|
Berlin,
22. Dezember 2009:
Der Artisteneingang ist aus Roncallis
mediterraner Phase, das Orchester spielt in den Sergeant
Pepper-Uniformen aus der aktuellen Tourneeproduktion „All you
need is laughs“ und in der Manege ist ein klassisches
Nummernprogramm ohne (echte) Tierdarbietungen zu sehen. Dafür,
dass es eben doch wieder ein echter „Roncalli“ ist, sorgen
Regie, Licht, der tolle Sound des Roncalli Royal Orchestra und
natürlich David Larible. Der Roncalli-Sympathieträger ist auch
beim „6. Original Roncalli Weihnachtscircus“ der Star.
|
|
Er ist im Verlauf der Show immer wieder zu
sehen und macht auch eine vergleichsweise simple Nummer wie das
Spiel mit den Glocken unter Einbeziehung von Zuschauern zu einem
Erlebnis. Im artistischen Bereich ist der wieder genesene
Equilibristik-Perfektionist Encho Keryazov das Highlight. Als
weitere wirkliche Spitzennummer sind hier nur Elena Drogaleva
und ihre Jongleurpartner mit von der Partie.
David Larible, Natalia Leontieva, Andrey Romanovsky
Eingebunden
ist die Show im Tempodrom, einer de luxe-Variante des Kronebaus,
in eine kleine weihnachtliche Rahmenhandlung. David Larible
erweckt die Seiten eines überdimensionalen Buchs neben der
Manege zum Leben und spielt mit einem überdimensionalen
Schaukel-Zebra sowie einer lebenden Puppe. Nach dem Finale
erscheinen diese Requisiten erneut, die Buchseiten erlöschen,
Larible verabschiedet sich von Schaukel-Zebra sowie Puppe und
verlässt gemeinsam mit Gensi die Manege. Eine nette Idee, die
genauso wie der überdimensionale Adventskranz und die
Christbäume für weihnachtliche Stimmung sorgt, auf den weiteren
Verlauf der Vorstellung aber keinen Einfluss hat. Die
eigentliche Show beginnt mit einem rasanten Opening der Truppe
Bingo, ganz in rot gehalten, wie schon im Tourneeprogramm des
Circus Knie. Eingebunden in eine mitreißende Choreographie sehen
wir Tricks der Equilibristik sowie an den Strapaten bzw.
Tüchern. Die sympathische Natalia Leontieva, Lebensgefährtin von
Drahtseilartist Andrej Ivachnenko, zeigt ihre gefällige Hula
Hoop-Darbietung, während sie auf einer großen Kugel balanciert.
In seiner ersten Reprise erleben wir David Larible im Kostüm
eines Kochs, ganz so wie bei seinen Auftritten im Circus Krone
vor unzähligen Jahren. Hier nun jongliert er mit verschiedenen
Requisiten aus der Küche. Natürlich landet das in die Luft
geworfene rohe Ei auf dem Kopf des Maitres und zerspringt dort.
Synthetik-Hippos, Evolution, Tellerdrehen
Vom
Nachwuchsfestival in Wiesbaden kennen wir Andrey Romanovsky.
Allein schon die Art und Weise, wie sich der schlaksige
Klischnigger von Spagat zu Spagat fortbewegt ist höchst
originell. Mit seinem Verschwinden in einer Röhre mit
vergleichsweise geringem Durchmesser landet der junge Mann in
Frack und Zylinder gleich einen weiteren Coup. Bei der nächsten
Darbietung wird kombiniert, was nicht so recht zusammenpassen
mag. Es ist quasi eine sehr außergewöhnliche China-Melange, in
der Teller drehende Chinesinnen zusammen mit Reifenspringern in
der Manege agieren. Diese Zusammensetzung macht trotz
eingebauter Liebesgeschichte keinen wirklichen Sinn. Eigenartig
ebenfalls, dass die Reifenspringer in Alltagskleidung auftreten.
Die gezeigten Tricks gehen nicht über den Standard hinaus.
