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Bougliones Cirque d'hiver 2007
www.cirquedhiver.com

Paris, 15. Dezember 2007: Hochglanzcircus – Es mag in unseren Breiten einige Unternehmen geben, die dieser Bezeichnung gerecht werden. Die Produktionen der Familie Bouglione im Pariser Cirque d’hiver gehören auf jeden Fall dazu. Hier ist alles vom Feinsten. Licht, Musik, die handverlesenen Künstler und natürlich der Circusbau selbst. Nach einer Renovierung im zu Ende gehenden Jahr strahlt er von außen noch heller als zuvor. Im Inneren bleibt alles beim alten, will heißen: Edles Ambiente in Rot und Gold, steile Ränge sowie enge Sitzverhältnisse.

Auch sonst ist Platz rar im und um den Cirque d’hiver. Das hat Auswirkungen auf das Programm. Tiere sind ob der eingeschränkten Unterbringungsmöglichkeiten nicht in großer Anzahl zu erleben. Nichtsdestotrotz sind sie fester Bestandteil der Programme. Das aktuelle heißt „Vertige“. Es legt, wie schon die Vorgänger, den Schwerpunkt auf ausgesuchte Artistik, Stars der Clownerie und eine üppige „Garnitur“ bestehend aus Ballett, großem Orchester und dem wohl populärsten „Monsieur Loyal“ unserer Tage.


Uronov, Duo Passion, Robin Valencia

Die Urunovs präsentieren ihre Kombination aus Reitkunst und Dressur von Windhunden, nachdem Komiker Housch-Ma-Housch Licht und Ton aktiviert hat, sowie die feierliche Ouvertüre über den Manegenboden gegangen ist. Die Verbindung von Hoher Schule zu Pferd und vom Dogcart aus mit der Vorführung von vier Windhunden ist originell, ihr Auftreten äußerst stilvoll. Kleine Schweinchen, Ziegen, Hund sowie Pony sind die diesjährigen Manegenpartner von Regina Bouglione. Die Vierbeiner beweisen ihr Talent als Hürdenspringer, Balancekünstler und wagen zum Schluss gar eine Rutschpartie. Komplettiert werden die Tierdressuren vom afrikanischen Elefanten Micki, der seine Tricks unter Anleitung von Diana Rhodin zeigt.

Kraftvoll, spritzig, elegant – diese Attribute charakterisieren die Hand-auf-Hand- bzw. Hand-auf-Kopf-Akrobatik der Curatolas. Die Artisten in Nadelstreifen wirbeln nach ihrem Intermezzo beim Zirkus Charles Knie nun durch die Manege des Cirque d’hiver. Die steilen, weit nach oben reichenden Sitzreihen des Baus geben dem Besucher die Möglichkeit, Luftnummern „auf Augenhöhe“ zu erleben. So ist es ein ganz besonderes Erlebnis, das Duo Passion mit ihrer Kür an Tüchern zu „Nothing else matters“ aus dieser neuen Perspektive zu erleben. Mit einem großen Knall geht es in die Pause. Robin Valencia lässt sich bei ihrem zweiten Engagement im Bouglione-Bau mit Hilfe einer Kanone über die volle Länge der Manege schießen, um sicher auf einem Luftkissen zu landen.


Truppe Dalian, Mikael und Venko, Irina Bouglione

Nach der Pause geht es spektakulär weiter. Das Todesrad ist aufgebaut und wird von Duo Mikael & Venko in Schwung gehalten. In klassischen Kostümen zeigen sie u.a. den Lauf mit verbundenen Augen sowie das Seilspringen auf dem Außenrad. Die Kombination aus Luftreif und Wasserbassin kennen wir bereits. Irina Bouglione aber zeigt ihre eigene Version. Das beginnt bereits beim Requisit in der Form eines mit Wasser gefüllten aufgeschnittenen Diamanten, welches aus dem Bühnenboden erscheint und in immer wieder neuen Farben erleuchtet wird. Der Schwerpunkt ihrer Kür liegt im Wasser, der Luftring ist eher Nebensache. Es ist in erster Linie eine Schaunummer. Wenn sie von einer solch schönen Frau wie Irina Bouglione dargeboten wird, schaut man gerne zu. Leistung steht dann wieder beim Hochgeschwindigkeits-Jongleur Mario Berousek im Vordergrund, wenngleich auch er sich und die aberwitzigen Touren mit seinen Keulen glänzend zu verkaufen weiß. Das Publikum tobt. Sieben Chinesinnen tun das, wofür diese Nation weltweit bekannt ist – Radfahren. Ihre Choreographie beinhaltet Sprünge von Rad zu Rad und Fahrten in reizvollen Formationen.


Housch-Ma-Housch, Toto Chabri

Kommen wir zur dritten Säule der Show, der Clownerie. Diese ist doppelt besetzt. Zum einen ist da der bereits erwähnte Comedian Housch-Ma-Housch, der sich auf deutsch, englisch und französisch durchs Programm spielt. Mal präsentiert er sein flauschiges Haustier, mal kämpft er gegen mysteriöse Hände, dann wieder versucht er zu musizieren und veranstaltet dabei ein großes Chaos mit Hilfe einer Rolle Klebeband. Immer ist dabei irgendetwas „kaputt“. Sehr zur Freude des Publikums, denn Housch-Ma-Housch „räumt ab“. Für mich persönlich waren die beiden Auftritte von Toto Chabri und seinen Partnern die komischen Highlights des Programms. Im ersten davon wird auf- und abgeladen, musiziert und es werden allerlei Albernheiten mit Teller und Ei angestellt. Im zweiten begeistert der ausgebildete Musiker und Tänzer als komische Ballerina. Wenn man ihn quicklebendig und höchst beweglich durch die Manege toben sieht glaubt man kaum, dass Toto Chabri bereits 75 Jahre als ist. Erst aus nächster Nähe bei der Autogrammstunde in der Pause erkennt man, dass dieser Mensch schon ein paar Jahrzehnte auf dieser Welt unterwegs ist.

Soweit die einzelnen Darbietungen von „Vertige“. Nun zu den Dingen, die die besondere Wirkung der Show ausmachen. Auf dem Orchesterpodium führt nach dem Tod von Tony Bario nun Pierre Nouveau den Taktstock über die 11 Musikerinnen und Musiker. Traumhaft, wie sie mit ihrem vollen Sound jeden einzelnen Programmpunkt aufwerten. Für die Moderation ist wiederum der Monte Carlo-erfahrene Sergio verantwortlich, der mit Souveränität und Nonchalance durch den Abend führt. Ständige Begleiterinnen sind ebenfalls die Damen des Balletts, hier Salto Dancers genannt. Die Aufmachung ihrer Auftritte ist in dieser Produktion teilweise etwas schrill geraten. Aber eben nur teilweise, wie auch der Einsatz des Lichts an einigen wenigen Stellen übertrieben bunt erscheint, insgesamt aber einen überzeugenden Eindruck hinterlässt. Hochglanzcircus eben, der aus dem Vollen schöpft und beim Grande Finale noch einmal alle Register zieht.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch