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Cirque Alexandre Bouglione - Brüssel 2009
www.bouglione.be ; 55 Showfotos

Brüssel, 19. September 2009: Nach einer Tournee durch zahlreiche belgische Städte kehrt der Cirque Alexandre Bouglione auch in diesem Jahr im September nach Brüssel zurück, um dort für gut zweieinhalb Monate zu spielen. Das Gastspiel in der Hauptstadt ist allerdings keine bloße Verlängerung der Sommersaison. Hier wird eine weitgehend neue Show mit aufwändiger Inszenierung und herausgeputztem Ambiente gezeigt. Das Spielzelt der vergangenen Monate dient in Brüssel als Einlasszelt mit Restauration und Kinderkarussell. Gespielt wird in einem deutlich größeren Chapiteau mit 1.500 Sitzplätzen. Diese werden in zwei Reihen Logen und einem zwölfreihigen Gradin ohne Rückenlehnen angeboten. Der Boden besteht aus verschraubten quadratischen Platten.

Komplett neu produziert wurden im Verlauf der letzten Monate die prächtigen Logenkästen. Sie sind in Gold gehalten und mit Elefantenköpfen sowie Raubtierkörpern verziert. Ebenfalls neu ist der imposante Artisteneingang mit einer gewaltigen Gardine aus dunklem Stoff und dem Namenszug des Hauses darüber. Erwähnt seien hier auch noch die „Kronleuchter“ im Zuschauerraum, welche Abbildungen von Elefantenköpfen darstellen. Alles sehr geschmackvoll. Zusammen mit der üppig bestückten Lichtanlage strahlt das Innere eine gewisse Opulenz aus.


Nicolas Bouglione, Francesco Shepperd, Pierre Paille

Eine Aufwertung gegenüber der Zeit der Tournee erfährt auch das Programm. Im ersten Teil gibt es ein klassisches Circusprogramm auf erfreulich hohem Niveau, mit einem aufwändigen Lichtdesign und einem klassischen Sprechstallmeister im edlen Livree. Da ist es hinnehmbar, dass auf Livemusik verzichtet wird, zumal die Bandmusik von guter Qualität ist. Pierre Paille ist der Monsieur Loyal des Hauses. Der Mann mit dem grauen Vollbart ist einfach ein Sympathieträger und ein Begleiter durch das Programm, wie man ihn sich wünscht. Nach einer einleitenden Licht- und Soundshow sowie der Begrüßung tritt Nicolas Bouglione zu seinen kleinen Raubkatzen in den stilvollen Raubtierkäfig. Drei Pumas, zwei Leoparden und ein schwarzer Panther gehören zu seiner Gruppe, die aufgrund ihrer Zusammenstellung Seltenheitswert haben dürfte. Die Tiere zeigen weite Sprünge, einen sogar mit Zwischenstation auf dem Rücken ihres Tierlehrers, welcher eine große Nähe zu seinen Tieren pflegt. So trägt er den Panther zu Beginn der Vorführung zu seinem Postament und schmust mit einem aufgerichteten Leoparden, der auf den Hinterbeinen steht und sich mit den Vorderpfoten an Bougliones Oberkörper abstützt. Den Abbau des Käfigs verkürzt Francesco von den Shepperd Clowns am Xylophon. Mit seiner Schminke und der schräg aufgesetzten Mütze erinnert er im ersten Moment ein wenig an David Larible. Dieser Eindruck täuscht glücklicherweise. Wir erleben hier keine Kopie sondern eine eigenständige Clownspersönlichkeit. Eine höchst sympathische noch dazu.


Trio Gaspard, Pat Bradford, Nistorov

Erstklassige Rola Rola-Artistik mit dem Faktor drei bieten die Gaspards. Zunächst zu zweit, dann – nachdem sich der Störenfried aus dem Publikum zum Artisten „gestrippt“ hat – als Trio zeigen sie gleichzeitig anspruchsvolle Balancen auf ungewöhnlichen Türmen aus Walzen, Bällen und Metallgestellen. Höhepunkt ist die Balance auf acht Walzen, gezeigt von jenem Artisten, der dem Cirque Bouglione als Schwiegersohn der Direktion familiär verbunden ist. Während Francesco gemeinsam mit drei Kindern aus dem Publikum verschiedene Glocken zum Klingen bringt, wird hinter ihm ein Holzboden aufgebaut. Dieser ist für eine gewöhnliche Handstanddarbietung nicht unbedingt erforderlich. Anders ist es, wenn diese mit flotten Stepptanzeinlagen verbunden wird. Diese Kombination ist die Spezialität von Pat Bradford und Kate. Die beiden sind Manegen- bzw. Bühnenprofis durch und durch. Und das spürt man in jedem Augenblick ihrer Show auf vier Beinen und zwei Händen. Im Duett zeigen sie rasante Tanzeinlagen, im Solo zeigt er seine Equilibristik. Einmalig, wenn er sich im Kopfstand zig Mal um die eigene Achse dreht oder wenn er seine einarmigen Sprünge auf der Treppe auf einem langen Stück Weg durch die Manege fortsetzt. Zusammen mit seinem Clownspartner Roland und Sprechstallmeister Pierre Paille zeigt Francesco das Bonbon-Entree, in das sie gleich noch eine Jonglage mit Tellern und dank ihres Wasserspuckens ein halbes „Bienchen“ integrieren. Wie sie zunächst zu dritt Bonbons produzieren und anschließend zu zweit den Hut einer Dame aus der Loge ruinieren, ist einfach hinreißend komisch. Besser habe ich dieses Entree selten gesehen. Den Schlusspunkt unter den ersten Teil setzen die Nistorovs mit ihrer rasanten Rollschuhartistik. Die Gruppe ist inzwischen um eine dritte Dame ergänzt worden. Auf der kreisrunden Requisit sind aber nur maximal drei Artisten gleichzeitig zu sehen. Die Show ist nach wie vor spritzig und riskant. Schön, dass wir sie im kommenden Jahr wiederum bei uns in Deutschland erleben dürfen. Anschließend ist Pause, welche von Pierre Paille und Francesco gemeinsam bei einer Tüte Popcorn plaudernd angekündigt wird.


Ethel und Diana Biasani, Lilly Nikita

Danach ist es mit dem klassischen Circus, welcher eben noch in Bestform zelebriert wurde, vorbei. Während im letzten Jahr die Zigeuner das Motiv für einen der beiden Programmteile waren, ist 2009 das Thema „Bollywood“ gewählt worden. „Au Pays des Rois“ lautet der Titel für diese Show, der uns in den Kulturkreis Indiens entführt und der auch auf den Plakaten ansprechend visuell umgesetzt wird. Die einzelnen Darbietungen erreichen nicht mehr die Qualität der im ersten Teil gebotenen Circusnummern. Im Vordergrund steht eindeutig die Show, welche durch ein eigenständiges Bühnenbild und ein zwölfköpfiges Ballett getragen wird. Das Bollywood-Thema wird dabei konsequent durchgehalten. Die Kostüme sind originalgetreu, ebenso wie Szenerie und Musik. Immer wieder ist das zwölfköpfige Ballett zu sehen, welches aus einigen authentisch wirkenden Tänzerinnen (laut offizieller Information sind sie aus Rajasthan) und weiteren Damen besteht, die teilweise schon an anderer Stelle im Programm zu erleben waren. So kommt etwa auch der weibliche Teil der Nistorovs zum Einsatz. Die gut durchdachte Show wurde in nur einer Probenwoche in Brüssel umgesetzt. Artistisch startet sie mit einer mystisch angehauchten Darbietung am Vertikalseil, bei der Lilly Nikita in einem schwarzen, mit Neonornamenten besetzten, Ganzkörperoutfit insbesondere mit Elementen aus der Kontorsion glänzt. In indischen Gewändern zelebrieren Ethel und Diana Biasini ihre doppelte Säbelbalance. Zu ihrer Arbeit gehört unter anderem das Überqueren einer Leiter mit einem auf der Stirn balancierten Säbel.


Drago, Ethel Biasini, Riccardo Canestrelli

Die afrikanische Elefantendame Jenny hat ihren kurzen Auftritt in dieser Vorstellung gemeinsam mit Alexandre Bouglione, bevor Francesco im Turban gewandet seine unglaublichen Verrenkungskünste zeigt. Dabei verbiegt er „seine“ Beine in die unglaublichsten Positionen und verrät das schwer zu erratende „Geheimnis“ seiner elastischen Gelenke am Ende selbst. Eine Freiheit „heiliger“ Rinder dirigiert Riccardo Canestrelli im Maharadschakostüm. Die vier buntgefleckten Tiere aus heimischen Gefilden wollen nicht so ganz nach Indien passen. Nichtsdestotrotz zeigen sie eine anspruchsvolle Laufarbeit, die einer Pferdefreiheit zur Ehre gereichen würde. Während in der mit Teppich ausgelegten Manege die Damen des Balletts ihre Bänder wehen lassen, schwingt sich die jugendlich-sympathische Ethel Biasini an Tüchern in Richtung Circuskuppel, um dort eine Vielzahl verschiedener Abfaller zu zeigen. Die Großillusionen des sich geheimnisvoll gebenden Belgiers Drago und seiner Partnerin sind leider zu konventionell, um wirklich begeistern zu können. Die einzigen Knalleffekte bleiben die pyrotechnisch erzeugten, mit denen die beiden ihre Zaubereien aufpeppen. Bolaspiele im indische Stil zeigt zum Schluss eine Gruppe von sechs Damen. Sie kombinieren diese mit dem von derartigen Truppen aus Südamerika bekannten Trommelrhythmen. Zwei der Frauen erlebten wir im April noch beim Moskauer Staatscircus in den Niederlanden im argentinischen Stil. Eine Einlage des gesamten Balletts leitet über zum Finale, bei dem sich die Manege mit einer stattlichen Anzahl an Mitwirkenden füllt, die den begeisterten Applaus des Publikums entgegennehmen.

Mit dieser Kombination aus starkem klassischen Circus und stimmungsvoller Bollywood-Show hat der Cirque Alexandre Bouglione eine sehr sehenswerte Vorstellung zu bieten. Beste Unterhaltung ist garantiert, der Besucher bekommt einen äußerst fairen Gegenwert für seinen entrichteten Eintrittspreis. Nicht zuletzt dank kreativer Kommunikationsmaßnahmen, wie einer Werbestraßenbahn, geschmackvollen Plakaten und der Kooperation mit einer Fast Food-Kette, dürfte auch dieses Brüssel-Gastspiel wieder ein Erfolg werden. Zu wünschen ist es dem Cirque Bouglione auf jeden Fall.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch