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Darmstadt, 5.
Dezember 2008: Da Capo, das Darmstädter Weihnachtsvarieté
präsentiert sich in diesem Jahr bereits zum 16. Mal auf dem Karolinenplatz, mitten im Herzen der Stadt. „Hypnotic“ heißt die
neueste Produktion. Sie präsentiert Spitzenartistik in einer
Varietéshow der etwas anderen Art. Obwohl Veranstalter James „Jungeli“
Sperlich selbst ein waschechtes Circuskind ist und die
Da-Capo-Shows Jahr für Jahr in einem Zelt über die Bühne gehen,
hat die Veranstaltung mit Zirkus nicht mehr viel gemein.
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In diesem Jahr hat
Sperlich sogar erstmals auf eine Manege verzichtet und setzt
statt dessen auf ein Bühne, deren Ausmaße denen einer Opernbühne
ähneln (30 Meter breit, 18 Meter tief, 16 Meter hoch). Das
Publikum sitzt auf ansteigenden Ebenen an Zweier-, Vierer- und
Sechsertischen oder, auf den günstigeren Plätzen, in
Stuhlreihen. An drei Seiten läuft ein um zwei Meter erhöhter
Balkon um den Theatersaal, von dem aus man einen ungestörten
Panoramablick hat. Die Ausstattung ist wie immer prächtig:
Samtrote Fußböden, marmorierte Handläufen und Polsterstühlen für
jeden Besucher. Verändert präsentiert sich das Da-Capo-Varieté
auch von außen: Anstelle eines runden Circuszeltes hat James
Sperlich bei Canobbio in Italien ein rechteckiges Zelt mit nur
zwei, allerdings 32 Meter hohen Masten bauen lassen.
Überraschenderweise wirkt die 72 mal 60 Meter große Zeltstadt
von außen sehr kompakt, die gewaltigen Dimensionen des 45 Meter
langen Spielzeltes erschließen sich dem Besucher erst nach dem
Betreten. Statt 600 haben nun 700 Personen im „Royalpalast“
getauften Chapiteau Platz. Durch eine „Thermo-Zeltplane“ sollen
überdies massiv Heizkosten gespart werden. |
Lean
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Aber nicht nur mit
seinen Zeltanlagen, sondern auch mit der Show will Sperlich neue
Wege gehen. Durch den Einsatz allerlei technischer Gerätschaften
bemüht sich Sperlich, seiner Varieteshow ein modernes Antlitz zu
verschaffen. So werden die Artisten zum Beispiel von unzähligen
Scannern, Scheinwerfern und Projektionen ins rechte Licht
gerückt. Wobei manchmal ein sparsamerer Einsatz von Effekten
durchaus wünschenswert wäre. Dazu gibt es auch in diesem Jahr
ein vierköpfiges Ballett, Livemusik und eine kleine
Rahmenhandlung. Darin begleitet der Zuschauer die Sängerin Lean
durch einen Traum, in dem sie sich auf die Suche nach Leben,
Liebe und Glück macht.
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Lean überzeugt
dabei vor allem als ausdrucksstarke Chanson-Sängerin, gibt aber
auch eigens für Hypnotic komponierte Songs zum Besten. Etwas
teurer als im Circus sind angesichts all dieser Extras auch die
Eintrittspreise: Da-Capo-Tickets kosten zwischen 25 und 56 Euro. |
Rokashkov, Marco Noury, Kourbanov
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Das Geld ist
allerdings gut angelegt, denn bei Da Capo gibt es im Vergleich
zu so manch anderen Dinnershows ein artistisches Programm, das
keinen Vergleich zu scheuen braucht und das beste aus Varieté
und Zirkus zusammenführt. So trumpft „Hypnotic“ gleicht mit drei
Truppen auf. Immerhin zwei davon, die vom Circus Krone bekannte
Schleuderbretttruppe Catana und die Rokashkovs am Quadratreck,
sind sogar Preisträger eines silbernen Clowns. Schlussnummer
sind dennoch die Kourbanovs. Und zwar völlig zu recht. Nach den
Motorrad-Ikarier steht auch das vorher eher reservierte
Darmstädter Publikum Kopf. Die wohl in erster Linie auf die
eingangs erwähnte Weite des Spielzelts zurückzuführende
Reserviertheit des Publikums bekommt auch Picasso jr. zu spüren,
der es mit seinen Jonglagen ungewohnt schwer hat, den Kontakt
zum Zuschauerraum herzustellen. Gefeiert wird dagegen der
Strapaten-Artist Marco Noury, der wie das Hand-auf-Hand-Duo La
Brise und das Duo Zebastian Hunter und Anna Stewart Vigeland im
Varieté zuhause ist. Letzteres überzeugt mit einem sinnlichen
Tango am Trapez. Eher hemdsärmelig kommt dagegen der
italienische Komiker Marco Carolei daher. Er bleibt daher auch
der einzige Fremdkörper, in der ansonsten auf Stil und Klasse
bedachten Da-Capo-Show. |
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Text und Fotos: Sven Rindfleisch
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