Zeltanlagen auf dem
Bauschänzli, Foyer
Vorzelt
und einige Verbindungstunnel drängen sich dicht um das Spielzelt
und füllen zusammen mit drei Campings und dem
Wirtschaftsgebäude, im Sommer beherbergt die Insel einen
Biergarten unter den Kastanienbäumen, die Fläche restlos aus. Am
Ufer sind einige Frontzaunelemente installiert, und mit vielen
Lichtern wird eine zauberhaft verträumte Atmosphäre geschaffen.
Sobald man den mit einem Tunnel überbauten Steg zur Insel
betritt, befindet man sich in der geschmackvoll, üppig und edel
dekorierten Conelli-Welt: alle Bereiche mit rotem Teppich
ausgelegt, Gelegenheit die Garderobe abzugeben, die Conelli-Bar
mitten im Fluss mit dem wunderbaren Blick über die Zürcher
Altstadt, deren unzählige Lichter sich im Wasser widerspiegeln.
Im kleinen Foyer – während der Show dient es als „Sattelgang“,
es beherbergt zudem Verkaufsstände und Sektbar – bekommt jeder
Besucher von den Tänzerinnen des Balletts ein Sternchen auf die
Wange geklebt. Auf einer gläsernen Plattform schwebt ein Pianist
samt Flügel in der Kuppel und verbreitet mit seinem Spiel
weihnachtlich-festliche Stimmung. Im Chapiteau drängen sich zehn
Reihen Stühle – sie bieten 900 Personen Platz – in steilem
Anstieg um die kleine Manege und füllen den Raum restlos aus.
Ein klassischer Artisteneingang mit dem Orchesterpodium obenauf
und eine mehr als opulente Lichtanlage fallen sofort ins Auge.
Die drei, mit Geigen und Cello bewaffneten, Musikerinnen des
15-köpfigen Conelli-Orchesters intonieren während des Einlasses
in der Manege verschiedene klassische Stücke. Bei Conelli
arbeiten alle Artisten ausschließlich zu Livemusik. Können sie
keine Noten für ein großes Orchester vorlegen, schreibt
Kapellmeister Alex Maliszewski entsprechende Musik. Die
Lichtregie obliegt Robi Gasser und ist ihm nach allem Anschein
nicht nur Aufgabe, sondern auch Berufung. Kurz gesagt, so lässt
sich fast jeder Act als Spitzendarbietung verkaufen. Soviel zu
den Rahmenbedingungen – kommen wir nun zum Programm.
Shaman, Shaffik
Acrobatic Troupe, Fratelli Curatola
„Unforgettable“ – der Titel ist als Hommage an die
Verstorbenen Gerda und Conny Gasser gedacht. Bis auf den letzten
Platz sind die Ränge gefüllt, die Scanner zaubern einen
phantastischen Sternenhimmel – langsam senkt sich aus der hohen
Kuppel eine kreisförmige Projektionsleinwand. Auf ihr sehen wir
Bilder und Filmausschnitte – Conny als Clown, am Fangstuhl mit
Gerda, mit Delphinen und Seelöwen, aus dem Connyland und von
Conelli – von Stationen zweier erfüllter Leben. Das
Conelliballett tanzt, und Ringmaster Pino Gasparini singt „Wir
sind Artisten“, die Nate Jacobs Gospel Singers kommen im
Hintergrund hinzu, und ein kleines Charivari löst sich in den
Auftritt der Shaffik Acrobatic Troupe auf. Mit viel Schwung,
Esprit und Können wirbeln die marokkanischen Springer und
Pyramidenbauer umher, füllen die kompakte Manege aus, reißen mit
ihrer sympathischen Ausstrahlung das „hautnah“ sitzende Publikum
mit und aus eventuell vorhandener Sentimentalität heraus. Eine
kurze Flaggenparade beendet das Opening. Aus Russland kommt
Andrij Romanowskyy mit seiner originellen Klischnigg-Darbietung.
Faszinierende Tricks werden im Habitus eines Kaminkehrers
humorvoll geboten. Mit Gesang und Ballett im Al Capone-Stil wird
die folgende Hand-auf-Hand-Darbietung der Fratelli Curatola
passend eingeleitet. Routiniert und publikumswirksam verkaufen
die italienischen Sunnyboys ihre – zum Beispiel von Roncalli –
bekannte Darbietung. Shaman nennt sich Dmitry Chernov, der
eigenwillig und modern in schwarz und weiß gestylte Jongleur mit
Künstlernamen. Er arbeitet ausschließlich mit weißen Bällen, die
aus trichterförmigen Taschen, die am Kostüm angebracht sind, in
die Muster eingefügt oder darin gefangen werden. Diese neu
interpretierte Idee verleiht einer ansonsten recht
durchschnittlichen Jonglage etwas Originalität.
Gaston, Roli und
Pino Gasparini, Railway Circus Acrobatic Troupe, Chengdu Sichuan
Opera Ensemble
Seit vielen
Jahren sind Gaston und Rolli in der Conellimanege zu Hause. In
immer wieder wechselnden Reprisen und Entrees begeistern sie mit
Spielfreude, Ausstrahlung und Können. In diesem Jahr spielen
sie, als neue und originelle Idee, Schach und als weitere
Reprise die Gangsterszene. Ganz großes Theater, das diesjährige
Entree. Stilsicher, perfekt und originell agieren Nadja Gasser
als Restaurantchefin und Pino Gasparini als Gast sowie Gaston
und Rolli als trottelige Kellner im Stil von Stan und Olli.
Außergewöhnlich und faszinierend das „Face changing“ des Chengdu
Sichuan Opera Ensembles.
An der
Sichuan Opera wurde diese uralte traditionelle Kunst vor etwa
dreihundert Jahren aufgegriffen, ins Repertoire genommen und
immer weiter verfeinert. In Bruchteilen von Sekunden wechseln
die beiden Akteure die aufwendig bemalten Masken vor ihren
Gesichtern. Nicht zu erkennen, auch bei dem geringen Abstand zum
Zuschauer, „wie es funktioniert“. Auf der anderen Seite dauert
es bei etlichen Zuschauern eine Weile, bis sie bemerken, was die
Akteure eigentlich tun. Die chinesische Railway Circus Acrobatic
Troupe zelebriert die Kunst der Rola Rola-Artistik in
einmaliger, unglaublicher Weise. Flicflacs auf der Rola sowie
Tricks aus dem Repertoire der Handstand- bzw.
Hand-auf-Hand-Artisten werden mit spielerischer Leichtigkeit und
Selbstverständlichkeit geboten. Einmalig der Spitzentrick. Der
Untermann, unter dem Rolabrett einen Turm aus drei Walzen, hält
eine kleine Plattform über seinem Kopf, auf welcher der Obermann
ebenfalls einen Turm aus drei Walzen aufbaut. Dann drückt er auf
der Rola einen Handstand und hält ihn so lange, bis die
360-Grad-Drehung beider Akteure vollendet ist. Diese erfolgt
ohne Zuhilfenahme eines Drehtellers oder anderer Hilfsmittel.
George Schlick,
Iryna Pitsur, Flight of Passion
Direkt
nach der Pause bekommt das exzellente Orchester die ihm
gebührende Aufmerksamkeit durch einen entsprechenden Musikblock.
Dann die Überraschung des Programms – die Nate Jacobs Gospel
Singers. Der Auftritt eines Chores in einem Circusprogramm ist
mit Sicherheit ungewöhnlich. Die fünf Sängerinnen und drei
Sänger aus New Orleans, allesamt erstklassige Solisten, geben
dem Programm den besonderen Kick und ein klein wenig hat man den
Eindruck, „Sister Act“ live zu erleben. Das Ballett leitet über
zum „Flight of Passion“. Dimitrij und Olesya aus der Ukraine
haben sich eine außergewöhnliche Strapatendarbietung aufgebaut.
Elegante Flüge wechseln ab mit kraftvollen Tricks, wie man sie
sonst von Trapez oder Haltestuhl kennt. Perfekt präsentiert, mit
wunderbarem Licht und exquisiter Livemusik optimal unterstützt,
wird diese erstklassige Luftnummer in der Enge des
Conelli-Chapiteaus zu einem echten Highlight. Nahtlos der
Übergang der träumerisch-romantischen Stimmung beim unmittelbar
anschließenden Auftritt von Iryna Pitsur. Ihre ungewöhnliche
Hula Hoop Darbietung, hierzulande unter anderem von Roncalli her
bekannt, verfehlt auch in diesem Rahmen ihre Wirkung nicht.
Einzig gerät die musikalische Begleitung vielleicht eine Spur zu
elegisch. Diese Stimmung verfliegt sogleich, als George Schlick
die Manege betritt. Mit unnachahmlicher Nonchalance, Präsenz und
außerordentlichem Können zeigt er seine Kunst als Ventriloge.
Schnell wird deutlich, dass es nicht alleine genügt, seine
Darbietung als Vorlage der eigenen Nummer auszuwählen, um zu den
Großen des Genres zu zählen.
Nate Jacobs
Singers, Acrobatic Troupe Ruban, Hommage an Conny und Gerda
Gasser
Aus
Russland kommt die zehnköpfige Acrobatic Troupe Ruban, deren
Metier das Schleuderbrett ist. Ihre Sprünge auf ein Kissen
beziehungsweise die Schultern der Untermänner füllen die enge
Conellimanege restlos aus und führen auch weit hinauf in die
Kuppel. Eine großartige Finalnummer eines hervorragenden
Programms. Das Finale wird zelebriert, wie es heute oftmals zu
sehen ist, und wird so noch einmal zu einer eigenständigen
Nummer. Die Truppe Shaffik kommt nochmals zu einem kürzeren
Auftritt, Vorstellung der Artisten, Zugaben und immer wieder das
Ballett. Erstaunt stellt man fest, dass sich fünfzig Mitwirkende
zum Finale in der Manege eingefunden haben. Die Direktion,
Conellimitbegründer Herbi Lips sowie Robi Gasser mit Ehefrau
Cindy und Schwester Nadja, verabschiedet sich. Die Nate Jacobs
Singers erfreuen ein weiteres Mal mit ihrem umfangreichen
Repertoire, dann leert sich die Manege. Langsam kommen
nacheinander Gaston und Rolli sowie Pino Gasparini vor den
Vorhang, die Clowns schminken sich ab, und der Ringmaster singt
Frankie Boys „My Way“. Auf der inzwischen wieder herabgelassenen
Leinwand sind die überlebensgroßen Porträts von Conny und Gerda
Gasser zu sehen – die Manege ist leer.
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