Dennoch
bleiben nach dem Besuch im neuen, großzügigen Zeltpalast Fragen:
Warum legen die Veranstalter so wenig Wert darauf, eine typische
Circusatmosphäre zu erzeugen? Hätte die Platzierung der
Darbietungen nicht insgesamt sinnvoller geschehen können? Müssen
längere, nur musikalisch „untermalte“ Umbaupausen wirklich sein?
Last not least: Kann bei einer solch hochwertigen Produktion
nicht ein Gradin eingesetzt werden, welches auf das Chapiteau
abgestimmt ist und somit Plätze hinter den Hauptmasten
(weitgehend) vermeidet?
Globe of Death, Truppe aus Kunming, Truppe Vorobiev
Clowns,
andere Preise bei Circusfestivals und Rekorde sind nach wie vor
die Hauptkriterien für ein Engagement in Stuttgart. Mit einem
Weltrekord startet die Show auch sodann. Durch die von Flic Flac
bekannte Todeskugel sausen bis zu acht Motorradfahrer und zeigen
dabei sogar noch Figuren. Das Publikum feiert sie begeistert.
Die neue Darbietung am fliegenden Trapez aus Nordkorea
beinhaltet – natürlich - einen Vierfachen, der sicher gelingt.
Drei Fänger sind im Einsatz und garantieren so eine wahre
Flugschau mit vielen spannenden Touren über mehrere Stationen.
Gesprungen wird von der Brücke und von einer russischen Schaukel
darunter. Als die „meist preisgekrönte Nummer des Russischen
Staatszirkus“ kündigt das Programmheft die Perche-Darbietung der
Truppe Sarach an. Letztendlich zeigen sie nur zwei, wenn auch
sehr spektakuläre Tricks, an der Schulterperche. Waren sie im
letzten Jahr in Dresden noch in der Aufmachung typischer
Artisten aus dem Ostblock zu sehen, tragen die Russen jetzt
Mozartkostüme mit passenden Perücken. Die Musik ist ebenfalls
von Mozart. Auf dem Weg nach Monte Carlo ist die Truppe des
Großen Chinesischen Staatscircus Kunming welche ihre nach
bekannt strenger chinesischer Choreographie inszenierte Artistik
auf Glühbirnen zeigt. Die Balancetricks sind schon großartig,
durch die Kombination mit brennenden Glühbirnen gewinnen sie
einen besonderen Reiz. Faszinierend ist ihr Schlusstrick, ein
Turm über vier Etagen, wobei die beiden Unterfrauen mit den
Zehenspitzen auf Glühbirnen stehen. Ebenfalls im Januar 2011 in
Monte Carlo zu erleben ist die Truppe Vorobiev. An der
russischen Schaukel zeigen die zehn Akteure Tricks, die meines
Erachtens nicht wesentlich über das Repertoire andere Truppen an
diesem Requisit hinausgehen. Die fliegenden Meteore aus China
haben wir im Saisonprogramm 2010 des Schweizer Nationalcircus
Knie gesehen. Auch in Stuttgart zeigen die Artisten ihre
Kombination aus Jonglage und Akrobatik.
Dominic Lacasse,
Laura Miller, Encho Keryazov
Von
Roncalli kennen wir den muskelbepackten Handstand-Heroen Encho
Keryazov. Er zelebriert seine in Monte Carlo mit Silber
prämierte Kür geradezu und erntet damit wahre Ovationen.
Ebenfalls auf seine Körperkraft verlassen kann sich Dominic
Lacasse, der seine originelle Akrobatik am Masten sehr
sympathisch verkauft. Laura Miller sorgt mit ihrer Show in der
Luft (Luftring) und im Wasser für den wohl ausgelassensten,
fetzigsten Part des artistischen Teils. Die beiden rein
artistischen Duos wurden in Monte Carlo jeweils mit einem
Goldenen Clown ausgezeichnet. „Flight of Passion“ beeindrucken
mit riskanten Flugsequenzen an den Strapaten. Schier unglaublich
sind die vom männlichen Part mit den Zähnen gehaltenen Tricks
ebenso wie die Szene, in der Dimitri Grygorow an einem Fuß von
Olesia Shulga hängt, während diese einen Spagat in vertikaler
Richtung zeigt. Aus dem Knie-Programm 2010 entnommen ist die
dynamische Präsentation der ikarischen Spiele der Fratelli
Errani. Die im Programmheft ebenfalls angekündigten Gebrüder
Huesca erleben wir an diesem Abend nicht.
Fredy Knie junior,
Roland Duss, Maycol Errani
Als
„größtes Exotentableau der Welt“ wird die Dressurnummer mit
Kamelen, Zebras, Guanakos und Rindern von Maycol Errani
angekündigt. Mag Stardust die Anzahl der Tiere wichtig sein,
mich begeistern vor allem die wunderbaren Tricks der herrlich
gepflegten Tiere. Anspruchsvollste Figuren arbeiten auch die
Freiheitspferde unter Anleitung von Fredy Knie junior. Es
handelt sich hierbei um die wunderschöne Choreographie aus dem
letzten Saisonprogramm. Wenngleich an diesem Abend nicht alles
reibungslos läuft, ist der Beifall dennoch gewaltig. Völlig zu
recht gefeiert werden ebenfalls die vier Seelöwen von Petra und
Roland Duss für ihre Vorführung voller Tempo und
anspruchsvollster Tricks. Das Zuschauen bei den Dressuren dieser
bereits zweimal mit einem Silbernen Clown ausgezeichneten
Tierlehrer bereitet immer wieder allergrößtes Vergnügen. Die
komische Wirkung steht auch beim Duo Kalachev und ihrer Kür am
Vertikalseil im Vordergrund, welche von einem, zuletzt sogar
mehreren Hunden gestört wird. Rein auf die Komik setzen die in
Stuttgart – der herzliche Begrüßungsapplaus zeigt es – bestens
bekannten Fumagalli und Daris Huesca. Sie führen das Box-Entree
auf und zwei ebenfalls bei Knie 2010 gezeigte Zwischenspiele.
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