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OVAG - Neujahrs-Varieté 2016
www.ovag-gruppe.de - 120 Showfotos

Bad Nauheim, 22. Januar 2016: Die meisten Vorstellungen sind weit im Voraus ausgebucht. Das Neujahrs-Varieté in Bad Nauheim hat einen ausgezeichneten Ruf und erfreut sich entsprechender Beliebtheit. Die OVAG Energie AG als Veranstalter hat deswegen in diesem Jahr die Zahl der Shows erhöht. Und trotzdem sind die 730 Plätze im Dolce Theater Abend für Abend besetzt. Der Jugendstil-Bau ist die ideale Spielstätte für diese Show voller Höhepunkte. Der Zuschauerraum bietet ein einzigartiges Ambiente, die tiefe Bühne lässt Nummern mit großem Raumbedarf zu.

Und im angegliederten Hotel gibt es genug Zimmer für die Artisten. Diese sind wiederum handverlesen und zumeist vielfach ausgezeichnet. Natürlich ist der Zeitraum ideal gewählt. Nach den Weihnachtscircussen und vor dem Beginn der Sommersaison ist das Angebot an Top Acts vergleichsweise groß. Die stärkste Konkurrenz kommt da noch von den Festivals wie denen in Monte Carlo, Budapest oder Massy. Denn das Neujahrs-Varieté spielt durchaus in der gleichen Liga. Auch 2016 erleben wir in Bad Nauheim wieder Clown-Gewinner. Hinzu kommen weitere bekannte Artisten, ebenso wie Gesichter, die man bislang noch nicht gesehen hat. Alles in allem eine runde Show, die erst nach dreieinhalb Stunden beendet ist.


Topas und die Vegas Show Girls

Sie beginnt mit Schattenspielen hinter einem großen weißen Tuch, welches über die gesamte Breite der Bühne geht. Es zeichnen sich die Silhouetten der Vegas Show Girls ab, die nach einem Jahr Pause nun wieder dabei sind. Als der Vorhang fällt, sehen wir sie in winterlichen Kostümen. Was nicht heißt, dass die hübschen jungen Damen dick angezogen sind – im Gegenteil. Es ist ein sehr geschmackvoller Auftakt, der bestens in die Jahreszeit passt. Natürlich erleben wir das Ballett noch in weiteren Auftritten. Diese sind immer hinreißend. Ebenso die Kostüme, die sie dabei tragen. Der Moderator des Abends ist Thomas Fröschle. Wie der Name vermuten lässt, ist er gebürtiger Schwabe. Mit charmanten Plaudereien und Anekdoten führt er durchs Programm. Seine Geschichten spielen etwa bei McDrive oder im Reisebüro. Gekonnt spontan reagiert er, wenn sich die nächste Nummer bereits lautstark hinter dem Vorhang ankündigt und somit keiner expliziten Vorstellung mehr bedarf. Sein eigentliches Metier aber ist die Zauberei. Unter dem Künstlernamen Topas ist er weithin bekannt und vielfach hochkarätig ausgezeichnet worden. Auch hier kommen ihm seine Fähigkeiten als Entertainer entgegen. Denn es geht nicht nur um den eigentlichen Trick, sondern ebenfalls darum, wie er präsentiert wird. Seinen größten Auftritt hat er, wenn er unzählige Lautsprecherboxen aus einem Karton erscheinen lässt. Die Boxen werden nacheinander angeschlossen, der Raumklang dadurch immer besser. Das Publikum hat seinen gesanglichen Einsatz immer wieder an einer bestimmten Stelle des dazu gespielten Songs, und am Ende erscheint Geraldine Philadelphia aus dem vermeintlichen Nichts. In der Tat eine große Show.


Quiddlers, Duo Capilar, Daniel Golla

Die Quiddlers haben eine ganz eigene Form der Puppen-Comedy kreiert. Sie setzen ihre eigenen Köpfe ein, den Rest der jeweiligen Figur bildet eine Puppe. Ihren Körper verstecken sie unter einem schwarzen Tuch. Daraus ergibt sich ein höchst originelles Bild, welches sie für witzige Choreographien nutzen. Zunächst erleben wir ein „Short Tribute“ an Michael Jackson, Schimpanse Bubbles inklusive. Später zelebriert das US-amerikanische Trio seine lebhafte Version von YMCA. Deutlich ruhiger, sinnlicher geht es beim Duo Capilar zu. Wenngleich sie ihr kubanisches Temperament nicht verhehlen, zeigen sie eine traumhafte Zopfhang-Kür. Darin finden sich außergewöhnliche Tricks wie das Spiel an Tüchern, welche an den Haaren der Partnerin befestigt sind. Immer wieder ein ganz besonderes Erlebnis ist die Flugshow von Daniel Golla. Schließlich ist seine Kunstfliegerei mit Modellflugzeugen nach wie vor eine Rarität in Circusmanegen und auf Varietébühnen. Zu verschiedenen Musikstücken steuert der Nordhesse seine selbstgebauten Flieger virtuos durch den Zuschauerraum und schickt sie präzise durch vom Ballett gehaltene Reifen.


