|
Amsterdam, 26.
Dezember 2009:
Wenn Stardust Circus International ein Programm zusammenstellt, dann
lässt das auch für den Circusfreund kaum Wünsche offen – das
gilt für Stuttgart genauso wie für die eigentliche
Heimatveranstaltung im Amsterdamer Theater Carre. Dort feiert
man in diesem Jahr mit großem Aufgebot das 25jährige Bestehen.
Und doch, so ganz überzeugen kann Stardust in Amsterdam nicht. Das liegt zum einem an der Architektur des Gebäudes.
Die steilen Ränge lassen zwar ungewohnte Sichtweisen auf das
Geschehen in der Manege zu, die ganze Vorstellung von oben herab
zu beobachten hat aber nicht immer ihren Reiz.
|
|
Zudem wird die
Theaterbühne ebenfalls als Sitzfläche benutzt, die Artisten und
Tiere kommen durch kleine Nebeneingänge in die Arena. Einen
prunkvollen Eingang, wie im Cirque d’Hiver in Paris, sucht man vergebens.
Hinzu kommt das auch die Programmzusammenstellung im ersten Teil
nicht gerade geschickt ist. Zu viele zu langsame Nummern nehmen
das Tempo aus der Show, das während der zweiten Hälfte durchaus
vorhanden ist.
Geraldine
Katharina Knie, Vertical Tango, Zhang Fan
Die einzelnen
Darbietungen hingegen überzeugen durch Leistung: das Duo Bobrov
mit ihrem Pas de Deux am Vertikalseil, die ebenfalls von
Roncalli bekannten Kostümillusion der Minasovs, die zumindest
ansatzweise Tempo in den ersten Teil bringen oder Zhang Fan auf
dem Schlappseil, der das Seil unter anderem im Handstand
überquert oder auf einer Leiter balanciert ohne zwischen den
einzelnen Tricks auf den Manegenboden zurückzukehren. Ebenfalls
im ersten Teil zu sehen ist der Vertical Tango von Sam Payne und
Sandra Feusi, der mit interessanten Figuren aufwartet, und als
Pausennummer die großartige Schleuderbrettdarbietung der Truppe
Kovgar. Zwei Tierdarbietungen komplettieren den ersten Teil:
Alexander Lacey mit seinen Raubtieren sowie Geraldine Katharina
Knie mit einen Pferde-Karussell. Alexander Lacey hat in der
besuchten Vorstellung einen schlechten Tag erwischt: der
Rachentrick entfällt, ebenso fehlt Löwenmann Massai beim
Hochsitzen, der doppelte Steiger gelingt erst im dritten Anlauf.
Insgesamt scheinen die Tiere nervös, wollen den Käfig verlassen
oder nehmen die falschen Postamente ein. Mit viel Ruhe gelingt
es Lacey dann dennoch die Nummer gewohnt zu Ende zu bringen.
Beim Pferde-Karussell der Knies hingegen läuft alles nach Plan.
|
Hans Klok |
Der
zweite Programmteil setzt dann wesentlich mehr auf Tempo. Zu Beginn
gibt es ein Fliegendes Trapez aus Nordkorea. Als Höhepunkt wird
gleich zweimal der vierfache Salto Mortale sicher gesprungen! Eine
Leistung, bei der selbst der ansonsten sehr informativ aber
zurückhaltend agierende Sprechstallmeister Tony Wilson förmlich
ausrastet und die beiden Akteure, darunter eine Fliegerin,
überschwänglich beglückwünscht. Danach drehen die Fahrradgirls aus
China durch das Amsterdamer Rund. Nachdem Fumagalli und sein Bruder
Daris im ersten Teil bereits als Fumaboys in Erscheinung traten,
spielen beide natürlich auch ihren Lachschlager „Bienchen,
Bienchen…“, der aber eindeutig am Sprachwirrwar aus Englisch,
Deutsch und einigen Brocken Niederländisch leidet. Danach setzt
Stardust aber noch einen darauf: zu mitreißender Musik drehen die
Fratelli Errani ihre Pirouetten und Sali, dann geht’s in die Luft
mit den diesjährigen Gewinnern des „Goldenen Clowns“, den Flight of
Passion. Schwierigste Tricks (z.B. mehrere Zahnhang-Variationen ohne
Sicherung) reihen sich aneinander, anmutig und fließend präsentiert.
Ein Traum. Lokalmatador Hans Klok lässt zum Abschluss seine drei
Assistentinnen erscheinen, verschwinden und durchbohren. Es ist
zwar alles bekannt – Klok zeigt sein Standardprogramm -, die
Geschwindigkeit mit der die Tricks dargeboten werden, ist aber immer
wieder verblüffend. Ein kurzes Finale, natürlich mit stehenden
Ovationen bedacht, schließt die Vorstellung ab. |
Stardust gönnt
sich zum Jubiläum ein Programm, das zweifelsfrei grandiose
Einzelleistungen abliefert, aber erst im zweiten Teil wirklich
zu gefallen weiß. Denn hier setzt Stardust Circus optimal um:
brillante Darbietungen zu antreibender Live-Musik des Orchesters
unter der Leitung von Ruslan Fil, die in optimales Licht
getaucht werden. |
__________________________________________________________________________
Text: Benedikt Ricken; Fotos: DirkJan
Ranzijn,
www.dirkjanranzijnphotography.nl
|