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Friedrichsbau-Varieté - Youkali
www.friedrichsbau.de

Stuttgart, 3. November 2011. Ein mondänes Hotel um 1920, das Hotel „Youkali“, ist Schauplatz der gleichnamigen neuen Show im Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté. Hier treffen schillernde und kuriose Figuren aufeinander, die alle an der großen Gala in dem Hotel dabei sein wollen. Im Mittelpunkt steht das großartige Duo „Evi und das Tier“, das schon in der Burlesque-Show 2008 und der Edith-Piaf-Hommage 2010 des Friedrichsbaus begeisterte: Evi Niessner gibt die Gräfin Niessnerova – Grande Dame, glamouröse Sängerin und Dauergast – und ihr Partner Mr. Leu den eigenwilligen Hoteldirektor.

Seit Ende 2007 ist Ralph Sun künstlerischer Leiter und Regisseur im Friedrichsbau-Varieté Stuttgart, zum 5. Mal hat er nun eine Winterproduktion in Szene gesetzt. Stets ist die „Weihnachtsshow“ in Stuttgart mit die aufwendigste des Jahres. Ähnlich wie in den vergangenen Saisons werden zu Weihnachten in einer besonders glamourösen Show verschiedenste Facetten des Varietés kombiniert – nicht nur Artistik und Humor, sondern auch Gesang, Tanz, Musik, erotische Momente. Die Show „Youkali“ ist Varieté, das viel mit Theater und praktisch nichts mit einem „Kammercircus auf der Bühne“ zu tun hat. So ist das komplette Ensemble in Spielszenen auf der Bühne eingebunden, müssen die Künstler auch ihr darstellerisches Talent beweisen. Das gilt natürlich für die beiden Protagonisten Evi Niessner und Mr. Leu als Dauergast Gräfin Niessnerova bzw. Hoteldirektor, aber auch für Diabolo-Jongleur Gilles Le Leuch (Butler Antoine), Burlesque-Performerin Honey Lulu („vom Zimmermädchen zum Vamp“), das Hand-auf-Hand-Duo Nik und Valentina (Ganove & Schöne), Footbag-Jongleur Jorden Moir (Laufjunge), Musik-Performer Michael Clifton (Tourist) und das übrige Ensemble. Das aufwendige Bühnenbild zeigt eine Hotellobby mit Aufzug, Lounge und Bar. Während die erste Programmhälfte den Spielszenen, dem Eintreffen der verschiedenen Akteure im Hotel und ihren Vorbereitungen für die große Gala breiteren Raum gibt, ist der zweite Programmteil wesentlich dichter gewebt. Nun präsentiert jeder sein Können in der Gala, der Show in Show, folgen die unterschiedlichen Nummern Schlag und Schlag. Somit ist für eine stete Steigerung bis zum Finale, für einen gelungenen Spannungsbogen gesorgt.


Evi Niessner, Aerialistas

Evi Niessner, die „Niessnerova“, überzeugt in stets großer Robe einmal mehr mit ihrer starken Stimme und dramatischen Ausdrucksfähigkeit, vom Operetten-Hit („Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?“) über das swingende „Sing, Sing, Sing“ bis zur großartigen Interpretation des Jazz-Evergreens „Feeling Good“. Kongenial begleitet wird sie von ihrem Pianisten Mr. Leu. Perfekt zum 20er-Jahre-Look passen die „Aerialistas“ aus den USA, sechs Damen mit wasserstoffblonden Perücken. Im ersten Programmteil betören sie in Pagen-Outfits mit einem Tanz auf Stühlen, als Finalnummer zeigen sie ebenso im Sextett eine synchrone Arbeit an drei Luftringen. Dem gebürtigen Amerikaner Michael Clifton, der seit über 30 Jahren in Berlin lebt, gehören zwei skurrile Musikal-Auftritte mit seinen „Sexy-Body-Drums“. Im ersten Programmteil trommelt er noch züchtig auf Holzinstrumenten, die er um die Beine geschnallt hat. Später kehrt er in einem vollkommen absurden Outfit wieder, mit einer Art musikalischem Umschnalldildo und schwarzen Netzstrümpfen, den nackten Oberkörper bedecken Drum-Büstenhalter und -Krawatte sowie ein Frack ohne Hemd.


Jorden Moir, Elena Borodina, Michael Clifton

Die Burlesque, der Striptease mit Augenzwinkern, hat sich in den Friedrichsbau-Produktionen unter Ralph Sun einen festen Platz erobert. Honey Lulu (alias Federica Ciancetta), die im Friedrichsbau vor drei Jahren in einer riesigen Teetasse strippte, entsteigt nun einer überdimensionalen Handtasche, um sich anschließend kunstvoll, aber Burlesque-typisch nur fast vollständig zu entblättern – womit wieder einmal bewiesen wäre, dass das Innenleben von Damenhandtaschen zu den größten Mirakeln überhaupt gehört. Da Honey Lulu mit den Schönheitsidealen der 20er Jahre spielt, fügt sie sich wunderbar ins Gesamtbild der Show, ebenso wie Valentina mit ihrem Fächertanz, der sich an den Ausdruckstanz dieser Zeit anlehnt und für den Friedrichsbau auf Kurt Weills Tango „Youkali“ neu choreographiert wurde. Auch die Hand-auf-Hand-Nummer, die Valentina später mit ihrem Partner Nik präsentiert, wurde für „Youkali“ musikalisch und choreographisch neu gestaltet; die beiden werden mit einem von Evi Niessner gesungenen Tango begleitet. Eine ganz famose Jonglage mit „Footbags“, also granulatgefüllten Stoffsäcken, zeigt Jorden Moir. Mit Armen, Beinen, Händen und Füßen, schlicht dem ganzen Körper, jongliert er die Footbags und dreht dabei Pirouetten oder springt Seil. Eine andere Spielart der Jonglage präsentiert Gilles Le Leuch; federleicht und ohne jede sichtbare Anstrengung lässt er zwei Diabolos tanzen. Bei ihrer eleganten Handstandkür wird Elena Borodina von einem zarten, transparenten Tuch umspielt, das ein Luftstrom von unten dauernd in Bewegung hält.

Ein anrührendes Finale, bei dem die Artisten zu „Waltzing Matilda“ und in leisem Schneefall von der Bühne ziehen, das Hotel Youkali wieder verlassen, setzt den Schlusspunkt unter ein wundervolles Winterprogramm, das wiederum deutlich die bewährte Handschrift von Hausregisseur Ralph Sun trägt.

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Text und Fotos: Markus Moll