Nathalie, Firmin, Alexandre und Charles Gruss
Getreu dem
Programm-Motto spielt die Musik und damit das famose achtköpfige
um Sänger und Sängerin verstärkte Orchester in der diesjährigen
Gruss-Produktion eine zentrale Rolle. Es ist quasi eine lebende
Jukebox, die zu jeder Darbietung den passenden Hit aus den
letzten 100 Jahren Musikgeschichte beisteuert – von Charleston
über die Beatles bis hin zu den Black Eyed Peas. Der 17-jährige
Jongleure Francesco Fratellini etwa arbeitet mit viel
Publikumskontakt zu Musik von Frank Sinatra. Nathalie Gruss
entschwebt zu Edith Piafs „La vie en rose“ an den Strapaten gen
Zirkuskuppel. Und Firmin Gruss – jüngster Sohn von Alexis Gruss
- präsentiert Elefantendame Syndha als exaltierter Freddy
Mercury. Drei Mal dürfen Sie raten, welcher Queen-Song erklingt,
wenn Firmin sicher auf dem Kopf von Syndha landet, nachdem er
sich von dem Tier per Schleuderbrett dorthin hat katapultieren
lassen. Richtig, es ist „We are the champions“. Genial!
Ein ganz
besonderer circensischer Augen- und Ohrenschmaus dürfte auch die
Kombination aus Pas de deux und Ungarischer Post sein, die der
älteste Sohn von Alexis Gruss, Stephane Gruss, gemeinsam mit
seiner Frau Nathalie zu einem Abba-Medley präsentiert. Leider
war es dem Rezensent nicht vergönnt, diese Darbietung zu sehen,
da er eine Abendstellung besuchte. Selbige sind aufgrund des
anschließenden Dinners stets um einige Darbietungen gekürzt und
kommen auch ohne Pause aus. Ebenfalls diesen Kürzungen zum Opfer
fiel ein längeres Clowns-Entree, in dem das gesamte Ensemble
versucht ein Hip-Hop-Video zu drehen. In allen Vorstellungen zu
sehen sind dagegen das schwungvolle Seilspring-Opening, die
augenzwinkernden Großillusionen zur Musik der „Jackson Five“
sowie die Hula-Hoop-Kür der blonden Grazie Anna
Micheletty, die zudem im Zusammenspiel mit Nathalie Gruss an
weißen Seidentüchern verzaubert. Bestandteil eines
jeden Alexis-Gruss-Programms sind natürlich auch exquisite
Pferdedressuren. Wobei man sagen muss, dass diese in „Melody“
eher eine untergeordnete Rolle spielen. Direktor Alexis Gruss
zeigt zum einen eine anspruchsvolle Freiheitsdressur mit sechs
jungen Lusitanos sowie ein Da-Capo-Potpourri im zweiten Teil.
Darüber hinaus ist Gipsy Gruss mit einer Hohen Schule am langen
Zügel zu sehen. Und gleich zu Beginn gibt es eine kurze Sequenz,
in der drei Artisten- und drei Pferdepaare in der Manege
gleichzeitig Walzer tanzen. |
Anna
Micheletty |
Alexis Gruss
Abschließend
ist zu sagen, dass der Cirque Alexis Gruss auch mit „Melody“
das Idealbild eines Familiencircus transportiert. Da es
seinen überaus vielseitigen Mitgliedern mit unendlicher
Kreativität, mitreißender Spielfreude und der stets
spürbaren Liebe zu ihrem Tun erneut gelingt, eine völlig
neue Show zu gestalten, die den meisten teuer
zusammenengagierten Produktionen in puncto Atmosphäre,
Originalität und Inszenierung locker die Show stielt.
Puristen mögen nun wieder mäkeln, dass es artistisch
wesentlich stärker besetzte Shows gibt. Das stimmt
natürlich. Erst recht, weil Maude Gruss nach ihrer
Hochzeit mit Tony Florees, den Circus ihrer Eltern
verlassen hat. Das ändert aber nichts dran, dass es der
Cirque Alexis Gruss auf unnachahmliche Weise versteht,
gleichzeitig unterhaltsam, kunstvoll und anrührend zu sein
– und gerade deshalb zu den absoluten Favoriten des
Rezensenten gehört. Außerdem sollte man nicht vergessen,
dass die Familie Gruss mit der furiosen Jonglage zu Pferd,
der wunderbaren Elefantendressur und der Kombination aus
Pas de deux und Ungarischer Post mindestens drei
Darbietungen zu bieten hat, die auch in jeder anderen
Circusshow Begeisterungsstürme entfachen würden.
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