CHPITEAU.DE

Alexis Gruss 2006
www.alexis-gruss.com

Paris, 13. Januar 2007: Pferde, ein Elefant, ein paar engagierte Artisten, dazu drei Generationen der Direktionsfamilie als Tierlehrer, Artisten und Clowns. So weit, so gut. Familiencircusse dieser Art gibt es viele. Wenn dazu aber noch ein großes Orchester, ein Chapiteau mit fünf Reihen Loge und 16 Reihen Gradin sowie 3 „Clowns“ (zwei goldene, ein silberner) in Monte Carlo kommen, passt die Beschreibung nur noch auf einen Circus - nämlich den von Alexis Gruss. „Cirque National Alexis Gruss“ nennt er sich in voller Länge und „Allegro Sportissimo“ heißt das aktuelle Programm. Es ist die insgesamt 33. Création des „Cirque à l’ancienne“.

Erdacht von Alexis Gruss, wurde sie von seinem ältesten Sohn Stephan inszeniert. Dieses Spectacle ist wieder „typisch Gruss“. Pferdedressuren wechseln sich ab mit Artistik und komischen Einlagen, lebhafte Bilder gehen in poetischen Szenen über. Mal füllt das ganze Ensemble die Manege, mal ziehen einzelne Artisten die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Die Regie sorgt für einen Ablauf ohne Längen und Umbaupausen. Das von Blasinstrumenten dominierte Orchester spielt traditionell, das Licht ist dezent und die Kostüme sind im Stil vergangener Tage gehalten. „À l’acienne“ heißt schließlich, so das Wörterbuch, „auf alte Weise“ oder auch „nach Hausmacherart“. Beides passt auf diesen Cirque Gruss. Wie es der Titel vermuten lässt, steht der Sport im Mittelpunkt der Inszenierung. Wenn der Gast seinen Platz in der mit Holz verkleideten Loge einnimmt, fällt der Blick auf die Olympischen Ringe, die auf dem Manegenteppich liegen. Im Eröffnungsbild dienen sie als Requisiten für eine farbenfrohe Gruppenjonglage des gesamten Ensembles. Gleich zu Beginn herrscht eine fröhliche Stimmung, die ansteckt. Der Luftringe gibt es hier gleich fünf. Angeordnet sind auch sie wie die olympischen Ringe. Nach dieser kurzen gymnastischen Einlage über der Manege füllt die Flaggenparade der teilnehmenden Sportler/Artisten das Rund. Aus dieser Gruppe löst sich Maud Gruss und erklimmt mit einer Fackel  in der Hand das Schrägseil, um unter der Kuppel das olympische Feuer zu entzünden. Die Spiele sind eröffnet.

Auf einem Billardtisch präsentiert Firmin Gruss, der jugendliche Star des Programms, seine Artistik an der freistehenden Leiter, bevor die erste Pferdedarbietung gezeigt wird. „As des oxers“ heißt sie und ist dem Springreiten gewidmet. Pferde springen über verschiedene feste und bewegliche Hindernisse. Gipsy Gruss reitet im Damensattel über ein Hindernis, lässt ihr Pferd Seil springen sowie steigen. Anschließend lenkt Nathalie Gruss, Ehefrau von Stephan, die Blicke unter die Circuskuppel, wo sie ihre schwungvolle Kür am Trapez zeigt. Davor und danach gibt es komische Einlagen. Einen Weitsprungwettbewerb mit einem Maßband aus Gummi und den üblichen Scherzen sowie eine Entenjagd, die im Tontaubenschiessen endet. Firmin Gruss und Jonny Bogino sind die Hauptakteure bei diesen sportlichen Auftritten der Clowns. Weitere folgen.  Den nun folgenden Wettstreit zwischen Mensch und Tier leitet wiederum Alexis Gruss. Immer neue Pferde rennen mit ihren zweibeinigen „Gegnern“ um die Wette. Staffelhölzer werden übergeben.

Im Team „Mensch“ u.a. dabei die engagierten Artisten Romaric Sinoir und Charlie Placais. Nach vielen Runden des Wettstreits wird es auf einmal ruhig. Ein weißes Pony spielt auf der einen Seite der Manege, auf der ändern macht der kleine Louis, ein Enkel von Alexis, auf einem Teppich Aufwärmübungen. Das Pony bewegt sich auf Louis zu und die beiden spielen miteinander. Aus dem Gegeneinander wird ein Miteinander. Einfach schön, poetisch, wenngleich natürlich ein wenig kitschig. Es folgt eine kurze Dreier-Freiheit und selbstverständlich gibt es eine Siegerehrung. Pom-Pom-Girls stürmen die Manege, gefolgt vom männlichen Teil des Ensembles in Fußball-Trikots. Es wird gekickt: Die Band spielt südamerikanische Rhythmen, der Kleinste macht den Schiedsrichter.

 Eine ausgelassene Atmosphäre irgendwo zwischen Bolzplatz und großem Stadion. Star auf dem Platz aber ist Syndha. Die indische Elefantendame der Familie Gruss beweist Ballgefühl, ganz egal ob sie den Zuschauern den Ball zuspielt oder ihn im Tor versenkt. Klar, dass es zum Schluss einen Pokal gibt. Nicht irgendeinen, sondern den Fifa World Cup im XXL-Format, den Frankreich im letzten Sommer so knapp verpasst hat. Nach der Pause verwandelt sich die Manege in einen Turnsaal. Ein Pferd ist aufgebaut und die Männerriege sowie Maud Gruss in weißen Trikots trainieren ihre Sprünge. Natürlich verlegen sie ihre Übungen bald auf Pferde aus dem hauseigenen Marstall. Die Damen übernehmen mit rhythmischer Sportgymnastik am Boden und in der Luft (Tücher, Luftreif). Abgerundet wird dieser Teil von den Clowns an Barren, Kasten und Ringen. Anschließend zeigt Maud Gruss vier Korbpferde. Ihr Bruder Stephan jongliert mit Keulen in der Choreographie eines asiatischen Kampfkünstlers.

Als letzte Darbietung kommt eine der großen Pferdenummern, für die dieser Cirque Gruss so berühmt ist. Alexis Gruss zeigt das Karussell: Sechs Füchse, acht Schimmel und zehn dunkle Pferde verschiedener Rassen bilden im Gegenlauf insgesamt drei Kreise. Auf ihrem Rücken tragen sie jeweils eine blaue, weiße oder rote Fahne, sodass die französischen Nationalfarben nur so flattern. Ein wahre Augenweide, die nur einen Fehler hat. Sie ist viel zu schnell vorbei und schon erscheinen alle menschlichen Mitwirkenden zum Finale.

Es ist schon eine ganz besondere Art von Circus, den Alexis Gruss und seine Familie jedes Jahr inszenieren. Traditionell, voller Lebensfreude, stimmungsvoll und auf jeden Fall mit sehr viel Herzblut gemacht. Der Begriff „Kammerspiele des Circus“ ging mir durch den Kopf als ich unter dem Chapiteau am Bois de Boulogne in Paris saß. Vielleicht ist das die beste Kurzbeschreibung für den „Cirque National Alexis Gruss“ und sein 33. Spectacle „Allegro Sportissimo“.

__________________________________________________________________________
Text: Stefan Gierisch; Fotos:
François Dehurtevent