ihrer Kindheit hat sie sich der Kontorsion
verschrieben. Gekonnt und sehr sympathisch beweist sie die
Beweglichkeit ihres Körpers. Extreme Verrenkungen wirken hier
ästhetisch. Einen Weltrekord hält die Vertreterin der weit
verzweigten italienischen Circusfamilie im Bogenschießen mit
den Füßen. Der Rekord bezieht sich auf die Entfernung zur
Zielscheibe. Diese Dimensionen bietet die Bühne des Neuen
Theaters natürlich nicht. Umso spielender beweist Sheyen
Caroli auf kurzer Distanz ihre Treffsicherheit. Vor dieser
Nummer erzählt uns Karl-Heinz Helmschrot mit Hilfe von Gitarre
und Kerze, wie der Flamenco entstanden ist. Danach dienen ihm
Tischtennisbälle dazu, verschiedene Sprachübungen zu
vollführen. Illusionen und Tango verbinden Kenris Murat und
Aurélia. Er beginnt, sie kommt hinzu. Da werden Karten
manipuliert, da wird mit dem Feuer gespielt, da regnet es
scheinbar aus dem Nichts Papierschnipsel. Das Ganze verpackt
in einen ausdrucksstarken Tanz. Eine alles andere als
alltägliche Zusammenstellung. Damit ist der Abend noch nicht
zu Ende, denn das Finale wird wieder ganz groß gefeiert. Jedes
Ensemblemitglied überzeugt die Gruppe nochmal von seinen
Fähigkeiten. Es wird ein kleiner, sehr freundschaftlicher
Battle. Bei einem gemeinsamen Bild schließt sich der Vorhang
ein letztes Mal.
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