Dazu erklingt eine mitreißende, fantastisch gespielte Musik. Wer
hier der „Boss“ ist, wird dem Betrachter sofort klar. Es ist der
Herr im feinen Anzug, der einen eleganten weißen Hut trägt –
Alexis Gruss. Er hat dieses Spektakel erdacht, er ist
tatsächlicher der Boss - nicht nur in dieser Szene. Er ist
Direktor dieses französischen Nationalcircus, der seinen Namen
trägt. Genauso wie diese Eröffnung, ist die gesamte 35.
Produktion unter dem Titel „Gipsy“ mit sehr viel Liebe gemacht.
Liebe zum Detail, Liebe zum Circus und damit letztendlich Liebe
zum Publikum. Im Cirque Alexis Gruss wird Circus mit einer
Leidenschaft erdacht und gespielt, wie man sie nur noch sehr
selten findet. Umso mehr sind die Besuche im „Cirque a l'ancienne“
immer wieder ein Hochgenuss.
Gipsy, Stephan und Laure Gruss
Einen großen
Anteil daran hat ebenfalls Stephan Gruss, ältester Sohn von
Alexis und Gipsy. Er hat wiederum Regie geführt. Er ist es auch,
der die Gruppenjonglage aus dem Opening aufgreift und in der
ersten Darbietung mit Keulen solistisch fortsetzt, während quasi
nebenbei die Requisiten der Eingangsszene aus der Manege
verschwinden. Sein Bruder Firmin hat in Samuel Brunaud einen
grandiosen Mitspieler für seine Clownerien gefunden. In ihrem
ersten Auftritt versuchen sich die beiden als Musiker mit
Flamenco. Der Versuch endet mit einem ordentlichen Schluck aus
dem Fass. Elegant reitet Gipsy Gruss die Hohe Schule. Reiterin
und Pferd tragen ein dem Programmtitel entsprechendes Outfit.
Die passende Musik unterstützt die Wirkung der Reitkunst
ungemein. Als Nachwuchshirte in Weste und kurzer Hose agiert
Louis Gruss. Mit der Gerte dirigiert er Gänse, Laufenten und
Ziegen durch die Manege, lässt sie balancieren und schickt sie
zum Abschluss auf eine Rutschpartie. Gleich drei Elemente der
Luftakrobatik vereint Laure Gruss in einer Darbietung. Sie
beginnt am Vertikalseil, steigt um auf das Trapez und zeigt
anschließend einen Deckenlauf. Auch diese Darbietung gewinnt
enorm durch Verkauf, Kostüm und Musikbegleitung. Das Zuschauen
macht einfach Spaß. So verwundert es nicht, dass sich in er
Manege ein jugendlicher Liebhaber einfindet, welcher an einer
Laterne auf seine Angebetete wartet. Der vermeintliche Liebhaber
ist Firmin Gruss, die Laterne wird von ihm als schwankender Mast
für akrobatische Einlagen genutzt. Das Werben um die Liebste
endet etwas anders, als sich der Werbende das gedacht hat. Eine
köstliche Geschichte, in der die Artistik wie nebenbei serviert
wird.
Alexandre und
Charles Gruss
Der Cirque Alexis
Gruss ist bekannt für seine außergewöhnlichen Pferdedressuren,
die bereits mit mehreren „Clowns“ in Monte Carlo ausgezeichnet
wurden. Mit vier Friesen und vier Braunen stellt der Direktor
des Hauses diese besondere Klasse im aktuellen Programm unter
Beweis. Wenngleich die Nummer bei unserem Besuch im Dezember
noch nicht ganz fertig scheint, werden anspruchsvolle Figuren
gezeigt. So kommen die Tiere beispielsweise schon walzend in die
Manege. Die ganze Vorführung wird von Alexis Gruss mit einer
Ruhe und Souveränität geleitet, wie sie nur ein Meister dieses
Faches an den Tag legen kann. Ungeheuer stimmungsvoll ist die
Darbietung vor der Pause, in der sich zwei Enkel von Alexis
Gruss bei Ritterspielen beweisen müssen. Und diese Aufgabe
meistern Alexandre und Charles perfekt. Zunächst liefern sich
sich einen Schwertkampf, während in der Manege ein Feuerkreis
lodert. Vater Stephan sorgt für den Ritterschlag der beiden
Jungsporne. Sodann geht es aufs Pferd. Stehend wird mit Pfeil
und Bogen auf eine Zielscheibe in der Manegenmitte gezielt. Mit
Äxten zeigen sie zunächst eine Jonglage zu Pferd. Anschließend
fliegen auch die Äxte Richtung Mitte, wo sie sicher in einem
Holzblock landen. Mit einer Keulenjonglage endet dieses furiose
Bild und damit auch der erste Teil des Programms.