Anaelle Molinario, Alain Alegria, Charly Borra

Unbekümmert, frech ist die Darbietung von Anaelle Molinario. Zu Beginn und am Ende wird die junge Französin dabei von Stefan Merour begleitet. In Anzughose, Hemd und Krawatte hilft er Molinario dabei, ihren Körper in die verschiedensten Richtungen zu verbiegen. Natürlich schafft sie das scheinbar spielend auch ganz alleine, wie sie bei ihrer Kontorsions-Kür beweist. Dank der großen Dimensionen des Bühnenraums kann Alain Alegria seine Balancen auf dem Washington-Trapez ohne Einschränkungen zeigen. Zunächst auf dem ruhenden, dann auf dem schwingenden Trapez beweist der verwegene Mexikaner seinen großartigen Gleichgewichtssinn sowie eine hohe Risikofreude. Seelöwen auf einer Varietébühne sind leider ein seltenes Bild geworden. Umso schöner, in Bad Nauheim gleich vier prächtige Exemplare erleben zu dürfen. Petra und Roland Duss haben Chico, Charly, Tino und Joe fantastische Tricks beigebracht. Gegen einen Fisch als Belohnung präsentieren sie diese mit sichtbar viel Spaß. Natürlich ist auch der kleine Hund mit von der Partie bei dieser grandiosen Tierdressur. Der große Auftritt vor der Pause gehört Charly Borra. Und diesen zelebriert der „König der Taschendiebe“ regelrecht. Bevor es ans Klauen geht, lässt er Zigarettenstummel aus dem Nichts erscheinen. Mit den beim Rauchen entstehenden Qualmwölkchen zaubert er faszinierende Gebilde. Komplett in seinem Element ist Borra aber, wenn er Gästen aus dem Publikum fast alle Wertsachen entwenden kann, die sie bei sich haben. Mit seinem österreichischen Charme unterhält er nicht nur das Publikum bestens, sondern lenkt zudem seine „Bühnenpartner“ ab. Smartphones, Uhren und Schlüssel wechseln so für kurze Zeit den Besitzer. Sogar Krawatten und Brillen sind vor Charly Borra nicht sicher.


Freddy Nock, Truppe Xinjiang, Leosvel & Diosmani

Verglichen mit seinen abgefahrenen Rekorden ist die Nummer von Freddy Nock über der Bühne des Dolce Theaters fast ein Kinderspiel. Für die Gäste auf den bequemen Sesseln sind seine ungesicherten Eskapaden auf dem Hochseil aber ein Nervenkitzel. Nock überquert den Draht nicht nur zu Fuß, sondern ebenfalls mit dem Fahrrad oder auf Stelzen. Reifenjonglagen und Hula Hoop-Akrobatik verbindet Geraldine Philadelphia zu einer durchgehenden, sinnlichen Kür. Zur von ihren Engagements bei Roncalli bekannten Musik arbeitet die junge Artistin gewinnend ihre ausgefeilte Choreographie. Balancen mit der Schulter- und Kopfperche sind die Spezialität der Truppe Shagunin. Das russische Sextett verpackt die für die Untermänner kraftraubenden und für die oben arbeitenden Artisten riskanten Tricks in ein tänzerisches Gesamtbild. Beim Schlusstrick steht der Untermann auf einer Stange, welche auf den Schultern zweier Partner ruht. Am anderen Ende der Kopfperche zeigt der Obermann einen Kopfstand. Dass es in Peking neun Millionen Fahrräder gibt, behauptet zumindest Katie Melua. Zu ihrem Song „Nine Million Bycicles“ zaubern die neun Artistinnen der Truppe Xinjiang traumhafte Bilder. Dank weißer Kostüme und roter Handinnenflächen wird ihre Handstandakrobatik ein außergewöhnlicher Genuss. Sie bauen lebende Kunstwerke der Equilibristik. Völlig zu Recht wurden sie dafür mit Silber beim Cirque de demain ausgezeichnet. Der artistische Part des Programms endet wie er angefangen hat – mit einem kubanischen Duo. Leosvel & Diosmani bilden den umjubelten Höhepunkt der Show. Die Modellathleten erklimmen scheinbar mühelos ihren Masten, drücken darauf Handstände und bewegen sich in coolen Drehungen wieder nach unten. Beim einarmigen Handstand auf dem im rechten Winkel vom Masten abgedrückten Oberkörper des Partners sind die Bad Nauheimer dann endgültig aus dem Häuschen.

Diese grandiose Stimmung trägt dann ebenfalls das gewohnt ausführlich zelebrierte Finale. Es wird ein nicht enden wollender Abschied in bester Partystimmung. „Jump“ ist einer der Titel, der musikalisch die Stimmung vorgibt. Auch bei der 14. Ausgabe des Internationalen Neujahrs-Varietés haben die Veranstalter wieder alles richtig gemacht. Diese hochwertige, kreativ gestaltete Show dürfte keine Wünsche offen lassen. Im kommenden Winter geht es in die Jubiläumsausgabe. Dann sind unter anderem die Giang Brothers, Encho Keryazov und David Larible dabei. Zudem wird es ein Buch mit Geschichten, Hintergründen und Interviews geben.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch