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Cirque d'Hiver - Tous à Rio 2012
www.cirquedhiver.com ; 34 Showfotos

Le Bourget, 9. Dezember 2012. Im dritten Jahr in Folge bespielt der Cirque d’Hiver Bouglione nun eine der riesigen Messehallen in Le Bourget bei Paris. Die Vorstellungen, bis zu fünf am Tag, richten sich über Firmenbuchungen usw. fast ausschließlich an das Galapublikum. Auch wenn die Platzkapazität von 10.000 Besucher pro Vorstellung auf nunmehr 8500 etwas gesenkt wurde, stellt sich hier vor allem die Frage: Was will und kann man eigentlich bieten, damit auch die Zuschauer im hinteren Teil der Tribüne noch etwas davon haben? Die Familie Bouglione hat heuer die bisher überzeugendste Antwort gefunden; die dritte Produktion in Le Bourget ist die bisher ausgereifteste. Erneut bauen Bougliones vor allem auf große und ausschließlich exquisite Tiernummern.

Ergänzt werden die Tiernummern durch drei raumfüllende artistische Programmpunkte und die Bobylev-Clowns, als Mr. Loyal fungiert wiederum in vollendeter Weise Frederic Colnot. Anders als noch im Vorjahr, als etwa die feinsinnigen Musikalclowns „Les Rossyann“ oder Handstand-Equilibrist Glen Nicolodi mit seinem Hündchen mitwirkten, wurden heuer ausschließlich Nummern ausgewählt, die – so gut es eben geht – für diesen riesigen Rahmen geeignet sind.

 
Brasilianische Tänzerinnen

Ebenso wie 2011 („La Perle du Bengale“) steht auch die aktuelle Produktion, die seit 1. und noch bis 16. Dezember läuft, unter einem Motto, „Tous à Rio“. Es geht also um den Karneval in Rio, und deutlich stärker als im letzten Jahr ist dieses Motto präsent. Zwar liefert keine der Nummern, auch nicht das brasilianische Flugtrapez, in ihrer Gestaltung einen direkten Bezug dazu, doch sind die Ballettszenen zwischen den Nummern entsprechend thematisiert. Zu den 14 Tänzerinnen der „Salto Dancers“, wie man sie bei Bouglione kennt, gesellen sich diesmal sieben brasilianische Tänzerinnen in herrlichen Kostümen des dortigen Karnevals. Und so entstehen wirklich überwältigend schöne Bilder voller Farbenpracht, wenn die 21 Damen gleichzeitig tanzen – auf der Bühne im Hintergrund, im roten Ring, auf Podesten rings um die Manege. Daneben sind noch vier muskelbepackte brasilianische Capoeira-Tänzer mit von der Partie und wird tänzerisch, neben dem Karneval, auch das Weihnachtsthema immer wieder aufgegriffen. Das neunköpfige Orchester und das phänomenale Lichtdesign mit dem riesigen schwarzen Lichtervorhang im Hintergrund haben ganz wesentlichen Anteil am überbordenden Glanz dieser Show.


Sacha Houcke, Lilian Kröplin, Tom Dieck jr.

Nach dem großen Opening gehört die Manege zunächst Gaby Dew und ihrer Ungarischen Post. Zunächst zeigt sie eine Stehendreiterei auf zwei walzenden Pferden und lässt dann sechs Vorauspferde unter sich durchschlüpfen, die sie schließlich alle am langen Zügel führt. Die gleichen Tiere, neun Pferde in braun, weiß und schwarz, formiert Dews Lebensgefährte Sacha Houcke später zu einer formidablen Freiheitsdressur mit Karussell auf drei Bahnen und neunfachem Steiger. Tiergerecht und humorvoll präsentieren Sonni Frankello und seine Frau Lilian Kröplin drei afrikanische Elefanten. Frankello hält sich völlig im Hintergrund, als sich eines der Tiere über seine am Boden liegende Frau legt. Mundharmonika- und Fußballspiel, ein Tänzchen, aber auch der abschließende „Big Mount“ gehören zu den Nummer. Tom Dieck jun. ist hier mit seiner neuen Raubtiernummer zu Gast, die fünf Tiger, zwei weiße männliche Löwen und zwei Liger umfasst. Pyramide, Fortbewegung im und auf dem „Hamsterrad“, Sprünge von drei Tieren über ihre Artgenossen, Hochsitzer, ein Scheinangriff und verschiedene Steiger gehören zu der attraktiven Trickfolge. Ein weiteres Highlight setzen Roland und Petra Duss mit ihrer von Krone bestens bekannten Seelöwendressur.


Truppe Alexander, Duo Bobylev, Flying Michaels 

Die u.a. von Barum und Charles Knie bekannte Tücher-Kür von Yves und Ambra Nicols wird hier mit zehn Flamenco-Tänzerinnen im Hintergrund und vier Damen an einer Kombination von Luftring und roten Tüchern zu einem noch größeren Bild aufgewertet. Pausennummer ist das Flugtrapez der so herrlich elegant fliegenden Michaels. Riesenjubel, als Marlon Michael im zweiten Anlauf der Dreifache „blind“ gelingt! Schlussnummer ist die Truppe Alexander am Schleuderbrett mit u.a. Vier-Mann-Hoch ohne Stange. Das Clownsduo Bobylev muss mit seiner herrlich überdrehten Art nicht jedermanns Sache sein, kommt aber beim Publikum allerorts gut an und ist für diesen Rahmen perfekt gewählt. Ob sich nun die Beine von Alex Bobylev selbstständig machen – eine witzige Mensch-oder-Puppe-Variante mit der beweglichen Partnerin Olesya Boyleva als des Rätsels Lösung –, ob Schwanensee parodiert wird oder der Clown und einige Kinder sich gegenseitig mit Wasserpistolen nass spritzen, hier ist immer was los.


Finale

Freilich steht die angejährte und nüchterne Messehalle von Le Bourget in einem geradezu absurden Gegensatz zu der wundervollen Hochglanz-Show. Wie schön wäre es, dieses Programm in einem richtigen Chapiteau sehen zu können!

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber