Die
Mitwirkenden beherrschen ihr artistisches Handwerk
vortrefflich, spielen aber ebenso in gemeinsamen Auftritten
mit. So hat diese Produktion etwas, dass sie zusammenhält,
daraus viel mehr macht als ein reines Nummernprogramm. Aber
diese Übergänge oder auch Zwischenspiele sind immer wieder
anders. Die Ensembleleistung ist enorm stark. Zusammengestellt
hat den Cast, das darf man beim vierten Mal sagen, „wie
gewohnt“ Maik M. Paulsen. Für die Regie wurde abermals
Karl-Heinz Helmschrot hinzugezogen. Trotz dieser Kontinuität
ist die Show ganz anders geraten als etwa die im vergangenen
November.
 
Neelah, Petter Linsky
Wenn die
Zuschauer den Saal betreten, treffen sie zunächst auf
Gewohntes. Denn bereits bevor sich der Vorhang öffnet,
musiziert dort die Band Neelah. Die vierköpfige Formation mit
Sängerin Nicole Siegel, Bassist und Gitarrist Robin Brosowski,
Keyboarder Aaron Pellet sowie Jonathan Schuchardt am
Schlagzeug sorgt wieder für fantastische Livemusik. Nicht nur
zur Einstimmung, sondern auch bei einem Großteil der
Darbietungen. Die nicht ganz so ernst gemeinten Hinweise vorab
gibt es von einer synthetischen Stimme. Wasili Urbach, laut
T-Shirt-Aufdruck Teil der Crew, hält dazu sein Smartphone an
das Mikrofon. Dann betritt Adrian de Greef in Smoking und Hut
das Scheinwerferlicht, um sich letztendlich selbst
anzukündigen. Und damit haben wir unseren Gastgeber, der uns
mit Witz und kleinen Tricks einen Vorgeschmack auf sein Können
gibt. Akkurat vorbereitet wird die erste Nummer des Abends.
Wasili Urbach ermittelt die Abstände zwischen den auf der
Bühne platzierten Hüten mit einem Maßband. Die Requisiten
benötigt Petter Linsky für seine Jonglagen. Der Schwede lässt
die Kopfbedeckungen virtuos durch die Luft fliegen. Das macht
er mit großem Können und charmantem Verkauf. In immer neuen
Varianten nehmen die Hüte ihre Bahnen. Dazu gibt es es
wunderbare Livemusik inklusive Gesang.
  
Adrian de Greef, Robert Best
Ein
virtueller Sprachassistent und ein Tablet, sprich Alexa und
iPad, sind wichtige Hilfsmittel, wenn Adrian de Greef zaubert.
Alexa darf für die passende Lichtstimmung sorgen. Als sie
ihren Dienst zeitweise quittiert, hilft ein kostenpflichtiger
Anbieter. Die Zustimmung zum Kauf gibt ein Kollege aus dem
Hintergrund per Sprachbefehl. Das iPad hat praktischerweise
einen (E)iPrinter eingebaut, mit dessen Hilfe tatsächlich ein
Hühnerei aus dem dünnen Tabletcomputer erscheint. Auch bunte
Bälle können auf dem Device konfiguriert und dank „Prime Now“
direkt in Empfang genommen werden. Werden die Bälle nicht mehr
benötigt, werden sie bequem in die Cloud hochgeladen. Das
Erscheinen und Verschwinden von Gegenständen verpackt Adrian
de Greef hier äußerst originell. Mithilfe einer
WLAN-Verbindung und dem Tablet öffnet er sogar eine
Sektflasche, die auf einem Tisch steht. Bei so einem
Automechaniker wird jede Panne zu einem Genuss.
Tiefenentspannt betritt Robert Best in Jeans und Muscleshirt
die Bühne, lässig zwei Reifen tragend. Ein Reifenstapel dient
ihm als Podest für seine Handstandakrobatik. Während er sich
auf ein und zwei Armen im Gleichgewicht hält, blättert er
locker in einem Buch. Das Shirt legt er bald ab. Dank
Motorenöl verziert er seinen Oberkörper mit Reifenspuren. „You
Can Leave Your Hat On“ bildet die passende und genial
interpretierte musikalische Begleitung, zumal wenig später im
Handstand die Jeans herunter- und wieder hinaufgezogen wird.
Noch einmal kommt das Smartphone von Wasili Urbach zum
Einsatz. Jetzt erklärt uns die Computerstimme, wie Stage
Diving funktioniert. Dann kommen drei sehr coole Herren in
abgefahrenen Klamotten auf getunten Dreirädern herein. Es sind
Adrian de Greef, Petter Linsky und Dustin Waree. Das Trio übt
sich in heißen Posen und misst sich im Spiel „Schere, Stein,
Papier“. Am Ende bleib Adrian de Greef übrig. Im lässigen
Outfit präsentiert er seine Diabolo-Jonglagen. Besondere
Effekte erzeugt er etwa, wenn er einen der Doppelkegel auf dem
Reißverschluss seiner Jacke rotieren lässt oder auf seiner
Kette, die er wild um seinen Hals dreht. Aber auch die
Klassiker des Genres hat er souverän im Repertoire. Am Ende
jongliert er drei beleuchtete Diabolos gleichzeitig.
 
