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Weltweihnachtscircus 2005
www.weltweihnachtscircus.de ; 23 Showfotos

Stuttgart, 7. Januar 2006: Der Weltweihnachtscircus Stuttgart hat ein entscheidendes Problem: Er setzt die Reizschwelle immer höher, so sensationell gut ist er. Nach einem Besuch dort kann auch der Heavy-User getrost ein bisschen länger mit dem nächsten Zirkusbesuch warten: Es wird sich im nächsten Chapiteau immer die etwas unfaire Frage aufdrängen: Und das ist alles? Sie ist deshalb unfair, weil niemand mit einem solchen Programm auf Tournee gehen könnte – Vergleiche mit reisenden Unternehmen verbieten sich von selbst.


Rodion, Geraldine Katharina Knie, Alan Sulc

Schon die erste Hälfte des Stardust-Programms beeindruckt: Spaß mit den lustigen Monstern von „D’Holmikers“ und Fumagallis „Fuma Boys“. Perfekte Choreografie bei Geraldine Katharina Knies Hoher Schule, die von einer Violine spielenden Frau in der Manege begleitet wird. Poesie mit einem chinesischen Duo an Seidentüchern, halsbrecherische Artistik der Velez-Familie auf dem Hochseil, fehlerfreie Jonglage von Alan Sulc (Wie gut will der Junge werden, wenn er erstmal erwachsen ist?), spektakuläre Höhenflüge der Rodion vom Russischen Barren aus. Und Peter Goesmann ist mit seiner vornehmen Blasiertheit wie geschaffen für seine Aufgabe als Moderator der Glanz- und Glamour-Gala: Er schafft es, die Artisten immer so anzukündigen, als schritten gleich die Königin von England und der Bischof von Rom gleichzeitig in die Manege. Fantastisches Licht, ein großartiges Orchester – auch wenn es allzu oft von Konservenmusik abgelöst wird. Wenn man überhaupt etwas kritisieren kann, dann das. Schließlich folgt vor der Pause ein erster großer Höhepunkt: Freiheitsdressur mit Geraldine Katharina Knie. Bei ihrem Pferdekarussell lässt sie 24 Hengste in drei gegenläufigen Kreisen durch die Manege traben – und das wie am Schnürchen. Sie steht in der Mitte und dirigiert ganz unauffällig. Schneeweiße Araber, pechschwarze Friesen, goldfarbene Palominos, die Manege voller wunderschöner Tiere, mittendrin ihre elegante Tierlehrerin, dieses Bild ist durch und durch schön, einfach wunderbar und ergreifend schön.


Golden Power, Fratelli Errani, Fumagalli und Co., Velez Brothers

Nach 25 Minuten Pause beginnt ein noch viel stärkerer zweiter Teil, der alles rundum vergessen lässt: Ein Seelöwen-Duo mit seinen Trainern Philip und Gledys, das präzise arbeitet, aber dennoch offenkundig Spaß hat und den Zuschauern Spaß macht. Voltigen von Fahrrad zu Fahrrad aus China. Akrobatik, die der Schwerkraft trotzt, mit „Golden Power“. Bauchschmerzen vor Lachen – auch beim x-ten Mal – mit Fumagallis Blödel-Klassiker „Bienchen, Bienchen, gib mir Honig“. Große Schleuderbrett-Artistik jenseits aller „Hopps“ und „Hoys“ aus dem Klischee, dafür im Frack und zu Swing-Musik, mit den „New Russians“. Tosender Applaus für die Flugkunst der Ikarier „Fratelli Errani“. Die atemberaubenden Luftsprünge der Velez-Brüder auf dem Todesrad. Dann Finale: Klar, es gibt Ovationen im Stehen. Aber wann hat man ein Publikum jemals, vollständig und fast gleichzeitig, so förmlich von den Sitzen springen sehen? Riesiger Jubel. Auch wir sind tief beeindruckt.

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Text: Markus Moll; Fotos: Stefan Nolte, Sven Rindfleisch