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OVAG - Neujahrs-Varieté 2017
www.ovag-gruppe.de - 175 Showfotos

Bad Nauheim, 21. Januar 2017: Wer Geburtstag hat, bekommt in der Regel Geschenke. Oder aber er beschenkt seine Gäste. Im Idealfall werden Geburtstagskind und Gratulanten gleichermaßen beschenkt. Der Ovag-Gruppe ist dieses Kunststück 2017 (wieder) ganz vortrefflich gelungen. Denn das Neujahrs-Varieté der Oberhessischen Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH – so die Langform - war immer schon darauf ausgelegt, sich bei den Kunden für die Treue zu bedanken. Und zum 15. Geburtstag gibt es ein besonders starkes Programm zu erleben.

Was alles andere als einfach ist, denn die selbst gelegte Messlatte ist immens hoch. Auf der anderen Seite erfreuen sich die Veranstalter selbst an den Shows. Denn die beiden Macher Anne Naumann und Andreas Matlé sind mit unglaublichem Enthusiasmus bei der Sache. Was sich auf die Qualität der Programme auswirkt und damit letztendlich wieder dem Publikum zu Gute kommt. Es gibt also nur glückliche Gewinner. Zum halbrunden Jubiläum hält die Ovag noch ein ganz besonderes Geschenk bereit. In einem Buch halten die Veranstalter Rückschau auf all die großartigen Produktionen. Blicken noch einmal auf all die wunderbaren Künstler, die das Neujahrs-Varieté zu dem gemacht haben, was es heute ist. Der wohl hochkarätigsten, großartigsten Varieté-Produktion unserer Tage.


Finale

Drei Faktoren kommen hier begünstigend zusammen. Der Zeitraum zwischen Weihnachtscircussen und Beginn der Sommersaison ist geschickt gewählt. Viele hochkarätigen Darbietungen sind „frei“. Das Dolce Theater in Bad Nauheim bietet mit seiner ausladenden Bühne beste Voraussetzungen auch für große Nummern. Die Veranstaltung muss sich nicht zwingend selbst tragen. Sie ist ja vor allen Dingen als Dankeschön der Ovag an ihre Kunden angelegt. Nichtsdestotrotz strömen die Besucher in Scharen. Oftmals sind die Vorstellungen schon ein Jahr im Voraus ausverkauft. In diesem Winter kommen insgesamt 31.700 Zuschauer zu den 43 Vorstellungen in Bad Nauheim und den beiden in Wartenberg. Die erleben innerhalb von dreieinhalb Stunden einen Höhepunkt nach dem anderen. Der eigene Geschmack macht letztendlich den Unterschied.


Face Team. Mitglied der Chicks of Swing, Housh-Ma-Housh

So ist gleich die erste Darbietung unser persönliches Highlight. Sieben Jungs vom ungarischen Face Team sorgen für mächtig Stimmung. Die coolen Sportler spielen auf zwei Basketballkörbe an den beiden Seiten der Bühne. Sie bieten eine perfekte Choreographie, in der sie mit Hilfe von Trampolinen virtuose Sprünge wagen, um den Ball im Netz abzulegen. Es ist ein ungeheuer lebendiges, mitreißendes Bild, bei dem immer etwas passiert. Quasi zur Entspannung lassen die trainierten Kerle mal eben ein Taxi auf der Bühne entstehen. Danach begrüßen uns unsere Gastgeberinnen. In diesem Jahr gleich drei an der Zahl. Dafür wird auf ein Ballett verzichtet. Die Chicks of Swing singen und moderieren. Letzteres teilweise mit witzigen Unterhaltungen aus dem Off. Bei ihren wunderbaren Songs werden sie von einem Pianisten live begleitet. Insgesamt hätte ich mir von ihnen etwas mehr Enthusiasmus gewünscht. Ein wahrer Charakter ist dafür der zweite „rote Faden“. Housh-Ma-Housh begegnet uns immer wieder. Er macht den Auftakt und lässt das Face Team als Schattenbild hinter einem riesigen weißen Tuch „erscheinen“. Der Clown mit der markanten Frisur kommt im Laufe der Show immer besser in Fahrt. Wenn er mit zwei Zuschauern eine musikalische Performance hinlegt, ist das Publikum im Jugendstil-Theater mit vollem Einsatz dabei. Natürlich hat Housh-Ma-Housh auch den Svarovski-besetzten Strick im Gepäck. Und selbstverständlich ist immer irgend etwas „kaputt“.


Cedenos, Triuvare, Duo Urunov

Die Cedenos kennen wir von Roncalli und vom Heilbronner Weihnachtscircus. Ikarische Spiele sind die Disziplin, in denen die Brüder aus Ecuador zu Hause sind. Das Quartett wirbelt sich auf zwei Trinkas gegenseitig mit den Füßen durch die Luft. Auch den Sprung über Kreuz haben sie im Repertoire. Nicht zuletzt dank ihrem südamerikanischen Charme kommen sie bestens an. Ein besonderes Anliegen der Ovag ist es, regionalen artistischen Nachwuchs zu unterstützen. So erleben wir in diesem Jahr das Trio Triuvare. Die Mitglieder lernten sich bei Voilà e.V. kennen. Einem Verein, der aus der Varieté-AG der Freien Waldorfschule Bad Nauheim entstanden ist. Trotz Arbeit und Studium trainieren Tobias, Anina und Maurice ein- bis zweimal die Woche. Das merkt man. Ihre Partnerakrobatik enthält innovative, anspruchsvolle Tricks. Diese verkaufen sie ungemein sympathisch. Eine kleine Geschichte gibt die Handlung vor. Diese erschließt sich allerdings erst nach Studium des ausführlichen Programmhefts vollends. Kostümwechsel in Windeseile sind das Metier von Elena und Ruslan Urunov. Was sie technisch bieten, macht ihnen so schnell niemand nach. Man kann kaum mitverfolgen, wie rasant die beiden ihre Kostüme wechseln. Eine farbenfrohe, faszinierende Performance.


Shirley Larible, Truppe Fantasy, Giang Brothers

Traumhaft schön ist immer wieder die Kür an den Strapaten von Shirley Larible. Vor einem Meer von Sternen zelebriert sie ihren kraftraubenden, aber doch so leicht wirkenden Auftritt. Ohne die Hände zu verwenden, geht sie vom Stand in den Spagat. Als besonderen Effekt trägt sie während ihrer Nummer Schuhe mit Absätzen. Musikalisch begleitet wird sie durch den Gesang ihres Vaters, der hier aber vom Band kommt. Gleich zehn Personen bringt die Truppe Fantasy auf den vorderen Teil der Bühne. Eine so große Schleuderbrett-Truppe in einem Varieté-Theater ist zumindest in der heutigen Zeit eine Rarität. Bis zum Fünf-Personen-Hoch mit Perchestange bauen die Rumänen ihre Türme. Auch sonst begeistern sie mit anspruchsvollen Tricks, modernen Kostümen und viel Energie. Hand-auf-Hand, Kopf-auf-Fuß, Kopf-auf-Kopf – alle Varianten beherrschen die Giang Brothers in Perfektion. Am faszinierendsten ist das Treppensteigen im Kopf-auf-Kopf. Das ungeheuer sympathische Bruderpaar aus Vietnam absolviert diese Übung so sicher, als würde es sich ständig so durchs Leben bewegen. Ein kürzlich aufgestellter Weltrekord unterstreicht diese Vermutung.


