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Friedrichsbau-Varieté - "Stars & Talents"
www.friedrichsbau.de - 49 Showfotos

Stuttgart, 27. April 2014: Am 17. Mai fällt der letzte Vorhang in der Friedrichsbau-Rotunde am Stuttgarter Börsenplatz. Nach 20 Jahren wird hier ab Herbst die Kunst durch den Kommerz ersetzt, das Gebäude künftig vom Eigentümer L-Bank selbst genutzt. Das Friedrichsbau-Varieté indessen geht während einer Übergangszeit auf Sommertour durch drei Stuttgarter Spielstätten und will dann am 7. November zur feierlichen Eröffnung des neuen Hauses auf dem Pragsattel laden. Nun aber treten an bekannter Stelle noch einmal „Stars & Talents“ auf – präsentiert von Stuttgarts Meister-Magier Topas.

Der langjährigen Varieté-Chefin Gabriele Frenzel lag es nach eigenen Worten sehr am Herzen, die letzte Show am angestammten Ort mit Topas zu machen. Der Zauberkünstler und das Varietéteam seien durch eine lange Zusammenarbeit und enge Freundschaft verbunden. Bereits 1996, zwei Jahre nach der Eröffnung des heutigen Friedrichsbaus, führte Topas dort erstmals durch eine Varieté-Produktion („Magische Metamorphosen“), 2000 und 2005 war er der Conférencier weiterer Shows. Und insgesamt sieben Mal zeigte er zwischen 2001 und 2013 jeweils im Sommer seine eigenen Programme im Friedrichsbau. Kein Künstler stand somit häufiger auf dieser Bühne, und wohl kaum ein anderer war und ist hier beim Stammpublikum so beliebt. Nun führt er durch ein ganz klassisches Nummernprogramm, in dem sich die Auftritte des zaubernden Conférenciers, Gesang und artistische Darbietungen abwechseln, ohne dass die Show ein übergeordnetes Thema hätte.


Abschied von der Friedrichsbau-Rotunde im Herzen der City

Die Wehmut über den Abschied von dem wunderbaren, kreisrunden Theatersaal in der Innenstadt ist inzwischen wohl dem Optimismus und Tatendrang gewichen: „Der Neubeginn auf dem Pragsattel birgt so viele Chancen und Verbesserungsmöglichkeiten, so dass wir voller Elan in die Zukunft blicken“, sagt Neu-Geschäftsführer Timo Steinhauer. Dazu werden wohl eine erweiterte Gastronomie, die Zusammenarbeit mit dem benachbarten Theaterhaus, das deutlich höhere Bühnenportal oder auch eine flexible Bestuhlung, welche interessante Gastspielproduktionen möglich macht, gehören. Die neu gegründete gemeinnützige Theater-GmbH will sich wie schon bisher und mehr denn je auch um die Nachwuchsförderung verdient machen.


Laura von Bongard, Luka Clayburn

Da passt es ins Bild, dass von den sechs jungen Artisten in „Stars & Talents“ gleich fünf ehemalige Schüler der Staatlichen Artistenschule in Berlin sind – und es zeigt sich einmal mehr, dass viele Absolventen dieser in Deutschland einmaligen Einrichtung erfolgreich am artistischen Markt agieren. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist Laura von Bongard, die sich mit ihrer Verbindung von artistischem Können und sinnlichem Auftreten einen Namen gemacht hat. Bei ihren Antipodenspielen jongliert sie auf ihrer dekorativen Polstermöbel-Trinka vollkommen fehlerfrei sechs goldene Bälle mit Händen und Füßen, lässt diese auch links und rechts von sich auf dem Boden aufdopsen und fängt sie wieder. Und trägt dazu wenig mehr als nichts. Noch mehr Erotik bietet ihre neue Duo-Nummer „cavea aurea“, die sie gemeinsam mit Luka Clayburn entwickelt hat und vorführt. Während der Pause wird hierzu ein vier Meter hoher „Vogelkäfig“ in der Mitte des Saales aufgebaut, in dessen Zentrum ein Luftring hängt. Die zwei hübschen Artistinnen zeigen in schwarzer Spitzenwäsche viele ungewöhnliche Posen im goldenen Käfig, demonstrieren Kraft, Beweglichkeit und Balance. So hält Bongard ihre Partnerin hinter dem Rücken mit den Händen in einem Genickhang. Die überaus erotische Aufmachung ist hier das Sahnehäubchen und muss nicht etwa fehlendes Können kaschieren.


