Statt seelenloser Leistungsschau oder glamourösem
Hochglanzcircus gibt es in Offenburg Jahr für Jahr eine Show zu
sehen, die mit herausragenden Artistenpersönlichkeiten,
charmanten Inszenierungsideen und Wohlfühl-Atmosphäre, die
bereits im wunderbar stilvoll dekorierten Vorzelt beginnt, die
Herzen der Zuschauer berühren will. Freilich ohne dabei zu
vergessen, dass vom Circus auch erwartet wird, dass er mit
unvorstellbaren Kunststücken verblüfft.
Totti mit Charlotte Alexis und
Sean Lomax
Dass dies immer
wieder gelingt, liegt auch und insbesondere daran, dass in
Offenburg traditionell viel Wert auf die persönliche Ansprache
des Publikums gelegt wird. Viele Jahre war es Klaus Kaulis der
als Conférencier, die Verbindung zwischen Zuschauern und
Manegengeschehen herstellte. Bereits in den vergangenen Jahren
wurde er dabei kongenial von Clown Totti Alexis unterstützt.
2010 ist Totti erstmals allein für den roten Faden der Show
verantwortlich. Und er löst diese Aufgabe mit Bravour. Zu Beginn
der Show erhält Totti einen Anruf von Anja Oschkinat, mit dem
der Clown nicht nur aufgefordert wird, anstelle von Klaus Kaulis
das Publikum zu begrüßen, sondern auch die Aufgabe erhält, sich
für die 15. Auflage des Offenburger Weihnachtscircus etwas ganz
besonderes auszudenken. Die gewünschte Überraschung ist
letztlich ein gemeinsames Gruppenbild aller Artisten, die unter
dem Banner „15 Jahre Offenburger Weihnachtscircus“ stehend
zusätzlich ein Transparent mit der Aufschrift „Danke Anja!“
präsentieren.
Folco Brothers,
Andrea Togni, Trio Bellissima
Doch nicht nur mit
diesem finalen Einfall zeigt sich Totti kreativ. Auch im Rahmen der Show beweist Totti, dass
er zu den großen Clowns unserer Zeit gehört. Mit Kreativität und
unbändiger Spielfreude präsentiert er neue Reprisen, die er
extra für Offenburg einstudiert hat. So misst er sich mit einem
Zuschauer im Gewichtheben, zähmt einen überdimensionalen Vogel
Strauß und ist gemeinsam mit Kunstpfeiffer Sean Lomax „Herr und
Frau Nachtigall“. Komischer Höhepunkt, bei dem groß und klein
aus dem Lachen nicht mehr herauskommen, ist allerdings das
Wilhelm-Tell-Entree, das Totti mit seiner Frau Charlotte in der
Rolle des Weißclowns geradezu zelebriert. Das artistische
Programm wurde in den Jahren zuvor überwiegend von
südeuropäischen Artisten gestaltet. Auch in diesem Jahr wieder
dabei ist Andrea Togni, der nicht nur als Regisseur die Fäden
zieht, sondern auch mit einer stimmungsvoll gestalteten
Darbietung an einem Laternenpfahl in der Manege zu sehen ist.
Ebenfalls aus Italien stammen die Folco Brothers, die mit viel
Requisitenaufwand eine ungewöhnliche Jonglagenummer präsentieren
– und sich zum Beispiel auf der freistehenden Leiter bzw. dem
Einrad balancierend Reifen und Keulen zuwerfen.
Natalia Chaplyun
Die übrigen
Artisten stammen dagegen aus Osteuropa: Aus der Ukraine haben
das Roncalli erprobte Trio Bellissima (Handstandakrobatik), die
mitreißenden Trampobrothers und die coolen Bikers (Akrobatik auf
LKW-Reifen) nach Offenburg gefunden. Aus Russland wiederum
stammt die überaus attraktive Natalia Chaplyun, die ihre Kür an
den Strapaten mit Leichtigkeit und ganz viel Glitter zelebriert.
Allen vier Darbietungen ist gemein, dass sie mit dem Vorurteil
aufräumen, dass aus Osteuropa zwar technisch starke Artisten,
aber keine Manegenpersönlichkeiten kommen. Eine solche ist
sicherlich auch Kunstpfeiffer Sean Lomax aus den USA, seine
virtuose Musikalität wollte aber irgendwie nicht so recht in den
Rahmen einer klassischen Circusshow passen. Für den tierischen
Part zeichnet indes in diesem Jahr ausschließlich Erwin
Frankello – assistiert von seiner Schwester Jennifer –
verantwortlich. Zunächst zeigt er mit zwei Seelöwen eine
trickstarke und überaus sympathisch verkaufte Seelöwendressur,
die eine absolute Bereicherung für jede Circusshow darstellt.
Erwin und Jennifer Frankello
In
seiner zweiten Darbietung bringt er zwei Jack-Russel-Terrier mit
Elefantendame Cita in die Manege. Eine schöne Nummer, bei der
man sich allerdings noch ein paar mehr Tricks gewünscht hätte,
die Hunde und Elefant gemeinsam in Aktion sehen. Das
abschließende Finale, in dem zunächst das eingangs erwähnte
Gruppenfoto geschossen wird, dann Direktorin Anja Oschkinat
ihren verdienten Applaus entgegennimmt und sich schließlich die
Artisten gemeinsam mit Kindern aus dem Publikum zu Michael
Jacksons „Heal the world“ aus der Manege verabschieden, beweist
dann nochmal eindrucksvoll, was die Offenburger Shows ausmachen:
Sie sind einfach etwas fürs Herz!
|