„Tierdarbietung“ Nummer eins ist eine „Dreierfreiheit“
Nilpferde. Es handelt sich dabei um jene imposanten
Synthetik-Hippos, die in kleinerer Anzahl bereits auf Tournee zu
sehen waren. In Trikots mit Harlekinmuster und entsprechender
Schminke treten die vier jungen Herren der Formation „Evolution“
auf. Ihr Trickrepertoire orientiert sich an dem, was Gruppen wie
„Seaworld“ oder „Crazy Flight“ zeigen - sprich Kraftakrobatik
und Handvoltigen. Allerdings erreichen „Evolution“ hinsichtlich
Power und Präsenz die bekannten Acts (noch) nicht. David Larible
versucht sich, gestört von Abendregisseur Patrick Philadelphia
in gewohnt formvollendeter Aufmachung, als Seiltänzer. |
La Fiesta Escenica
(Eisbären),
Shenyan Acrobatic Troupe, Andrej Ivachnenko
Weitaus besser
beherrscht diese Kunst natürlich Andrej Ivachnenko, welcher sodann
das Schlappseil betritt. Seine Nummer überzeugt mit tollen,
kreativen Tricks. Nach wie vor nicht meinen Geschmack trifft die auf
mich aggressiv wirkende Musik. Insofern: Ohren zu und genießen. Der
Auftritt vor der Pause gehört David Larible. Das Glockenspiel mit
„Freiwilligen“ aus dem Publikum dient anderswo als Füller. Larible
macht auch daraus eine herrlich witzige Show, die bestens ankommt.
In der Pause wird jener massive Zentralkäfig in der Manege
aufgebaut, in dem vor sehr vielen Jahren noch Rene Strickler seine
wunderbare gemischte Raubtiergruppe gezeigt hat. Diese seligen
Zeiten in der Roncalli-Manege sind leider lange vorbei.
Elena Drogaleva |
Statt
lebendiger Vierbeiner gibt es lebendige Zweibeiner, die in
Hightech-Eisbärenkostümen stecken. Für kurze Zeit ist die
Illusion perfekt.
Dann wird
aber doch klar, dass die Reklamenummer anders daherkommt, als
viele Zuschauer gedacht hatten. Eine nette Darbietung der
spanischen Theatergruppe „La Fiesta Escenica“, die recht kurz
ist und in einem vergleichsweise ungünstigen Verhältnis zum
Brimborium drumherum steht. Stilecht überbrückt wird der
Käfigabbau von einer jungen Artistin am Luftring. Erst jetzt
hat Gensi seinen ersten Auftritt. Im Zuschauerraum spielt er
auf seinen Fingerpfeifen. Traumhaft schön ist die Darbietung
der „Shenyan Acrobatic Troupe“ an Tüchern. In wunderbaren
Kombinationen fliegen die Chinesinnen und Chinesen an Tüchern
unter der Kuppel des Tempodrom und balancieren dabei mit
Säbeln. Eine raumgreifende Darbietung, die wunderbare in diese
Location passt. Gensi und David Larible sind nicht nur
grandiose Spaßmacher, sondern verstehen sich ebenfalls perfekt
aufs Musizieren. Immer neue Instrumente zaubert Larible hervor
um auf ihnen Musik zu machen. Immer wieder werden sie ihm von
Gensi weggenommen bis eine verschluckte Minimundharmonika den
ganzen David Larible zum Instrument werden lässt. Anfang des
Jahres hatte mich Elena Drogaleva mit ihren drei feschen
Herren beim Circusfestival in Monte Carlo begeistert. Hier in
Berlin wirkt ihre ausgefeilte Jonglage-Nummer noch einmal
spritziger; Roncallis Musikbegleitung sei dank. Die gesamte
Darbietung rund um die russische Marlene Dietrich läuft zu
fetziger Swing-Musik noch mitreißender ab als sonst. Wie das
Quartett, zum Teil auf verschiedenen Ebenen, seine Keulen auf
den verschiedensten Bahnen fliegen lässt, ist schlichtweg
phänomenal. Falls ich kurz nach Weihnachten noch einen Wunsch
äußern darf dann den nach dieser Darbietung im
Roncalli-Saisonprogramm. Es folgt David Laribles bekannte
Orchester-Show, bevor die Truppe Bingo in weißen Outfits
Manege und den Raum darüber übernehmen. Wieder vollständig
genesen ist Encho Keryazov, der direkt vor dem zelebrierten
Roncalli-Finale insbesondere den weiblichen Teil des Publikums
zu Begeisterungsstürmen hinreißt. |
|
__________________________________________________________________________
Text: Stefan Gierisch; Fotos: Stefan
Gierisch, Sven Rindfleisch
|