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Neu-Ulmer Weihnachtscircus 2008
www.neu-ulm-weihnachtscircus.de

Neu-Ulm, 27. Dezember 2008: Nun hat auch Neu-Ulm seinen großen Weihnachtscircus. Auf die Beine gestellt wurde er von der Circus-Familie Böhm und „Eliszis Jahrmarktstheater“. Seit geraumer Zeit reisen die Böhms nicht mehr regulär mit ihrem Circus Mendes, sondern haben sich auf Sonderveranstaltungen spezialisiert. Unter anderem sind sie alljährlich im Sommer beim Möbelhaus Inhofer in Ulm-Senden engagiert und präsentieren dort ein Circusprogramm. Außerdem betreiben die Böhms, ebenfalls in der Nähe von Ulm, den Familienpark Westerheim mit Sommerrodelbahn, kleinem Zoo, Karussells und mehr.

Eliszi’s Jahrmarktstheater ist seit 13 Jahren im Höhenpark Killesberg in Stuttgart zu Hause. Hier werden den Besuchern ein historischer Jahrmarkt, Clownkurse, Kaspertheater, aber auch anspruchsvolle Abendveranstaltungen geboten. Kurzum, die Böhms sorgten in Neu-Ulm in erster Linie für  Circusaufbau und -programm, Eliszis für die Restauration – und dann kommt noch ein dritter Name ins Spiel: Matthias Bergstaedt, nach eigenen Worten einst Privatchauffeur Carl Althoffs und mit reichlich weiterer Circuserfahrung ausgestattet, tritt als „Circusmanager“ auf. Engagierte die Artisten, kümmerte sich um Marketing und Pressearbeit – alles sehr professionell –, sitzt auch an der Kasse und führt durchs Programm. Auf dem Volksfestplatz in Neu-Ulm wurde für das Weihnachtsgastspiel eine große Zeltlandschaft geschaffen: Von der Front mit mehreren nostalgischen Oberlichtwagen gelangt man in einen größeren Zweimaster, das Vorzelt mit weihnachtlichem Schmuck und Verkaufsständen rundherum. Ein weiteres Chapiteau ist eigens als zusätzlicher Restaurant-Bereich für die Bewirtung bei Firmen-Weihnachtsfeiern und ähnlichem aufgebaut, beliefert von einem Ulmer Partyservice. Gespielt wird schließlich in einem großen Viermaster des Circus Bonanza (Sperlich). In den Logen stehen schwere Holzklappstühle mit Sitzkissen, dahinter erstreckt sich ein Gradin mit Bankreihen ohne Rückenlehnen. Die vielen Sturmstangen und der schlichte Artisteneingang sowie die in eine Mischung aus Straßenkleidung und kunterbunte Livrees gewandete (aber fleißig arbeitende!) Requisiteurstruppe tragen ihr übrigens dazu bei, dass man sich um einige Jahrzehnte zurückversetzt fühlt – so stellt sich der 31-jährige Autor Circus zu Zeiten seiner Geburt vor: ein reines Nummernprogramm mit guten Darbietungen, aber Abstrichen bei Ambiente und Komfort. Ein kleines Orchester, im Frühjahr noch mit dem „Österreichischen Nationalzirkus Louis Knie“ (Direktion Krames) unterwegs, thront über dem Artisteneingang und überzeugt mit gutem Spiel; das Licht schließlich ist in der Tat von heute – geliefert von einer Eventfirma aus der Region und montiert an drei horizontale Metallträger zwischen den Masten.


Truppe Drobot, Elisabeth und Danny Axt, Floor Legendz

Kommen wir nach so viel Vorrede zum Programm. „Wenn man’s macht, dann gleich richtig, sonst wird’s nichts“: Mit diesen Worten kommentiert Circusdirektor Böhm die beeindruckende Zusammenstellung starker Nummern. Elisabeth Axt glänzt im Kopfstand auf dem gleichzeitig schwingenden und sich drehenden Washington-Trapez sowie bei einer Handstandkür; ihr Mann Danny ist beim gemeinsamen Auftritt in der trickreichen Einrad-Nummer der Hauptakteur. Aus der Familie Böhm stammt Veno Mendes mit einem Viererzug Pferde; zu Eliszi gehören die beiden Breakdance-Jungs, die sich als „Floor Legendz“ präsentieren.


Beatrix Hölscher

Pech hatte man mit den engagierten Tierdressuren aus dem Hause Fliegenpilz: Einer der beiden Seelöwen arbeitete krankheitsbedingt nicht richtig (befindet sich aber nach Circus-Angaben in tierärztlicher Behandlung), die Exotendressur bot ein Bild des Jammers: Bei der Präsentation der sechs Zebras durch Beatrix Hölscher war kaum zu erkennen, welche Tricks eigentlich gezeigt werden sollten; es folgte ein kurzer Auftritt dreier exotischer Rinder, eines Kamels und zweier Guanakos. Das Nashorn war kurz nach der Premiere nur noch im Stallzelt zu sehen. Fazit: Ohne Junior Lars Hölscher, der die Tiere im Circus Fliegenpilz vorgeführt hatte, geht es nicht.


Trio Gaspar, Eliszi, Tomas Ringel

Durch großes Trickrepertoire und hautnahen Kontakt zu den fünf Löwinnen zeichnet sich dagegen die Raubtierdressur von Thomas Ringel aus. Seine Frau Olga ließ im ersten Programmteil überaus gekonnt die Hula-Hoop-Reifen kreisen. Poetisch und theaterhaft, aber dennoch lustig verkörpert Clownin Eliszi (die Namensgeberin besagten Jahrmarkstheaters) eine außergewöhnlich Sparte der Komik, wie sie im Circus sonst kaum zu sehen ist. Sie eröffnet das Programm stimmgewaltig und voll Poesie mit einem Circuslied und hat ihren besten Auftritt im zweiten Teil. Beim Käfigabbau taucht sie auf unterm einem Regenschirm, aus dessen Spitze es regnet – intoniert dabei „Singin’ in the Rain“, befeuchtet einige Besucher mit Regentropfen und findet, welch Überraschung, in einer Loge schließlich ihre „Jugendliebe“ Fritz. Dieser „Fritz“ muss dann auch mit in die Manege und dabei helfen, an das viel zu hoch eingestellte Mikrofon zu kommen. Der absurd-witzige Höhepunkt des Treibens: „Fritz“ kniet auf allen Vieren in der Manege, Eliszi steht auf seinem Rücken und singt das berühmte Lied aus der Oper "Carmen“. Ein hinreißend lustiger Moment. Die Truppe Gaspar steuert mit ihrem eher unlustigen „komischen Taxi“ einerseits einen verzichtbaren Programmpunkt bei, zum anderen aber auch das absolute Highlight – eine dreifache Rola-Rola-Nummer zu mitreißender Latino-Musik. Der atemberaubende Höhepunkt ist die 360-Grad-Drehung von Reinaldo Monteiro auf einem Turm aus acht Säulen und Rollen. Mit einem abgefahrenen Repertoire an hohen Perches – unter anderem einem Salto auf einer kleinen Plattform an der Spitze einer Perchestange – und Salti und Schrauben am Russischen Barren beendet die Truppe Drobot aus der Ukraine beide Programmteile. Auch für diese Truppe gilt, insbesondere was die Kostüme anbelangt, das Motto: Circus wie vor 30 Jahren.


Elisabeth Axt

Die Organisatoren – Circusfamilie Böhm/Mendes, Eliszis Jahrmarktstheater und „Manager“ Matthias Bergstaedt – haben sich wirklich mächtig ins Zeug gelegt, um mit ihrem ersten Weihnachtscircus zu punkten: gute Werbung, großer Aufbau, großes Programm. Man darf nicht vergessen, dass es beste Absicht war, dem Publikum noch mehr zu bieten. Aber woher hätte man wissen sollen, dass die Fliegenpilz-Dressuren, vor Monaten gebucht, nicht dem gewohnten Standard entsprechen würden? Wer konnte ahnen, dass das Hochseil-Duo Guerrero, als Schlussnummer geplant, kurzfristig absagen würde? (Kurzfristiger Ersatz waren dann eine Vertikaltuchnummer von Helga Dobos und die ursprünglich nicht vorgesehenen Handstände von Elisabeth Axt). So oder so bedankten sich nach der besuchten Vorstellung sehr viele Besucher bei Matthias Bergstaedt, der im Vorzelt die herausgehenden Gäste verabschiedete, für das schöne Programm.

Unsere Empfehlung für die fest geplante zweite Auflage 2009: ein ähnlich starkes Programm bieten – an Ambiente und Komfort im Hauptzelt feilen – im Vorzeltbereich komplett auf die Eliszi-Nostalgie setzen und modernen Weihnachtskitsch ausmustern. Letztlich aber fühlten wir uns bei dieser Erstauflage bereits trefflich unterhalten.

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Text: Markus Moll; Fotos: Sven Rindfleisch