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Darmstadt, 16.
Dezember 2009: „Crazy“ heißt die aktuelle Show von James „Jungeli“
Sperlichs Darmstädter Weihnachtsvariete Da Capo. Im Vergleich zu
den vergangenen Jahren verzichtet Sperlich heuer darauf, sein
Programm in eine Geschichte zu packen. Stattdessen vertraut er
ganz auf den von Flic Flac bekannten Brachialkomiker Hubertus
Wawra alias „Master of Hellfire“, der als „Arsch für die
Umbaupausen“ durchs Programm führt. Wawra entpuppt sich dabei
als Glücksgriff. |
Hubertus Wawra alias „Master of Hellfire“
Mit seinem schrägen Ossi-Slang und
natürlich seinen pyrotechnischen Kabinettstückchen verkörpert er
perfekt das Showmotto „Crazy“.
Etwas
verwundert ist man allerdings, dass die artistische Eröffnung
der Show ausgerechnet in den Händen von Atlantis liegt. Keine
Frage, ihre Hand-auf-Hand-Akrobatik ist artistisch hochstehend,
wird aber eher sphärisch als verrückt präsentiert. Auch der als
zweite Nummer auftretende Fußballjongleur Jemile Gomar ist
versiert in seinem Genre (bis zu fünf Bälle), in seinem
Auftreten aber eher konventionell.
Sascha, Jemile
Gomar, Holmikers
Die überwiegende Mehrheit der
auftretenden Künstler, und dafür ein Kompliment an Jungeli
Sperlich, ist dagegen wirklich, wenn man so will,
„durchgeknallt“. Die Schweizer Holmikers zum Beispiel, die ihre
urkomische Barren-Show als Gruselkabinett zelebrieren. Oder
Klischnigger Sascha, der seine extreme Beweglichkeit mit Schalk
im Nacken präsentiert und selbst dann, wenn er seine Beine in
die abnormalsten Positionen dreht, lächelt als sei es das
normalste der Welt. |
Marco Noury |
Nicht gerade verrückt, aber doch
außergewöhnlich ist die Darbietung von Saschas Frau: Aurelie zeigt
ihre Handstände gemeinsam mit einer Taube. Verrückt - im Sinne von
wagemutig - sind natürlich auch Freddy Nock und sein mongolischer
Partner Mica auf Hochseil und Todesrad. Leider
arbeitet Mica zurzeit beide Nummern verletzungsbedingt ohne
seinen Partner. Wenn man nun bedenkt, dass Freddy Nock
eigentlich der wesentlich aktivere Part in beiden Darbietungen
ist, schlägt sich Mica sensationell. Insbesondere auf dem
Hochseil zeigt er eine vollwertige Nummer mit Seilspringen,
Balance auf einem Stuhl und Blindlauf als Haupttricks.
Aufgegriffen wird das Motto „Crazy“ auch immer wieder vom achtköpfigen
Ballett, das zum Beispiel schlafwandelt oder als Personal einer
Irrenanstalt durch die Szenerie tobt. Seinen besten Auftritt hat die
Truppe aus Kiew aber im Zusammenspiel mit Strapatenartist Marco Noury:
Während Noury, der bereits im vergangenen Jahr bei Dacapo engagiert
war, unter der Zeltkuppel seine Evolutionen zeigt, flirten unter ihm
drei Damen des Ballets um seine Gunst. Das ist sowohl in der Luft als
auch auf der Bühne Erotik pur. Dass sich Noury zum Schluss für keine
der drei Damen entscheidet, sondern lieber mit einem der zwei
Ballettboys abzieht, ist dann der finale Clou der Darbietung. |
Fazit: „Crazy“ ist
in meinen Augen die unterhaltsamste Da-Capo-Show der vergangenen
Jahre. Sie macht gerade deshalb Spaß, weil heuer, wie eingangs
erwähnt, darauf verzichtet wurde mit der Show eine Geschichte zu
erzählen und somit die Gefahr, in die Kitschfalle zu treten,
minimiert wurde. „Crazy“ könnte allerdings noch mehr Spaß
machen, wenn sich auch das Darmstädter Publikum mal etwas
ausgeflippter präsentieren würde. Stattdessen bleibt es, wie
auch in den vergangenen Saisons, seltsam reserviert. Es ist nun
müßig, darüber zu diskutieren, woran das liegen könnte. Teure
Eintrittskarten, die nur eine bestimmte Klientel ansprechen? Das
etwas überdimensionierte Zelt, durch das die Künstler auf der
Bühne stellenweise etwas verloren wirken? Oder doch die
Tatsache, dass auch während der Shows Essen und Getränke
serviert werden? Woran es auch letztlich liegen mag, fest steht
jedenfalls, dass „Crazy“ von einem normalen Zirkuspublikum mit
ziemlicher Sicherheit begeistert gefeiert werden würde.
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Text: Sven Rindfleisch; Fotos: Stefan
Gierisch
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