Herr Benedict, Duo Twinspin

Doch nicht nur schöne Frauen, sondern auch muskelbepackte Männer hat dieses Programm zu bieten. Danilo Marder zum Beispiel zeigt auf zwei hohen Stangen hochkarätige Handstand-Equilibristik und mehrere Versionen der menschlichen Flagge. Mit Kraft und Ausdauer lässt er sich im Zeitlupentempo, auf seine Hände gestützt, vom Requisit herunter wieder zum Boden gleiten. Martin Benedict Schepers alias „Herr Benedict“ gibt einen Geschäftsmann, der morgens in der U-Bahn noch mal in den Schlaf fällt. Die Halteschlaufen in der Bahn werden zu Strapaten, an denen er seinen Gleichgewichtssinn demonstriert, sich auf- und abwickelt und einen Genickhang zeigt. Geradezu ekstatisch kreiselt er später in seinem zunächst mit LEDs beleuchteten Cyrrad über die Bühne, mit offenem Hemd und unter großem Applaus. Benno Jacob war mit seinem früheren Diabolo-Partner Johannes Dudek alias Duo „Golden Time“ auf dem besten Weg vom „Talent“ zum „Star“, als sich die beiden trennten. Seit der Absolventenshow 2013 der Berliner Artistenschule steht Jacob nun mit seinem neuen Partner Lukas Stelter gemeinsam auf der Bühne. Das Duo zeigt sich inzwischen perfekt aufeinander eingespielt, agiert sicher und makellos. Wenn sie ihre Diabolos fliegen lassen und im letzten Moment wieder fangen, wird diese Schlussnummer von fortwährendem Applaus und Jubel begleitet.


Topas, Vanessa Tuna 

Für zusätzlichen Glamour in dieser Produktion sorgt Sängerin Vanessa Tuna mit mehreren ihrer eigenen Popsongs. Die Deutsch-Türkin aus der Nähe von Stuttgart feiert aktuell in den USA mit Chartplatzierungen in den Top 40 und Ausstrahlungen in über 130 Radiostationen Erfolge. Den eigentlichen roten Faden der Show bilden aber die Auftritte von Topas, der sowohl das komische Fach als auch die Magie beherrscht. Wunderbar witzig ist beispielsweise, wie er den ganz alltäglichen Kampf gegen die fürchterlich rauschenden Mikros und Lautsprecher beim McDrive nachspielt. In seinen Illusionen setzt er gerne auf lässiges Understatement und kokettiert zunächst mit der scheinbaren Durchschaubarkeit seiner Tricks – um dann mit einem völlig verblüffenden Ende die Kinnladen reihenweise nach unten klappen zu lassen. Beim letzten Auftritt etwa zaubert er Vanessa Tuna nur kurzfristig von einem gläsernen Sessel ins Nichts. Gleich darauf entdecken wir sie, quel malheur, gut sichtbar in der geräumigen Treppe unter dem Requisit. Topas dagegen verschwindet tatsächlich, und taucht wenige Sekunden später am anderen Ende des Saales wieder auf.

Acht Künstler, zwei Glitzersterne als Bühnenbild – mehr braucht es diesmal gar nicht für einen vergnüglichen und unterhaltsamen Abend, mit dem das Friedrichsbau-Varieté sich von seiner angestammten Spielstätte verabschiedet und aufbricht in eine neue Zukunft. Bis bald auf der Sommertour durch Stuttgart, bis bald im neuen Haus auf dem Pragsattel!

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber