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Friedrichsbau-Varieté - "Visionen"
www.friedrichsbau.de - 63 Showfotos

Stuttgart, 14. September 2014: Ganz ehrlich: Wir waren zunächst doch überrascht, dass ausgerechnet Karsten Speck eine Varietéshow mit dem Titel „Visionen“ moderieren sollte. Nach seiner Verurteilung zu fünf Jahren Haft wegen Betruges hatte es so ausgesehen, als hätte Speck seine Zukunfts-Visionen hinter sich. Seit drei Jahren ist er jedoch wieder frei – und kehrt mehr und mehr zurück ins Rampenlicht. Mit der ZDF-Serie „Hallo Robbie“ hatte er in Glanzzeiten bis zu acht Millionen Zuschauer pro Folge erreicht. Im kommenden Winter wird er wieder auf dem „Traumschiff“ zu sehen sein.

Karsten Speck ist einer der wenigen Künstler aus der ehemaligen DDR, die es nach der Wende zu gesamtdeutscher Popularität geschafft hatten. In Ost-Berlin hatte er zunächst Musik und später Schauspielkunst studiert; von 1986 bis 1989 gehörte er dem Ensemble des Kabaretts „Die Distel“ an. Einen Millionenpublikum in West und Ost bekannt wurde er 1990 als Moderator der Samstagabendshow „Ein Kessel Buntes“. Diesen Klassiker des DDR-Fernsehen hatte die ARD elf Folgen lang fortgeführt. Mit seinen Rollen in „Freunde fürs Leben“ oder besonders „Hallo Robbie“ wurde er einer der beliebtesten deutschen Fernsehschauspieler. Doch Speck verstrickte sich in Immobiliengeschäfte, konnte Schulden in Millionenhöhe nicht zurückzahlen, wurde daraufhin zweimal wegen Betruges zu insgesamt fünf Jahren Haft verurteilt. Er verbrachte sie im offenen Vollzug und wurde vorzeitig entlassen.

 
Vielseitiger Karsten Speck: charmante Moderationen, Publikumsnummer, gekonnte Parodien

Mit den Machern des Friedrichsbau-Varietés Stuttgart verbindet ihn eine lange Freundschaft, seit er dort im Jahr 2000 mit großem Erfolg durch die Produktion „Spe(c)ktakel“ führte. Jetzt ist er nach 14 Jahren wieder in einer Produktion des Friedrichsbau-Varietés zu sehen. Es ist eher „retro“ als „visionär“, wie Speck sich in den "Visionen" präsentiert: als klassischer Conférencier, bei dem „Kunst“ noch von „Können“ kommt. Der vielseitige Speck spielt Klavier und singt dazu selbst Erdachtes. „Aber bitte mit Sahne“ wird mit neuem Text zu „Das sind unsere Visionen“ (von guter Unterhaltung). Er interpretiert gekonnt Klassiker wie „Ain’t no sunshine“. Er parodiert treffsicher Bühnengrößen wie Elvis Presley, Heino und Herbert Grönemeyer. Er plaudert sich charmant durch heitere Geschichten. All das macht ihm und dem Publikum großen Spaß. Einzig seine Mitmachnummer, bei der vier Zuschauer zum Singen auf die Bühne müssen, die gerät etwas lang und wäre verzichtbar.