Firmin Gruss und
Samuel Brunaud, Nathalie und Maude Gruss
Gleich fünf
verschiedene Kostüme präsentiert Maud Gruss bei ihrer Kür auf
dem Drahtseil. Mit den Kostümen wechseln auch Musik und Stil.
Mal spaziert sie im langen Rock im Gipsy-Look, mal im knappen
Trikot über das dünne Seil. Besonders hervorzuheben sind dabei
ihr Spitzentanz und ein Kopfstand auf dem Seil. Wasser und
Schaum spritzen beim Tapezierer-Entree von Firmin Gruss und
Samuel Brunaud durch die Manege. Des öfteren wird dieses Entree
auf die Wirkung der vordergründigen Schaumschlägerei reduziert.
Nicht so in diesem Fall. Die beiden Auguste sorgen mit viel
Spielfreude, neuen Ideen und einer umwerfenden Mimik dafür, dass
das Entree zu einem Spaß erster Güte wird. Auf wunderschönen
Andalusiern reiten Gipsy, Maud und Laura Gruss sowie Giorgia
Bain. Sie zeigen, im Zusammenspiel mit Alexis Gruss, ein
lebendiges Pferdeballett, in de Sprünge über Fahnen für den
besonderen Effekt sorgen. Nathalie Gruss verkörpert im nächsten
Auftritt eine Piratenbraut. Wunderschön anzusehen wie sie aus
dem durch wabernden Nebel dargestellten Meer an einem Anker gen
Kuppel gezogen wird. Dort zeigt sie ihre Akrobatikkür, wobei sie
den Anker zumeist wie eine Luftperche einsetzt. Den Abgang
zelebriert sie an leuchtend roten Tüchern.
Stephan, Firmin und Alexis Gruss
Fester Bestandteil
der Gruss-Produktionen sind Elefantendame Syndha und ihr
menschlicher Partner Firmin Gruss. Das Vertrauen zwischen diesen
beiden Persönlichkeiten wird dabei immer wieder auf eine ganz
besondere Weise spürbar. So läßt es Syndha zu, dass Firmin
sowohl beim Stand auf den Hinterbeinen als auch beim Kopfstand
auf ihr steht. Bei den Tricks am Schleuderbrett ist keine
weitere Person notwendig, die Kommandos gibt. Die beiden
absolvieren auch diese anspruchsvollen Passagen in
vertrauensvoller Partnerschaft. Das Grande Finale wird mit
mehreren Steigern verschiedener Pferde eingeleitet. Es beginnt
Louis Gruss mit einem Pony, sein Großvater übernimmt mit
ausgewachsenen Schönheiten aus dem eigenen Marstall. Und dann
erscheinen nochmals viele der Zigeuner, die beim Opening ein
ausgelassenens Fest gefeiert haben. Nun, um ihre Fähigkeiten als
Jockeyreiter zu beweisen. Mitreißende Stimmung, gewagte Tricks
und choreographisch geschickt gestaltetet Tanzeinlagen sorgen
für einen furiosen Schlusspunkt, der dieses Spectacle perfekt
abrundet Natürlich verabschieden sich die Akteure anschließend
gebührend vom Publikum. Alexis Gruss stellt alle Mitwirkenden,
die sich in einer Reihe aufgestellt haben, namentlich vor. Auch
das exzellente Orchester und die stimmige Lichtregie finden
Erwähnung. Sie alle zusammen haben für eine Circusshow gesorgt,
die ihresgleichen sucht. Was bleibt, ist die Vorfreude auf die
nächste Kreation im kommenden Winter. A bientôt.
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