Sophia Drgala und Wasili Urbach, Iryna Hladka
Frau und
Mann sitzen im Café, sie interessiert sich für ihn, er will
aber nur seine Zeitung lesen. Diese Geschichte erzählen ganz
hinreißend Sophia Drgala und Wasili Urbach. Dabei wird es
durchaus akrobatisch. Etwa wenn sie ihm die Zeitung mit einem
Fuß klaut, während sie einen Handstand macht. Oder wenn sie
sich kopfüber an ihm festhält, während er aufsteht. Am Ende
legen die beiden noch einen Tanz auf die Bühne. Weiter geht es
gar mit klassischem Ballett. Dustin Waree, Petter Linsky und
Robert Best führen ihre ganz eigene Version von Schwanensee
auf, nachdem sie mit einer a capella-Version von „We Will Rock
You“ gestartet sind. Dabei spielen Autoreifen eine wichtige
Rolle. Hula Hoop-Darbietungen gehören nicht gerade zu meinen
Favoriten und ich würde sie schon gar nicht als Pausennummer
setzen – es sei denn, es handelt sich um die Kür von Iryna
Hladka. Ihr Stil ist eher introvertiert, sinnlich, sie
verkauft ihre Kunst nicht offensiv. Trotzdem findet sie sofort
die Verbindung zum Publikum. Es ist fast schon magisch, wie
sie uns im Handumdrehen für sich gewinnt. Eine Magie, der man
sich nicht entziehen kann. Ihr einzigartiges Können hat daran
einen großen Anteil. Die vergleichsweise großen Reifen lässt
sie ohne Mühe in den verschiedensten Formationen um ihren
Körper kreisen. Hält sie sie eben noch mit der Hüfte in
Bewegung, finden sie sich einen winzigen Augenblick später an
den verschiedensten Körperteilen, wo sie ausdauernd rotieren.
Ihre Tricks sind alles andere als alltäglich und in einen
wundervollen Ablauf integriert. Hinzu kommen eine hohe
Beweglichkeit und eben diese besondere Ausstrahlung. Teil der
Magie sind last but not least die Livemusik und das ungemein
stimmungsvolle Lichtdesign. An dieser Stelle ein großes Lob an
die Technik, die über den ganzen Abend einen überzeugenden Job
macht. Adrian de Greef, Dustin Waree und Robert Best holen uns
danach auf den Boden der Realität zurück. Mit einem Strip beenden sie den ersten Teil.
  