Showgirls of Magic, Alejandro Vanegas, Trio Bellissimo

Für ein noch größeres Staunen bedarf es schon „echter“ Magie. Bianca Farla und die Showgirls of Magic sind mit ihren Großillusionen die passenden Expertinnen dafür. Sie stecken sich gegenseitig in Kisten, durchbohren sich, verschwinden und tauchen am Ende doch irgendwie wieder auf. Alles Zauberei. Als Knalleffekt vor der Pause lassen sie scheinbar aus dem Nichts ein Motorrad erscheinen. Alejandro Vanegas und sein Neffe Michael gehören zur Spitzenklasse der Todesrad-Artisten. Kaum einer dreht den Salto auf der Außenseite des rotierenden Rades mit solch einer Leichtigkeit wie Alejandro Vanegas. Für Nervenkitzel ist während ihres gesamten Auftritts gesorgt. Immer schneller dreht sich das Rad, immer waghalsiger werden die Sprünge. Das Duo Vanegas begeistert auf ganzer Linie und lässt das Publikum mitfiebern. Ein Auftritt von Housh-Ma-Housh sowie das ausgelassene Spiel von Laura Urunova mit ihren Hunden sorgen für die dringend benötigte Entspannung. Vor allen Dingen Pudel sind es, die auf das Kommando der jungen Russin hören. Die Vierbeiner balancieren auf den Hinterbeinen oder springen locker über Hürden. Vom Stuttgarter Weltweihnachtscircus ging es für das Trio Bellissimo weiter nach Bad Nauheim. Hier wie dort überzeugen die blonden Ukrainerinnen mit ihrer Partnerakrobatik par excellence. Zur spanischen Version von „All by myself“ arbeiten sie in flüssigen, ruhigen Abläufen schwierigste Figuren. Höchste Körperbeherrschung und ein ausgeprägtes Gleichgewichtsgefühl sind hier gefragt.


Kai Cao, Tony Farello, Encho Keryazov

Ein hierzulande noch recht unbekanntes Gesicht ist Kai Cao. Er gehört der China National Acrobatic Troupe an. Diese Mitgliedschaft weckt hohe Erwartungen, die der junge Mann quasi spielend erfüllt. Virtuos jongliert er mit weißen Bällen. Dies zumeist zum Boden. Bis zu neun Bälle beherrscht er bei seinen Bouncing-Jonglagen gleichzeitig. Auch das Treppensteigen während des Jonglierens sieht bei ihm ganz einfach aus. Kai Cao verwöhnt uns mit spannenden neuen Eindrücken. Großes Improvisationstalent war bei Ralf Lindner, alias Tony Farello gefragt. Kurz vor dem Engagement beim Neujahrs-Varieté fiel seine Partnerin Jacqueline Marschan verletzungsbedingt aus. So wurde aus der Duo- kurzerhand eine Solonummer. Jetzt flitzt Tony Farello alleine auf dem Einrad die Treppe hinauf und hinunter, fegt über die Bühne und lässt sich von einem Trampolin in die Luft katapultieren. Jede Menge Energie wird dabei freigesetzt. Höchstes Tempo und viel Humor sorgen für ordentlich Stimmung, wenngleich die Unterstützung durch „Frau Schmidt aus Radebeul“ natürlich fehlt. Tony Farello macht das Beste daraus und bezieht sogar einen neuen Assistenten ein. Einem goldenem Muskelmann aus Bulgarien gehört der große Auftritt vor dem Finale. Keine Frage, es geht um Encho Keryazov. Seine kraftvollen Handstände lassen immer wieder staunen. Er ist einer der Stars der Szene und gibt dem Programm, das so viele Schlussnummern enthält, einen würdigen Abschluss. Auf den schon spektakulären Klötzchentrick folgt der Einarmer auf einer sehr hohen Stange.

Im fantastischen Finale erleben wir noch einmal alle Mitwirkenden. Ein nicht unerheblicher Teil des Who-is-who der internationalen Artistenwelt steht dann gemeinsam auf der Bühne. Es ist ein hochkarätiges Familientreffen, das man so nicht alle Tage erleben kann. Im kommenden Januar ist es aber wieder einmal so weit. Dann lädt das 16. Internationale Neujahrs-Varieté nach Bad Nauheim und Wartenberg ein. Abschließend die herzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag. Mögen noch viele folgen.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch