Lille, 4. November
2007: Seit 1987 gibt es diese Circusveranstaltung als Nachfolger
des seit 1956 veranstalteten “Cirque de la Voix du Nord”. Als
die Zeitung “Stimme des Nordens” ihr Engagement 1986 beendete
kreierte Jean Pierre Panier seine eigene Show “Fete Lilloise du
Cirque” deren Leitung er bis 1996 inne hatte und somit 40 Jahre
als Circusdirektor erlebte. Seither ist Thierry Feery der
Veranstalter und er verlegte den Spielort aus der Halle bzw. dem
Theater ins Chapiteau. Nur wenige Gehminuten vom zentralen Platz
der Innenstadt entfernt, ist der Circus auf dem geräumigen
Champs du Mars zu finden.
In diesem Jahr war
das große Chapiteau des Circus Arena zum zweiten Mal Spielstätte
des Circus in Lille. Zusammen mit Vorzelt und dem bekannten
Fassaden/Durchgangswagen bietet es einen kompakten Anblick.
Lediglich die Kasse im Innern von zwei neutralen Bürocontainern
vermittelt keine Circusatmosphäre. Zwei große Tore im Zaun sind
offen, so dass der geneigte Interessent jederzeit ungehindert
das Circusgelände betreten kann. Es brauchte ein wenig Glück um
noch Karten für die anvisierte Vorstellung an der Kasse zu
ergattern. Die wenigen Rest-Einzelkarten lagen natürlich nicht
in optimaler Sichtlinie zur Manege und so fiel die Ausbeute an
guten Fotos diesmal gering aus. Für das vergangene Jahr
veröffentlichte der Veranstalter eine Besucherzahl von über
80000 bei 46 Vorstellungen. Dieser große Zuspruch hängt
sicherlich auch mit den äußerst moderaten Eintrittspreise von €
7,- bis 18,- für einen Erwachsenen zusammen. In erster Linie
können sich die Besucher allerdings sicher sein, qualitativ
hochwertige Programme geboten zu bekommen. Und so kann man denn
auch das diesjährige ganz einfach mit “ganz großer Circus”
treffend überschrieben werden.
Wirkte das Arenazelt während
der letztjährigen Holland-Tournee leer, kalt und steril, hat man
es hier geschafft für viel Atmosphäre zu sorgen. Ausverkaufte
Ränge, ein etwas kleinerer geschmackvoller Artisteneingang, eine
hervorragende sehr akzentuiert eingesetzte Lichtanlage und sehr
viel Dunst aus der Nebelmaschine sind die Zutaten. Nicht zuletzt
natürlich auch das hervorragende neunköpfige Orchester unter
Leitung von Krzytof Majewski, dass ausnahmslos alle Nummern live
begleitet, trägt seinen Teil zum gelingen der Show bei. Thierry
Feery begleitet das Geschehen als stets eleganter und eloquenter
“Monsieur Loyal” und nach kurzer Begrüßung geht es gleich furios
los.
Roger Mettin, Duo
Garcia, Rubtsov-Truppe
Die zwölfköpfige
Rubtsov-Truppe zeigt ihre vielfältigen Sprungkombinationen über
die Trampoline, die Trickfolgen immer wieder aufgelockert durch
Intermezzi mit den vier weißen Schlittenhunden. Im Anschluss die
heute äußerst seltene Darbietung eines Jongleurs zu Pferd. Roger
Mettin hat seinen Auftritt, in den ebenfalls einige Hunde
integriert sind, folkloristisch gestaltet. Im Zigeunerlook
wirbelt er die als Früchte dekorierten Jongleurutensilien, die
ihren Platz stilecht auf einem Marktkarren haben, gekonnt und
sicher durch die Luft. Bonbon und Tina begeistern mit ihrem
Badminton-Match der besonderen Art. In einer zweiten Reprise
sehen wir Bonbon mit vier “Kollegen” an Stangen tanzen. Die sehr
akribisch nachgebildeten Puppen bewegen, ohne sichtbare äußere
Einwirkung, synchron die Köpfe und den Mund. Die
Publikumswirkung ist um einiges größer als bei ähnlichen
Auftritten anderer Clowns. Verblüfft reagiert das Publikum, als
Pablo Garcia und seine Partnerin aus ihrer chromglänzenden, sehr
schnell unter der Kuppel kreisenden, Rakete erscheinen. Bei
vielen wandelt sich die Verblüffung in leichte Anspannung
während sie gebannt der ungesichert ausgeführten rasanten
Trickfolge beiwohnen.
Arena Kids, Spyder
Fly, Petra und Roland Duss
Petra und Roland Duss und ihre
vier Seelöwen erobern die Herzen der Zuschauer im Sturm. Eine
tolle Demonstration, was im vertrauensvollen Zusammenwirken von
Mensch und Tier möglich ist. Hervorragende einmalige Tricks, so
z. B. wenn ein Seelöwe sich selbstständig einen Ball vom Boden auf
die Nase bugsiert, oder ein kleiner Terrier auf einem Tier
reitet, zeugen vom hohen Können der Tierlehrer. Als Pausennummer
zeigen die “Arena Kids” ihre erstklassige Jockeyreiterei. Die
vier Enkel von Benny Berdino und zwei Kinder von René Casselly,
von diesem werden sie trainiert, begeistern mit vielfältigen
und sehr sicher vorgetragenen Tricks. Der gerade elfjährige René
jun. springt Rückwärts- und Vorwärtssalto auf dem Pferd, Salto
von Pferd zu Pferd und einen Rückwärtssalto vom Zweimannhoch auf
das nachfolgende Pferd. Die Gruppe Spyder Fly war während der
Saison bei Arena in Dänemark zu sehen. Die sieben jungen
Chinesen arbeiten in sehr großer Höhe unmittelbar unter der
Zeltkuppel und sehr großem Abstand zum Fangnetz. Drei stehende
Fänger und ein weiterer an einem schwingenden Trapez unter dem
Mittleren lassen vielfältige Flugkombinationen zu. Die sehr
jungen Flieger, ein Junge und zwei Mädchen, zeigen alle üblichen
Tricks bis hin zum dreifachen Salto und dreifacher Pirouette.
Hier ist die Bezeichnung “fliegende Menschen” berechtigt und
weit mehr angebracht, als bei vielen klassischen
Flugtrapez-Nummern.
Miguel Ferreri,
Amedeo Folco, Don Christian
Als zweiter Reprisenclown war
Don Christian, vor Jahren der Partner von Milko bei Herman Renz
in Holland, zu sehen. Zu Beginn wärmt er das Publikum mit seiner
Variante des Klatschwettbewerbs auf. Er spielt mit Glocken und
seine dritte Reprise vereint ihn, vier Herren aus dem Publikum
sowie einen Circusmitarbeiter aus dem Publikum im Boxring. Rosi Hochegger und ihr
“komisches Pferd” Scout kommen auch in diesem Programm gut an. Mit großer Grandezza agiert
Miguel Ferreri auf dem Tanzseil und zeigt eine klassische
Disziplin, die heute nur noch selten in den großen Manegen
anzutreffen ist. Zwei große indische
Elefantenkühe im Zusammenspiel mit zwei Schimmeln bringt Amedeo
Folco in die Manege. Die modern und glamourös aufgeschirrten
Pferde harmonieren perfekt mit den beiden Dickhäutern, die ihre
Arbeit willig und ohne Hakeneinsatz verrichten.
Circus Alle
“Circus Alle” nennt sich die
junge elfköpfige Artistenschar aus Moskau, die mit ihrem
veritablen Charivari Schlusspunkt eines großartigen
Circusprogramms ist. Die Kinder und Jugendliche ähneln im Stil
stark der Truppe Bingo und beginnen mit einer Gruppenjonglage
mit Ringen. Viele individuelle Tricks aus verschiedenen
Disziplinen schließen sich an und werden endlich immer mehr in
die Abläufe des Seilspringens eingebunden. Insgesamt ein sehr
abwechslungsreicher, leistungsstarker, junger und frischer
Auftritt, der das Publikum begeistert.
Im kurzen
Finale zeigt sich erst, wie groß die Zahl der Mitwirkenden
dieses Programms, in dem nur die Clowns mehrere Auftritte
absolvierten, ist. Mit einem Feuerwerk endet die Veranstaltung,
die keine Wünsche offen lässt, außer höchstens dem leisen
Bedauern, dass es in diesem Jahr keine Raubtierdarbietung zu
sehen gab. |
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