Sophia Drgala, Wasili Urbach, Fenja Barteldres
Den
zweiten eröffnet Sophia Drgala am Chinesischen Mast. Sie dreht
sich gekonnt um den Pole, erklimmt ihn locker, zeigt daran
akrobatische Haltefiguren und nimmt ebenso virtuos den Weg
nach unten. An der Spitze ihres Requisits befindet sich ein
Ring, auf dem sie einen Handstand zeigt. „I Put A Spell On You“
sorgt für die musikalische Begleitung dieser intensiven
Nummer. Zur Aerobic-Stunde gerät der Abbau des Masten. Robert
Best und Dustin Waree erledigen ihn in Leggings, sehr knappen
Oberteilen und Stirnbändern. Mit den einzelnen Bestandteilen
des Masten und seiner Halterung lassen sich verschiedene
Übungen absolvieren. Am Ende überrascht Dustin Waree mit einem
starken Kunststück. Dann hat Wasili Urbach sein Solo. Er steht
zunächst bewegungslos auf der Bühne, was Sophia Drgala und
Petter Linsky zu einem gemeinsamen Selfie animiert. Dann
erwacht die menschliche Marionette zum Leben. Wie eine Puppe
an Fäden bewegt sich Wasili Urbach. Er tanzt, er zeigt
akrobatische Elemente und das alles in einer Choreografie, die
suggeriert, dass er dabei von Zauberhand gesteuert wird. Am
Ende zerschneidet er die Fäden und wird zu einem Mensch mit
voller Bewegungsfreiheit. Gleich zu Beginn des Auftritts von
Fenja Barteldres gibt es eine Schrecksekunde. Ihr Roue Cyr
öffnet sich an einer Stelle, das Loch vergrößert sich schnell.
Das Rad ist bald kein Rad mehr, sondern nimmt neue Formen an.
Doch die Artistin hält sich auch darauf noch in Bewegung und
Balance. Mithilfe ihrer Haarnadel repariert sie das Requisit
zunächst, um es dann in seine Einzelteile zu zerlegen und
daraus eine Skulptur zu erschaffen. Sodann kommt ein neues
Roue Cyr auf die Bühne gerollt. Auch das bleibt nicht lange
ganz, doch sogar auf einem Viertel davon weiß sich Fenja
Barteldres geschickt zu bewegen. Ein außergewöhnlicher, sehr
kreativer Auftritt. Adrian de Greef trägt nun wieder sein
edles Outfit vom Beginn des Abends und spielt auf einem
Violoncello Klassik. Schnell gesellen sich Robert Best und
Dustin Waree hinzu. Alle ziehen Sonnenbrillen an und ab sofort
heißt es „Mozart 2.0“. Teilweise mit drei Bögen gleichzeitig
spielen sie das Instrument. Mal im Gangnam Style, mal
gesanglich unterstützt mit Imitationen von Udo Lindenberg und
Max Raabe.
  
Iryna
Hladka, Adrian de Greef, Dustin Waree
Adrian de
Greef nimmt danach mit seinem Cello am Rand der Bühne Platz
und begleitet zusammen mit Aaron Pellet am Keyboard die
traumhafte Performance am Luftring von Iryna Hladka. Wie schon
bei ihrer Hula-Hoop-Nummer verschmelzen hier außergewöhnliches
Können und Ausstrahlung zu einer einzigartigen Mischung. Noch
einmal dürfen wir mit der Ukrainerin träumen. Nach magischen
Momenten, die uns Adrian de Greef mit Löffel und Gabel sowie
einem iPad beschert, wird es rockig. „Seven Nation Army“ hat
sich Dustin Waree als Soundtrack für seine Einrad-Artistik
ausgesucht und singt den Song gleich selbst live. Mit dem Rad
hüpft er ein zweiteiliges Stufengestell nach oben und fährt
wieder herunter. Das macht er auch beim Seilspringen und mit
verbundenen Augen. Dabei transportiert er eine enorme Energie
ins Auditorium, voller Einsatz ist garantiert. Dustin Waree
ist einfach ein cooler Typ, der nochmal ordentlich für
Stimmung sorgt. Sein Requisit wird bei den Zugaben während des
Finales geschickt eingebaut. Doch zunächst verabschieden sich
die Künstler einzeln, „Ain't No Sunshine“ intoniert Nicole
Siegel dazu. Für das gemeinsame Schlussbild nehmen alle
Mitwirkenden nebeneinander Aufstellung am Bühnenrand.
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