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Cirque d'hiver Roermond 2007
www.cirque-dhiver.nl

Roermond, 28. Dezember 2007: Diskussion zwecklos, die 2007er-Show des Roermonder Cirque d’hiver war die schönste Circusvorstellung, die ich in der Weihnachts-Saison 07/08 gesehen habe. Allein das Ambiente, ein zur Circusmanege umgebauter Theatersaal im Roermonder Hotel de Oranjerie verspricht einiges. Wenn dann aber das Licht ausgeht, das grandiose 16-köpfige Orchester unter der Leitung von Wim Hamans ansetzt und Sprechstallmeister Olaf van Eijndhoven auf wunderbar distinguierte Art das Publikum begrüßt, ist man Mitten drin in einer Circusshow, die es in sich hat und nicht nur in puncto Verkauf, sondern auch in Sachen Programm-Qualität keine Wünsche offen lässt.


Karlo und Billy, Familie Casselly, D'Holmikers

Los geht es mit der furiosen Katzendressur von Vlad Olandar. Gleich zwei Mal zu sehen ist das Duo Yingling, das insbesondere mit seiner Kombination von Hand-auf-Hand-Akrobatik, Kontorsion und Antipoden-Spielen beweist, dass chinesische Darbietungen nicht unbedingt seelenlos sein müssen. Ebenfalls zwei Mal ist die Familie Casselly zu sehen. Im ersten Teil mit einer großen Pferderevue, 6er-Zug Andalusier und Hohe-Schule-Elementen, und im zweiten Teil mit ihrer temperamentvollen ungarischen Post zu Elefant. Perfekt choreografierten Nonsens bieten die Schweizer Reck-Monster D’Holmikers. Mit Karlo und Billy, die in Kostüm und Maske an lebende Comicfiguren erinnern, gibt es außerdem originelle russische Clowns. Die Sorellas rocken mit ihrer intensiven Trapez-Darbietung natürlich auch in Roermond das Haus. Und als Pausennummer wirbeln die Ukrainer „Flying to the Stars“ zu Musik von Prodigy – selbst „Firestarter“ wird vom tollen Orchester live gespielt – am Reck.


Kanakovi, Marylou Casselly, Finale

Nach der Pause präsentiert Redi Christiani dann seine von Nock bekannte Tigergruppe. Marylou Cassellys Arbeit an den Tüchern wird durch Livegesang perfekt verkauft. Die Truppe Kanakov zeigt ihre mitreißende und leistungsstarke Nummer am russischen Barren leider zu Band-Musik. Am Ende der Show steht dann mit der kraftstrotzenden Handstandkür von Encho Keryazov das Highlight der Show. Unglaublich wie bei dem Bulgaren Leistung, Ausdrucksstärke und musikalische Begleitung ein perfektes Zusammenspiel eingehen. Gänsehaut erzeugend!


Rigolo

Will man denn unbedingt Kritik üben, gibt es nur zwei Ansatzpunkte: 1. Der Bambusstengel zu einem fragilen Mobile zusammensetzende Rigolo bleibt ein Fremdkörper, der das Tempo der Show unnötig ausbremst. Und 2. ist die klassische Ballettszene im ersten Teil vielleicht etwas zu lang geraten. Insgesamt aber kann ich dem Urteil des Publikums, das kaum, dass sich der Vorhang zum Finale geöffnet hat, mit den Füßen abstimmt und sich wie ein Mann zu stehenden Ovationen erhebt, nur zustimmen. Bravo! Den Vergleich mit dem originalen Cirque d’hiver in Paris muss die holländische Version im übrigen nicht scheuen.

Auch wenn die Atmosphäre im Pariser Circusbau natürlich unvergleichlich ist und das Lichtdesign wesentlich aufwendiger, trumpft Roermond mit einem intimeren Ambiente, stimmungsvollem Licht und einer nicht minder grandiosen Kapelle auf. Und hat darüber hinaus einen entscheidenden Vorteil: das eindeutig stärkere Programm. Selbiges ist natürlich nicht mit dem solcher Leistungsschauen wie dem Weltweihnachtscircus in Stuttgart vergleichbar, dafür gibt es in Roermond etwas, was man in Stuttgart vergeblich sucht: Ganz viel Atmosphäre, Herz und Seele. Was vielleicht auch daran liegen mag, das der holländische Cirque d’hiver eine absolut unkommerzielle Veranstaltung ist, bei der mit Ausnahme der Artisten nur ehrenamtliche Helfer beteiligt sind.

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Text und Fotos: Sven Rindfleisch