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Friedrichsbau-Varieté - "Die Rosevue"
www.friedrichsbau.de - 105 Showfotos

Stuttgart, 5. November 2015: Mit einer klassischen Revue ist das Friedrichsbau-Varieté in die Weihnachts- und Wintersaison sowie ins zweite Jahr am neuen Standort auf dem Stuttgarter Pragsattel gestartet. Mondäne Showgirls und artistische Acts im Look der 1920er Jahre sorgen für ein liebenswert nostalgisches Antlitz dieser Produktion. Namensgeberin der „Rosevue“ ist die fabelhafte Rosemie Warth. Die multitalentierte Komikerin führt durch das Programm. Dabei entwickelt sie sich – dank ihrer Begegnungen mit den Varieté-Künstlern - von der verklemmten Schwäbin zum echten Vamp.

Federboas und -kopfschmuck, mit denen Rosemie im Opening die Showtreppe hinunterschreitet, scheinen ihr zunächst „obendrüber naus“. Lieber berichtet sie in charmantem Schwäbisch von ihrem Einsatz für die EU-weite Einführung der Kehrwoche und davon, dass sie gerne einmal ganz Paris feucht durchwischen würde.


Rosemie (mit Gast aus dem Publikum)
 

Zunächst ist Rosemie noch sehr verklemmt. Im Laufe der Show zeigt sie mehr und mehr, was in ihr steckt. Und das ist einiges. Auf dem Alphorn spielt sie eine veritable Samba. Indem sie Bonbons zwischen den Zähnen klappern lässt, simuliert sie einen Stepptanz. Sie saust auf Rollschuhen über die Bühne – und überrascht mit Spitzentanz zu „Schwanensee“. Sie selbst ordnet sich dabei eher als „nordsibirische Mastgans“ denn als edlen Schwan ein. Am Höhepunkt ihrer wundersamen Wandlung zum Vamp tauscht sie das brave Faltenkleid gegen ein Lederoutfit und spielt dabei noch Tuba. Schließlich findet sie in einem Gast aus der ersten Reihe die große Liebe. Der Angebetete darf mit auf die Bühne und bekommt ein berührendes Ständchen gesungen. Rosemie ist endgültig in den Herzen aller Zuschauer angekommen. Zugabe- und Bravorufe sind der Lohn.


Bertan Candelbek, Emma Philips, Marcos Furtneros
 

Im artistischen Bereich ist dieses Programm immer dann am stärksten, wenn jongliert wird. Gleich drei verschiedene Facetten der Jonglage vereint die „Rosevue“. Den Auftakt macht Bertan Candelbek, der seine blitzschnellen Bouncingjonglagen mit bis zu sieben Bällen mit Breakdance-Elementen und Salti kombiniert. Dabei gefällt er auch mit seiner sympathischen Ausstrahlung. Seine Nummer ist der herausragende Act des ersten Programmteils und hätte sich auch als Pausen- oder Schlussnummer angeboten. Candelbek fand über den Berliner Kinder- und Jugendcircus Cabuwazi den Weg zur Berliner Artistenschule. Dort machte er 2010 seinen Abschluss. Es ist immer wieder eine Freude zu erleben, wenn sich die Absolventen dieser für Deutschland einzigartigen Einrichtung erfolgreich am Markt etablieren. Genauso überzeugend sind die Antipodenspiele der Neuseeländerin Emma Philips. Als mondänes Fräulein im Stil der 1920er Jahre jongliert sie zu Swingmusik zunächst filigrane Regenschirme – bis zu vier Stück plus ein Tuch auf einmal mit Händen und Füßen. Dann wechselt sie zu einem ungleich massiveren Requisit und wirbelt einen Holztisch mit den Füßen durch die Luft. Für die Schlussnummer im Programm sorgt Marcos Furtneros, der hier als feuriger Latino mit spitzbübischem Macho-Gehabe auftritt. Das ist charmant geflunkert, denn der vermeintliche Südländer ist ein echter Bayer. Und dazu ein großer Könner, der in der meisten Zeit seiner starken Darbietung zwei Devilsticks gleichzeitig über die beiden Handstäbe tanzen lässt.


Lara Paxton und Jill Schaffer, Ensemble, Brittany Walsh
 

Seit Regisseur Ralph Sun vor acht Jahren die künstlerische Leitung in Stuttgarts Varieté übernommen hat, setzt er gerne immer wieder die gleichen Akteure in immer neuen Rollen ein. Zu den besten Beispielen gehört Lara Paxton. Sie war hier in mehreren Produktionen und mit zahlreichen Darbietungen zu sehen, zuletzt erst im Frühling dieses Jahres als „Grandma“ mit einer Luftakrobatik am Rollator. Nun hat sie wieder einmal drei Showgirls mitgebracht. Sie sorgen neben Rosemie für den zweiten roten Faden im Programm und das Revuehafte der Produktion. Unter anderem präsentieren die Damen einen mondänen Tanz auf Stühlen und wirken in einer heiteren Szene mit, in der sie den „Hausherrn“ umsorgen – so lange, bis Rosemie als wahre Hausherrin auftritt und selbst Zuwendung fordert. Alle vier Showgirls sind auch mit artistischen Nummern im Programm vertreten. Die überzeugendste davon ist das Duo-Trapez von Lara Paxton mit Partnerin Jill Schaffer. Zu ruhiger Musik werden riskante Figuren zelebriert. Ferner hat Sara Sparrow eine thematisch schön gestaltete Luftnummer beim „Fenster putzen“ an einem Metallrahmen einstudiert und präsentiert Brittany Walsh ihre Fähigkeiten als Kontorsionistin – leider auf dem Boden und nicht auf einem Podest. So ist die Nummer nicht von allen Plätzen aus optimal zu sehen.


Tosca Rivola
 

Ein weiterer Dauergast im Friedrichsbau ist Margo Darbois. Sie hat wieder einmal eine neue Variante ihrer Handstandequilibristik entwickelt, diesmal auf einem kunstvoll gestalteten Metallstuhl. Zu ihrem Repertoire gehören unter anderem lange Passagen auf einer Hand. Recht kurz, aber äußerst kraftvoll fällt nach unserem Eindruck der Auftritt der Ukrainerin Tatyana Lytvynova aus. Sie agiert an diesem in Mode gekommenen Requisit eher sportlich; uns gefallen feminin-laszivere Interpretationen des Genres wie etwa bei Larissa Kastein besser. Auf pure Weiblichkeit setzt dagegen Tosca Rivola, die ihre Cyrrad-Nummer in eine Art Burlesque-Look im Stil der 1920er Jahre kleidet. Kostümierung und Make-up lassen sie fast wie einem Schwarzweiß-Film entsprungen erscheinen – das ist außergewöhnlich und passt perfekt ins Bild dieser heiter-mondän-nostalgischen Revue.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber