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Cirque Romanes - Paris 2009
www.cirqueromanes.com

Paris, 6. Dezember 2009: Ein schmuckloses Zelt, eine Handvoll Campings, die ihre besten Tage längst hinter sich haben, und eine voll behangene Wäscheleine. Wirklich einladend ist es nicht, wie sich der Cirque Romanes auf einem eingezäunten Grundstück Mitten in einem Pariser Wohngebiet präsentiert. Komplettiert wird das freilich auch als wildromantisch zu bezeichnende Ensemble durch einen handgeschriebenen Zettel, der auf die Spielzeiten des Circus, der sich selbst als Cirque Tsigane – also Zigeunercircus - bezeichnet, hinweist.

Einen Kassenwagen sucht man dagegen vergebens. Und so kommt es, dass viele der Besucher erst einmal zögern, bevor sie das 500 Zuschauer fassende Zelt betreten. Alle Zweifel sind allerdings umgehend verflogen, sobald man die Zeltplane beiseite geschlagen hat. Schon während man bei Circuschefin Delia Romanes 20 Euro Eintritt bezahlt, nimmt einen die ungemein heimelige Atmosphäre im Innern des Chapiteaus gefangen. Kerzen und gedimmte Scheinwerfer tauchen die Szenerie in warmes Licht. Blickfang ist der große Artisteneingang, dessen Vorhang aus farbenprächtigen Stoffflicken zusammengesetzt wurde. Auf der Spielfläche liegt - auch während der Show - ein großer Perserteppich. Das Gradin ist steilansteigend und bietet aufgrund fehlender Sturmstangen und Masten von allen Plätzen gute Sicht auf das Geschehen.

Hauptattraktion der zweistündigen, ohne Pause ablaufenden Show ist zweifelsfrei die fünf Mann starke Kapelle (Geige, Akkordeon, Klarinette, Kontrabass, Trompete). Die alle Darbietungen stimmig mit traditionellen Roma-Weisen untermalt und für geradezu euphorische Stimmung im vollbesetzten Chapiteau sorgt. Wenig gemein mit einer konventionellen Circusshow hat dann das gezeigte Programm. Am ungewöhnlichsten ist sicher, dass die Mitglieder der Familie Romanes während der ganzen Show mit Kind und Kegel vor dem Vorhang sitzen und das Spektakel verfolgen. Hauptrollen kommen dabei Mutter und Vater Romanes zu. Delia Romanes tritt immer wieder als Sängerin in Erscheinung und Alexandre Romanes gibt Regieanweisungen, trägt Requisiten herein und führt zu spät kommende Gäste zu ihrem Platz. Kurzum: er behält den Überblick in dem bunten Treiben.

Was gerade angesichts einer Unmenge von Luftapparaten (Vertikalseil, Doppeltrapez, Ringtrapez, Tücher, Strapaten, Haltestuhl), die dauerhaft in der Kuppel hängen, gar nicht so leicht scheint. Schließlich kommen tatsächlich sämtliche Requisiten während der Show zum Einsatz. Allerdings nur in Ausnahmefällen innerhalb einer vollwertigen Nummer. Vielmehr zeigen die Romanes-Kinder an den Geräten jeweils nur einzelne, kurze Tricks. Lediglich die älteste Tochter Alexandra zeigt eine komplette Tücherkür. Dennoch gibt es auch bei Romanes einige artistische Highlights zu sehen. Dafür sorgt eine Handvoll engagierter Artisten aus Pariser Circusschulen. Herausragend ist eine extrem langsam und damit kräftezehrend gearbeitete Darbietung eines Duos am Haltestuhl. Bemerkenswert auch eine flott und sicher präsentierte Jonglage mit bis zu fünf Fußbällen. Darüber hinaus gibt es Kontorsion, Seiltanz, eine Jonglage mit aufgespannten Regenschirmen sowie einen introvertierten Clown zu sehen. Im Übrigen hat auch der von Pinder und Barelli bekannte Jongleur Francois Borie seine ersten Meriten bei Romanes gesammelt. Wer weiß, vielleicht sehen wir die Haltestuhl-Artisten oder den Fußball-Jongleur auch bald bei einem größeren Circus. Das Zeug dazu hätten sie jedenfalls.

Aber zurück zum Cirque Romanes. Zugegeben, das präsentierte Spektakel ist sehr speziell, aber doch ein einzigartiges Erlebnis, das vor allem durch Authentizität besticht. Man hat bei Romanes tatsächlich das Gefühl jenseits aller Zigeuner-Folklore, einen unverfälschten Blick auf die Kultur und Lebensart dieses faszinierenden Volkes zu erhaschen. Nicht zuletzt dafür bedankt sich das Publikum während der gesamten Show mit begeistertem Beifall.

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Text: Sven Rindfleisch; Fotos: Stefan Gierisch, Sven Rindfleisch