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GOP Essen - Stadt der Träume
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Essen, 6. Dezember 2009: Starke Artistik und viele komische Momente. Das ist der erste Eindruck von der „Stadt der Träume“, welche noch bis Anfang 2010 im GOP-Varieté Essen zu sehen ist.  Hervorstechend sind dabei  vor allem die akrobatischen Leistungen des jungen Ensembles (Durchschnittsalter 28), die durchweg auf hohem Niveau zu überzeugen wissen. Für die größte Begeisterung sorgt dabei die Trapezarbeit des Duo Elja. Die beiden Zwillinge bieten eine geradezu vollkommene Arbeit, spielen geschickt mit ihrer optischen Ähnlichkeit in den langsamen, synchronen Passagen und bieten Energie pur mit schnellen, dennoch sicher gefangenen Abfallern.


Sergey Timofeev, Trio Trilogy, Duo Elja

Großen Anklang beim Publikum findet auch die erstklassige Voltige- und Partnerakrobatik des Trio Trilogy. Ein Handstand zum Drei-Mann-Hoch und der dreifache Salto der Fliegerin bilden hier den Höhepunkt. Mit bis zu sieben Bällen bzw. Keulen agiert Victor Krachinov auf der Bühne, der kleine Unsicherheiten in seinen Wurfmustern geschickt überspielt. Zweiter Solokünstler ist der, wie Krachinov, beim „Cirque de Demain“ ausgezeichnete Sergey Timofeev mit einer fließenden Kür aus Equilibristik und Kontorsion. Beim Duo Reflex dienen allein zwei Stühle als Requisiten, welche wahlweise als Start- bzw. Zielpunkt oder als Hindernis für Sprünge, Pirouetten und Saltos genutzt werden. Einzig die Vertikalseildarbietung  von Anna Abrams kann da nicht mithalten. Grund dafür ist weniger die Trickstärke, sondern die Inszenierung: der „Kampf“ gegen das Seil lenkt dann doch zu sehr von den eigentlichen Leistungen, wie mehreren Abfallern, ab.


Mikhail Usov, Kotini junior

Für den komischen Part sind zwei ganz unterschiedliche Charaktere verantwortlich. Mikhail Usov ist der Mann für die poetischen Momente, wenn er mit der Schaufensterpuppe tanzt, wenn er mit Ping-Pong-Bällen musiziert oder wenn er mit weißen Plastiktüten jongliert. Wenn dann zum Abschluss hunderte dieser Tüten von der Decke fallen und die Illusion von Schnee erzeugen, dann ist das einer dieser schönen, berührenden Momente in der „Stadt der Träume“.  Obwohl Usov Plakatmotiv der Show ist, kommt die tragende Rolle in Wahrheit eher dem zweiten „Clown“, Kotini Junior, zu. Als roter Faden ist er omnipräsent und sorgt mit seinem Slapstick für heiteres Lachen, wenn er mit der Frau auf einem Gemälde anbandelt, wenn er seine Hip-Hop-Persiflage zum besten gibt oder sich wundert wie schnell Frauen verschwinden können und anderer Stelle wieder auftauchen. Dahinter stecken natürlich die Zwillinge des Duo Elja. In der Publikumsgunst steht Kotini Junior damit an erster Stelle und ist der heimliche Star des Abends. Doch auch die „Stadt der Träume“ bietet Schwachpunkte. Diese liegen zum einem im eher bemühten Versuch, dem Ganzen eine Geschichte überzustülpen. Eigentlich unnötig bei der Stärke der auftretenden Akteure. Zum anderen liegt es an den Auftritten des  Zauberers Hieronymus. Zwar sind seine Auftritte als „schlecht gelaunter, pöbelnder“  Bürgermeister wirklich lustig, aber nicht passend in einer „Stadt der Träume“.

Am Ende jedoch bleiben die positiven Dinge deutlich besser im Gedächtnis haften: das vielleicht stärkste artistische Programm der letzten Monate und zwei grundverschiedene Clown-Charaktere, die besser kaum harmonieren können. Besser kann man es sich kaum erträumen.

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Text: Benedikt Ricken; Fotos: GOP