Die
Wirkung jeder einzelnen Darbietung wird durch die fantastische Livemusik und ein Füllhorn verschiedener Beleuchtungseffekte
enorm gesteigert. Mit anderen Worten: In einer glanzvolleren
Verpackung als im Cirque d’Hiver, zu der auch die sieben "Salto
Dancers" beitragen, kann man Circus im Grunde wohl
nirgendwo erleben.
Allerdings
besteht Bouglione längst nicht nur aus schönem Schein – vielmehr
enthält auch die Produktion „Festif“ für das Winterhalbjahr 2010
eine exquisite Auswahl hochklassiger Circusdarbietungen. Nicht
ganz plausibel erscheint dagegen die Reihenfolge der
Programmpunkte. So werden zwei der artistischen Glanzlichter,
die Azzario Sisters (Kopf auf Kopf) und Diabolo-Jongleur Tony
Frébourg gleich zum Beginn „verbraten“, während sich die
Kostümillusion der „Les Matadors“ nicht unbedingt als
Schlussnummer aufgedrängt hätte. Es gäbe doch einige andere
Kandidaten für den Beschluss des Programms. Zudem gab es auch im
vergangenen Winter vor dem Finale blitzschnelle Kleiderwechsel –
damals mit den Monastirskis. Insgesamt wirkt das Programm durch
die etwas zufällig wirkende Abfolge merkwürdig unstrukturiert.
Martinis, Tom Dieck jr., Joseph Bouglione
Die Show
beginnt mit der Löwendressur von Tom Dieck junior mit drei
männlichen und zwei weiblichen Tieren, die sich durch zahlreiche
Sprünge, Hochsitzer, Scheinangriffe und das differenzierte
Zusammenspiel von Mensch und Tier auszeichnet. Auch wenn die
Platzverhältnisse beim Bouglione-Bau Grenzen setzen, sind
Tierdarbietungen ein fester Bestandteil der Programme. In diesem
Jahre dirigiert Regina Bouglione sechs Lamas als Hürdenspringer,
Guanako Pepe sowie Pony und Hund, allesamt vom ehemaligen Circus
Barum, durch einen Kurzauftritt, zeigt Joseph Bouglione als
Pausennummer vier weiße Freiheitspferde und gefallen die
Junioren Valentino Togni-Bouglione und Dimitri Bouglione in
einer Kleintierdressur mit Ziegen und Enten. Im clownesken Teil
wetteifern gleich zwei klassische Clownsensembles um die Gunst
des Publikums. Da sind zum einen die Martinis, welche einen
Zuschauer nach der Raubtierdressur durch einen Feuerreifen
springen lassen wollen, als klassische Musikalclowns ihr
komisches Talent beweisen oder mit Glockenspiel gefallen. Tony
Mitchel zeigt sein herrliches Wasser-Entrée, über das man sich
immer wieder so herzlich ausschütten kann. Seine Mitspieler sind
hier "Haus-Weißclown" Alberto Caroli, Mr. Loyal Sergio und
ein zweiter August.
Tony
Frébourg, Elena & Elena, Azzario Sisters, Flying Bulldancers
Im
artistischen Teil des Programms geht es zunächst in die Luft:
Elena & Elena zeigen an den roten Seidentüchern kraftvolle
Haltetricks und Abfaller. Dann ist bereits Tony Frébourg an der
Reihe. Mit seinen Diabolo-Spielen im asiatischen Look gehört er
sicher zur absoluten Weltspitze in seinem Genre; bis zu vier
Diabolos hält er wirklich ausdauernd in der Luft. Eine
Blitzkarriere durch die allerbesten Häuser legen gerade die
Azzario Sisters hin – Kopf auf Kopf führte ihr Weg sie, frisch
von der Artistenschule in Verona, unter anderem zu Roncalli, ans
Apollo-Varieté, in den Kronebau und nun zu Bouglione. Groß
herausgestellt wird von Mr. Loyal Sergio, der auch durch diese
Produktion führt, der 150. Geburtstag des Flugtrapezes, das
schließlich im Bouglione-Bau erfunden wurde. Leotard habe damit
die Manegenkünste revolutioniert! Passend zum Genre-Jubiläum
treten die Flying Bulldancers, bereits im Vorjahres-Programm
engagiert, nun mit großer Geste, humorvoller Note und
Walzermusik als „Akrobaten von anno dazumal“ auf. Die Truppe
nennt sich hier nach ihrem Flieger Anton von Ostendorf. Ein
sicher gesprungener Dreifacher und eine originelle Variante der
Passage gehören zum Repertoire, in dem auch die beiden Damen
anspruchsvolle Aufgaben übernehmen.
Trio Aphelion, Les
Matadors, Marina Bouglione
Dritte
Luftnummer im Programm ist dann die extravagante
Vertikalseil-Kür von Marina Bouglione, womit die weit verzweigte
Circus-Dynastie ein viertes Mal im Programm vertreten ist.
Nathalie Enterline präsentiert ihren artistischen Tanz mit dem
Twirlingstab – sie mag eine Meisterin ihres Faches sein,
vermisst haben wir diese Disziplin in einer Circusmanege bisher
dennoch nicht. Kraftakrobatik in Kostümen à la Arlette Gruss
präsentieren die Herren des Trios Aphelion – originell der
Wechsel im einarmigen Handstand vom Kopf des einen Partners auf
den Kopf des anderen. Eine komische Kostümillusion in
augenzwinkernder Stierkampf-Manier präsentiert dann also als
Finalnummer das Duo „Les Matadors“ – der Herr wechselt
tatsächlich verschiedene Matadoren-Outfits, bis er schließlich
in roten Boxershorts dasteht und von der Partnerin Stier-Hörner
aufgesetzt bekommt. Wie gesagt eine originelle Darbietung, die
aber an anderer Stelle im Programm besser aufgehoben wäre. |