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Berliner Artistenschule - On the road
www.absolventenshow.de ; 79 Showfotos

Stuttgart, 5. August 2017: „On the Road“ sind nun die Absolventen 2017 der Berliner Artistenschule. Sie haben sich aufgemacht, um ein Berufsleben lang durch die Welt zu reisen und ihr Können zu zeigen. Und „On the Road“ ist auch der Titel der aktuellen Absolventenshow, die von Juli bis Oktober an rund 30 verschiedenen Orten gezeigt wird. Unter der Konzeption, Regie und Choreographie von Tobias Fiedler präsentieren die nun staatlich geprüften Artisten gemeinsam ein abendfüllendes Programm. Angelegt ist es wie ein Roadmovie, in dem eine Episode auf die andere folgt.

Wir sahen die Vorstellung im Friedrichsbau-Varieté Stuttgart, das den jeweiligen Absolventen alljährlich ein Podium gibt. Zwei nahezu ausverkaufte Vorstellungen künden davon, dass dieses Format hier schon viele Stammgäste hat. „We will be happy on the road“ heißt es in der Begleitmusik zum Opening. Einer der Artisten sitzt einsam auf einer Bank an einer Straße, und die übrigen Ensemblemitglieder schlendern vorbei, gesellen sich zu ihm, zeigen Kostproben ihres Könnens. Daraus entspinnt sich die erste Darbietung.

 
Jule Schuster, Florian Maertz, Giulia Reboldi 

Die Schweizerin Giulia Reboldi drückt zunächst einige Handstände auf einem Stuhl. Dieser wird bald in die Höhe gezogen und zum Requisit ihrer Luftnummer. An dem hängenden Sitzmöbel präsentiert sie Haltefiguren, Umschwünge, Abfaller und kontorsionistische Posen. Rechts auf der Bühne steht ein Straßenschild, dessen Beschriftung immer wieder wechselt. Die Straßennamen nehmen Bezug auf die Handlung oder die Namen der Künstler. Und so gelangen wir von der Giulia-Gasse in die Maertz-Allee. Florian Maertz hat seine Balljonglagen auf originelle Weise gestaltet. Unter anderem jongliert er mit Bällen, während er eine Autotür mit geöffnetem Fenster über seine Schultern gehängt hat. Dabei ist seine rechte Hand an den Türrahmen gekettet. Klassische Jonglage pur gibt es, wenn er später - dann wieder ohne Kette - bis zu zehn (!) Bälle auf die Reise schickt. Auch Kombinationen mit Pirouetten, hinter dem Rücken und mit der auf dem Kopf balancierten Autotür gehören zum Repertoire. Starker Applaus ist der Lohn, trotz kleinerer Unsicherheiten. Einige artistische Kabinettstückchen des Ensembles führen weiter in den Schusterweg. Hier wagt sich Jule Schuster auf das Schlappseil. Eine wilde Mähne, Lederjacke und Strumpfhosen mit Laufmaschen gehören zum Outfit. Herkömmlicher und seitlicher Spagat, Kopfstand (mit einer Hand am Seil) sowie das Schaukeln im freien Stand sind einige Elemente dieser gekonnten Vorführung.


Carina Guillermo und Leonid Bethäuser, Dana Schulte-Siepmann und Kyra Reinert, Lukas Köster 

Ein Tanz mit aufgespannten und Passing-Jonglagen mit geschlossenen Regenschirmen gehören zu den kleinen Zwischenspielen, die aus den Einzelnummern eine Show mit fließenden Übergängen machen. Für die Pausennummer sorgen Carina Guillermo und Leonid Bethäuser mit Partner- und Wurfakrobatik, die mit viel Szenenapplaus bedacht wird. Zum Beginn des zweiten Programmteils folgt eine schöne Überraschung: Ein weibliches Schleuderbrett-Duo haben wir wohl noch nicht gesehen. Dana Schulte-Siepmann und Kyra Reinert katapultieren sich gegenseitig zu Sprüngen und Salti in die Luft. Zwischendurch kombinieren sie dies mit Bodenakrobatik. Zu den stärksten Auftritten in dieser Absolventenshow gehört der von Lukas Köster. Er hat für seine Bouncing-Jonglagen einen neuen Dreh gefunden: Indem er zunächst drei Bälle gegen Dreiecke prallen lässt, springen diese um die Ecke. Später lässt er fünf und sieben Bälle gegen den Boden dopsen und fängt sie sicher wieder.


Carina Guillermo und Leonid Bethäuser, Nicole Ster
, Julia Grote

Eine kurze Partnerakrobatik-Einlage mit seiner Partnerin Julia Grote leitet von Lukas‘ Jonglagen zu deren Luftring-Arbeit über. Sie hat elegante, varianten- und trickreiche Figuren im Repertoire. Eine klassische Handstand-Arbeit auf ein und auf zwei Armen präsentiert Nicole Ster in einem eleganten Glitzerkostüm. Am Ende geht es auf Händen die Treppe ihres Requisits hinab. Schluss- und auch Höhepunkt des Programms ist das Duotrapez von Carina Guilermo und Leonid Bethäuser mit seinem Wechsel aus Haltefiguren sowie gewagten Schwung- und Flugpassagen bis hin zum Rückwärtssalto.


Tim Kriegler, Finale, Miriam van der Neut

Zwei Darbietungen konnten in der besuchten Vorstellung leider verletzungsbedingt nicht arbeiten. Und so haben wir Alexander Leumann gebeten, Fotos und Beschreibung beizusteuern. Er sah die Vorstellung in Tuttlingen beim Honberg-Sommer. „Tim Kriegler an den Strapaten war mit seinen kraftzehrenden Aufschwüngen der heimliche Star des Abends und genoss ein wenig Heimvorteil, stammt er doch aus Friedrichshafen am Bodensee. Jongleur Florian Maertz leitete mit einem Tangotanz mit Miriam van der Neut zu ihrer Luftakrobatik am Netz über. Diese beinhaltet alle üblichen Tricks an diesem Requisit“, fasst Alexander zusammen. Zurück zur Vorstellung in Stuttgart. Die Absolventenshow bietet auch in diesem Jahr wieder fertig ausgebildete Darbietungen auf hohem Niveau. Insbesondere die zweite Hälfte des Programms konnte überzeugen, zumal sie temporeicher, dynamischer ausfällt als die erste.

Ein Jammer bleibt es weiterhin, dass sowohl Schüler als auch Schule den Circus zu vergessen scheinen. Laut Programmheft stehen den jungen Artisten die Türen zu „Varietés, Theatern und Festivals“ offen. An die großen Chapiteaus scheint dagegen niemand zu denken. Ein Schein, der hoffentlich trügt.

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Text: Markus Moll mit Unterstützung von Alexander Leumann, Fotos: Moll (11), Leumann (2)