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Friedrichsbau - "One Moment in Time"
www.friedrichsbau.de - 89 Showfotos

Stuttgart, 11. September 2015: Es ist keine durchgehende Geschichte im engeren Sinne, die in der neuen Show des Friedrichsbau-Varietés Stuttgart erzählt wird. Vielmehr präsentiert Sängerin Vanessa Tuna zum Motto „One Moment in Time“ die größten Hits von Whitney Houston. Dabei verwandelt sie sich vom unbekümmerten jungen Mädchen im Blümchenkleid zur großen Pop-Ikone in glamourösen Outfits. Richtige Spielszenen oder gar Dialoge gibt es aber nicht. Die Houston-Songs wechseln sich ab mit Artistik und Comedy. Dabei fügen sich die Teile zu einem überzeugenden Ganzen.

Die große Whitney Houston ist das Vorbild von Vanessa Tuna, der Stuttgarter Sängerin mit deutsch-türkischer Abstammung. Durch die viel zu früh verstorbene Houston inspiriert, hat sich Tuna selbst auf den Weg ins Showbusiness gemacht. Sie schreibt und komponiert eigene Musik, veröffentlichte 2013 ihr Debütalbum, schaffte es in den USA erfolgreich ins Radio und in die unabhängigen Charts. In diesem Sommer hatte sie zudem Auftritte im ZDF-Fernsehgarten. Bereits im Jahr 2014 war sie in der Produktion „Stars and Talents“ des Friedrichsbau-Varietés zu sehen, der letzten am alten Standort in der Innenstadt. Nun wurde ihr im Neubau auf dem Pragsattel diese Show auf den Leib geschneidert.


Vanessa Tuna 

Bei „All the man that I need“ räkelt Tuna sich zwischen den Herren des Friedrichsbau-Ensembles, mit „Step by Step“ sorgt sie für richtigen Drive und bringt das Publikum zum Mitklatschen. Nach der Pause gibt sie auf einer Showtreppe die glamouröse Diva zu „Queen of the night“; bei „I’m your baby tonight“ zeigt sie sich hin- und hergerissen zwischen zwei Männern. Ein wenig schade ist freilich, dass Tunas Gesang nicht von einer Band, sondern nur vom Band begleitet wird. Von großem Mut zeugt es, sich überhaupt an die Songs der Houston zu wagen. Schließlich galt diese als „definitive Pop-Soul-Sängerin ihrer Generation“ (New York Times), als „beste weibliche Stimme ihrer Zeit“ (Rolling Stone) oder laut Medienurteil schlicht als „The Voice“. Tatsächlich wirkt Tunas Gesang zwischendurch in den höheren Lagen etwas scharf. Doch im Laufe des Premierenabends steigert sie sich immer weiter. Mit ihren letzten Songs – „One Moment in Time“ und die Eigenkomposition „The Voice“ als Hommage an Whitney Houston – überzeugt sie restlos. Und die Zugabe, „I will always love you“ im Scheinwerferkegel, ist dann nur noch grandios.


"Two Guys - One Club", Fabio Zimmermann, Andalousi Elakel

Doch natürlich hat „One Moment in Time“ nicht nur Musik, sondern auch Artistik und Comedy zu bieten. Hier wird erfreulicherweise wieder einmal jungen Künstlern von der Berliner Artistenschule ein Podium geboten. Fabio Zimmermann absolvierte bereits 2008 in Berlin, Carlos Zaspel wird dies erst im nächsten Jahr tun. Schon jetzt haben die beiden als Duo „Two Guys – One Club“ gemeinsam eine innovative und starke Darbietung kreiert. Wie der Name schon sagt, jonglieren hier zwei Jungs mit einer einzigen Keule. Klingt kurios, ist aber eine gelungene Mischung aus Akrobatik und tänzerischen Elementen. So balanciert Fabio Zimmermann beispielsweise die Keule auf seinem Kopf, während Carlos Zaspel auf ihn zustürmt. Zaspel schlägt einen Rückwärtssalto, stößt sich mit einem Fuß von Zimmermanns Schulter ab und kickt ihm die Keule vom Kopf. Diese wird von Zimmermann gefangen. In seiner zweiten Darbietung beweist Fabio Zimmermann, dass er auch das herkömmliche Jonglieren einwandfrei beherrscht, hier mit bis zu fünf Keulen. Andalousi Elakel war vor zwei Jahren Absolvent der Artistenschule und hat sich seitdem noch deutlich gesteigert. Genauso ausdrucks- wie leistungsstark zelebriert er seine Handstände auf dem roten Sessel, darunter viele exquisite Einarmer.


Elizabeth Williams, Kilian Caso 

Bei der Nummer von Elizabeth Williams und Howard Katz wirkt es gerade so, als wollten die Stuttgarter Varieté-Macher rund um Regisseur Ralph Sun beweisen, wie enorm groß und hoch die Bühne ist. In der experimentellen Darbietung „Counter-Weight“ („Gegengewicht) wird ein langes Seil über eine Flaschenzug-Konstruktion am oberen Ende des Bühnenportals geführt. Wenn Howard Katz kraftvoll an seinem Ende des Seils zieht, wird seine Partnerin am anderen Ende in die Höhe gezogen. Flink erklimmt Howard Katz eine Leiter und springt zum Boden zurück, das Seil in der Hand. So kann er seine Partnerin noch weiter hinauf ziehen. Diese hängt in einer Schlaufe des Seils und präsentiert eine Mischung aus ekstatischem Tanz, Drehungen, Wendungen und Abfallern. Ihr Partner singt dazu live. Später bewegen sich beide am Seil abwechselnd hinauf und hinab – ein Bild wie eine Spielfilmszene aus einem alten Glockenturm. Gleichwohl bleibt der Eindruck, dass man auf den echten Höhepunkt dieser grundsätzlich interessanten Darbietung wartet. Im zweiten Programmteil überzeugt Elizabeth Williams mit einer Luftakrobatik an Ketten, die ebenfalls von Livegesang ihres Partners begleitet wird. Mit zwei starken Darbietungen werden die beiden Programmteile beschlossen. Kilian Caso zeigt vor der Pause auf dem Drahtseil Flic Flac sowie Vorwärts- und Rückwärtssalto und damit die höchsten Schwierigkeitsgrade des Genres.


Gregor Wollny, Duo Leya

Für den Abschluss der Show sorgt später das Duo Leya, Yana und Elena aus der Ukraine, mit seiner Duo-Kontorsion. Gemeinsam und im Wechsel, nebeneinander und aufeinander werden schwierigste Bewegungsabläufe zelebriert. Dafür gibt es einen Applaus, der alle vorherigen Publikumsreaktionen dieses Abends in den Schatten stellt. Ein Glanzpunkt der Produktion „One Moment in Time“ ist natürlich auch Komiker Gregor Wollny. Bereits im ersten Auftritt sorgt er mit seiner „Magiie“ für beste Laune. Da zieht er sich scheinbar ein Tuch vom einen durchs andere Ohr, verkettet Kleiderbügel auf „fast“ undurchschaubare Weise oder präsentiert die „zersägte Jungfrau“ im Barbie-Format. Wenig mehr als nichts, nämlich nur einen handelsüblichen Zollstock, benötigt Gregor Wollny, um eine Giraffe, einen Hund, die Mona Lisa und anderes mehr erscheinen zu lassen. In seinem dritten Auftritt versucht er sich als Seiltänzer und produziert mit dem Atem der Nase Seifenblasen.

Nicht nur im Finale zeigte sich das Premierenpublikum begeistert von der Mischung aus Gesang, starker Artistik und wunderbarer Comedy – und so spricht vieles für einen erfolgreichen Herbst in Stuttgarts Varieté, in dem ab sofort ein neuer Caterer den gastronomischen Service optimieren soll.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber