Komplett neu
produziert wurden im Verlauf der letzten Monate die prächtigen
Logenkästen. Sie sind in Gold gehalten und mit Elefantenköpfen
sowie Raubtierkörpern verziert. Ebenfalls neu ist der imposante
Artisteneingang mit einer gewaltigen Gardine aus dunklem Stoff
und dem Namenszug des Hauses darüber. Erwähnt seien hier auch
noch die „Kronleuchter“ im Zuschauerraum, welche Abbildungen von
Elefantenköpfen darstellen. Alles sehr geschmackvoll. Zusammen
mit der üppig bestückten Lichtanlage strahlt das Innere eine
gewisse Opulenz aus.
Nicolas Bouglione, Francesco
Shepperd, Pierre Paille
Eine Aufwertung gegenüber der Zeit
der Tournee erfährt auch das Programm. Im ersten Teil gibt es
ein klassisches Circusprogramm auf erfreulich hohem Niveau, mit
einem aufwändigen Lichtdesign und einem klassischen
Sprechstallmeister im edlen Livree. Da ist es hinnehmbar, dass
auf Livemusik verzichtet wird, zumal die Bandmusik von guter
Qualität ist. Pierre Paille ist der Monsieur Loyal des Hauses.
Der Mann mit dem grauen Vollbart ist einfach ein Sympathieträger
und ein Begleiter durch das Programm, wie man ihn sich wünscht.
Nach einer einleitenden Licht- und Soundshow sowie der Begrüßung
tritt Nicolas Bouglione zu seinen kleinen Raubkatzen in den
stilvollen Raubtierkäfig. Drei Pumas, zwei Leoparden und ein
schwarzer Panther gehören zu seiner Gruppe, die aufgrund ihrer
Zusammenstellung Seltenheitswert haben dürfte. Die Tiere zeigen
weite Sprünge, einen sogar mit Zwischenstation auf dem Rücken
ihres Tierlehrers, welcher eine große Nähe zu seinen Tieren
pflegt. So trägt er den Panther zu Beginn der Vorführung zu
seinem Postament und schmust mit einem aufgerichteten Leoparden,
der auf den Hinterbeinen steht und sich mit den Vorderpfoten an
Bougliones Oberkörper abstützt. Den Abbau des Käfigs verkürzt
Francesco von den Shepperd Clowns am Xylophon. Mit seiner
Schminke und der schräg aufgesetzten Mütze erinnert er im ersten
Moment ein wenig an David Larible. Dieser Eindruck täuscht
glücklicherweise. Wir erleben hier keine Kopie sondern eine
eigenständige Clownspersönlichkeit. Eine höchst sympathische
noch dazu.
Trio Gaspard, Pat
Bradford, Nistorov
Erstklassige Rola Rola-Artistik
mit dem Faktor drei bieten die Gaspards. Zunächst zu zweit, dann
– nachdem sich der Störenfried aus dem Publikum zum Artisten
„gestrippt“ hat – als Trio zeigen sie gleichzeitig
anspruchsvolle Balancen auf ungewöhnlichen Türmen aus Walzen,
Bällen und Metallgestellen. Höhepunkt ist die Balance auf acht
Walzen, gezeigt von jenem Artisten, der dem Cirque Bouglione als
Schwiegersohn der Direktion familiär verbunden ist. Während
Francesco gemeinsam mit drei Kindern aus dem Publikum
verschiedene Glocken zum Klingen bringt, wird hinter ihm ein
Holzboden aufgebaut. Dieser ist für eine gewöhnliche
Handstanddarbietung nicht unbedingt erforderlich. Anders ist es,
wenn diese mit flotten Stepptanzeinlagen verbunden wird. Diese
Kombination ist die Spezialität von Pat Bradford und Kate. Die
beiden sind Manegen- bzw. Bühnenprofis durch und durch. Und das
spürt man in jedem Augenblick ihrer Show auf vier Beinen und
zwei Händen. Im Duett zeigen sie rasante Tanzeinlagen, im Solo
zeigt er seine Equilibristik. Einmalig, wenn er sich im
Kopfstand zig Mal um die eigene Achse dreht oder wenn er seine
einarmigen Sprünge auf der Treppe auf einem langen Stück Weg
durch die Manege fortsetzt. Zusammen mit seinem Clownspartner
Roland und Sprechstallmeister Pierre Paille zeigt Francesco das
Bonbon-Entree, in das sie gleich noch eine Jonglage mit Tellern
und dank ihres Wasserspuckens ein halbes „Bienchen“ integrieren.
Wie sie zunächst zu dritt Bonbons produzieren und anschließend
zu zweit den Hut einer Dame aus der Loge ruinieren, ist einfach
hinreißend komisch. Besser habe ich dieses Entree selten
gesehen. Den Schlusspunkt unter den ersten Teil setzen die
Nistorovs mit ihrer rasanten Rollschuhartistik. Die Gruppe ist
inzwischen um eine dritte Dame ergänzt worden. Auf der
kreisrunden Requisit sind aber nur maximal drei Artisten
gleichzeitig zu sehen. Die Show ist nach wie vor spritzig und
riskant. Schön, dass wir sie im kommenden Jahr wiederum bei uns
in Deutschland erleben dürfen. Anschließend ist Pause, welche
von Pierre Paille und Francesco gemeinsam bei einer Tüte Popcorn
plaudernd angekündigt wird.
Ethel und Diana Biasani, Lilly
Nikita
Danach ist es mit dem klassischen
Circus, welcher eben noch in Bestform zelebriert wurde, vorbei.
Während im letzten Jahr die Zigeuner das Motiv für einen der
beiden Programmteile waren, ist 2009 das Thema „Bollywood“
gewählt worden. „Au Pays des Rois“ lautet der Titel für diese
Show, der uns in den Kulturkreis Indiens entführt und der auch
auf den Plakaten ansprechend visuell umgesetzt wird. Die
einzelnen Darbietungen erreichen nicht mehr die Qualität der im
ersten Teil gebotenen Circusnummern. Im Vordergrund steht
eindeutig die Show, welche durch ein eigenständiges Bühnenbild
und ein zwölfköpfiges Ballett getragen wird. Das Bollywood-Thema
wird dabei konsequent durchgehalten. Die Kostüme sind
originalgetreu, ebenso wie Szenerie und Musik. Immer wieder ist
das zwölfköpfige Ballett zu sehen, welches aus einigen
authentisch wirkenden Tänzerinnen (laut offizieller Information
sind sie aus Rajasthan) und weiteren Damen besteht, die
teilweise schon an anderer Stelle im Programm zu erleben waren. So kommt etwa auch der
weibliche Teil der Nistorovs zum Einsatz. Die gut durchdachte
Show wurde in nur einer Probenwoche in Brüssel umgesetzt.
Artistisch startet sie mit einer mystisch angehauchten
Darbietung am Vertikalseil, bei der Lilly Nikita in einem
schwarzen, mit Neonornamenten besetzten, Ganzkörperoutfit
insbesondere mit Elementen aus der Kontorsion glänzt. In
indischen Gewändern zelebrieren Ethel und Diana Biasini ihre
doppelte Säbelbalance. Zu ihrer Arbeit gehört unter anderem das
Überqueren einer Leiter mit einem auf der Stirn balancierten
Säbel.
Drago, Ethel Biasini, Riccardo
Canestrelli
Die afrikanische Elefantendame
Jenny hat ihren kurzen Auftritt in dieser Vorstellung gemeinsam
mit Alexandre Bouglione, bevor Francesco im Turban gewandet
seine unglaublichen Verrenkungskünste zeigt. Dabei verbiegt er
„seine“ Beine in die unglaublichsten Positionen und verrät das
schwer zu erratende „Geheimnis“ seiner elastischen Gelenke am
Ende selbst. Eine Freiheit „heiliger“ Rinder dirigiert Riccardo
Canestrelli im Maharadschakostüm. Die vier buntgefleckten Tiere
aus heimischen Gefilden wollen nicht so ganz nach Indien passen.
Nichtsdestotrotz zeigen sie eine anspruchsvolle Laufarbeit, die
einer Pferdefreiheit zur Ehre gereichen würde. Während in der
mit Teppich ausgelegten Manege die Damen des Balletts ihre
Bänder wehen lassen, schwingt sich die jugendlich-sympathische
Ethel Biasini an Tüchern in Richtung Circuskuppel, um dort eine
Vielzahl verschiedener Abfaller zu zeigen. Die Großillusionen
des sich geheimnisvoll gebenden Belgiers Drago und seiner
Partnerin sind leider zu konventionell, um wirklich begeistern
zu können. Die einzigen Knalleffekte bleiben die pyrotechnisch
erzeugten, mit denen die beiden ihre Zaubereien aufpeppen.
Bolaspiele im indische Stil zeigt zum Schluss eine Gruppe von
sechs Damen. Sie kombinieren diese mit dem von derartigen
Truppen aus Südamerika bekannten Trommelrhythmen.
Zwei
der Frauen erlebten wir im April noch beim Moskauer Staatscircus
in den Niederlanden im argentinischen Stil. Eine Einlage
des gesamten Balletts leitet über zum Finale, bei dem sich die
Manege mit einer stattlichen Anzahl an Mitwirkenden füllt, die
den begeisterten Applaus des Publikums entgegennehmen.
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