Julia Kurkina: flüchtige Sand-Gemälde 

Bekanntermaßen musste das Friedrichsbau-Varieté im Sommer nach 20 Jahren seine Spielstätte in der L-Bank mitten in der City räumen und wird nun am 4. Dezember sein neues Haus auf dem Stuttgarter Pragsattel eröffnen. Bis dahin ist das Theater mit verschiedenen Shows „on tour“. Gut sechs Wochen lang, bis zum 26. Oktober, wird nun das Spardawelt-Eventcenter der Sparda-Bank am Hauptbahnhof bespielt. Im Prinzip ist es ganz klassisches Nummernvarieté mit Conférencier, das Regisseur Ralph Sun für diesen Saal zusammengestellt hat. Die Besonderheit der Show ergibt sich daraus, wie Sun die Besonderheiten des Raumes nutzt. Da wäre die große Videowand im Hintergrund. Diese wird zum Beispiel genutzt, um die wunderbare Kunst von Sandmalerin Julia Kurkina zu zeigen. Auf einer von unten beleuchteten Glasplatte zeichnet sie mit den Fingern Bilder aus Sand, die auf der Videowand gezeigt werden. Das Besondere: Kurkina präsentiert nicht nur ihre eigene Nummer, eine Liebes- und Lebensgeschichte in Bildern. Nein, im ersten Programmteil lässt sie auch die Geschichte des Friedrichsbau-Varietés in flüchtigen Sand-Bildern vorüberziehen – vom ersten, im Jahr 1900 eröffneten Original-Friedrichsbau über die jetzt verlassene L-Bank-Rotunde bis zum Neubau auf dem Pragsattel.

 
Ekaterina Demina, Ailona Lukyanova, Marina Skulditskaya

Die niedrige Raumhöhe im Eventcenter der Spardabank macht Luftnummern unmöglich. Aber der moderne Saal hat Charme. Mit gerade mal 198 Plätzen entsteht so etwas wie intime Wohnzimmer-Atmosphäre. Die klassische Trennung von Bühne und Publikum wird aufgehoben. Nicht nur, weil Moderator Karsten Speck sich immer wieder unters Publikum mischt. Die Handstandkünstlerin Marina Skulditskaya hat ihr Requisit neben der Bühne aufgebaut, rückt somit noch näher an die Gäste. Im zweiten Teil ihrer eleganten Darbietung flattert ihr Haar im Wind, den ihr Requisit erzeugt. Neu ist die Musik der Darbietung. Sie stammt von den Klangkünstlern Steffen Wick und Simon Detel, die kommendes Frühjahr die Friedrichsbau-Show „PI“ musikalisch gestalten werden. Also auch eine „Vision“ dessen, was am neuen Standort kommen wird. Ekaterina Demina zeigt ihre Kontorsionsnummer fernab der Bühne auf einem Podium an der Seite des Saales – weil die Darbietungen dieser Show „zwischen den Zuschauern wie einzelne Spots aufleuchten sollen“, beschreibt Regisseur Ralph Sun. Die junge Artistin kann mit den Füßen durch ihre langen Haare streifen. Insgesamt ist „Visionen“ nicht nur ein klassischer Varietéabend in moderner technischer Umsetzung. Es ist auch ein Abend der schönen Frauen. Von der Sandmalerin auf hohen Schuhen im eleganten Abendkleid über die beiden bezaubernden Damen im Handstand und mit Kontorsionen bis zur Schlussnummer. Da lässt Ailona Lukyanova die Hula Hoop-Reifen kreisen – mit ihrer sexy Aufmachung könnte man sich die Nummer gut als Showact in einer Diskothek vorstellen.


Girma Tsehai, Luke Dimon

Was zu schauen gibt es aber auch für die Damen: Girma Tsehai – in Äthiopien geboren und heute dem Artistenpool von Base Berlin zugehörig – jongliert splitterfasernackt fünf Strohhüte. Und zwar so, dass alles Entscheidende reizvoll im Verborgenen bleibt. Während hier mehr der Humor im Vordergrund steht, ist es bei seinen Bouncing-Jonglagen rund um ein variables Plexiglas-Gestell das artistische Können. Komplettiert wird die Show durch den möglicherweise jüngsten Berufszauberer Deutschlands, der zugleich amtierender Deutscher Meister der Zauberkunst ist: Luke Dimon (20) präsentiert im ersten Programmteil klassische Manipulationen, u.a. mit Spielkarten, und übt sich nach der Pause als düsterer Gedankenleser.

Und so weckt dieser klassisch-moderne, durchweg unterhaltsame Varietéabend einmal mehr die Vorfreude auf das neue Friedrichsbau-Varieté auf dem Pragsattel. Dort wird ab dem 4. Dezember mit der Eröffnungsshow "Celebrating THE KING" wieder einmal der legendäre King of Rock’n’Roll – Elvis Presley, interpretiert von Ray Martin – gefeiert.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber