Leider
steht der Circus nicht auf dem Volksfestplatz dieser
33.000-Einwohner-Stadt im Nordosten Baden-Württembergs
(Landkreis Schwäbisch Hall), sondern – wie all die Jahre zuvor –
auf einer Wiese im Gewerbegebiet Rossfeld. Das Gelände ist
gerade zu dieser Jahreszeit sicher nicht ideal, die
Parksituation schwierig, eine „Brücke“ aus mit Teppich belegten
Holzpaletten führt vom asphaltierten Weg über den Wiesenplatz
zum Circuseingang. Dank eines
Bodenbelags aus Rindenmulch kann man sich in den Zelten jedoch
trockenen Fußes bewegen. Im Chapiteau erstrecken sich hinter den
weißen Logenbrüstungen mit goldenem Dekor und Lämpchen drei
Reihen Logenstühle und ein fünfreihiges Holzbankgradin ohne
Rückenlehnen. Vor dem geschmackvollen, samtroten Artisteneingang
ist das Musikerpodium platziert. Die gesamte Vorstellung über –
von der Schlussnummer abgesehen – begleitet die musikalische
Familie Frank dieses Programm komplett mit guter Livemusik, mit
Schlagzeug, Orgel und Bläsern in wechselnder Formation. Mit
jeweils drei LED-Scheinwerfern plus Moving Head an jedem Mast sowie dem
Verfolger wird, ergänzt um viel Theaternebel, gutes Licht
gemacht.
Michael Bados, Duo
Wolf,
Iveta Wolf
Im Prolog
der flott und flüssig, ohne größere Umbaupausen ablaufenden
Vorstellung verlesen der Weihnachtsmann und ein Kind
Weihnachtsbriefe und verkünden das Ziel, die „Weihnachtsfreude
nach Crailsheim zu bringen“, ehe ein buntes Opening mit
Schlitten, dem kleinen hauseigenen Ballett und weiteren
Figuranten folgt; auch die Einleitung zur Pause ist pfiffig
gestaltet. Als erste Nummer ist das tschechische Duo Wolf mit
einer ansprechenden Arbeit an den Strapaten zu sehen; die
Partnerin Iveta Wolf kehrt nach der Pause noch mal mit einer
klassischen Nummer an roten Tüchern wieder. Der Sohn der Wolfs,
Michael Bados, erweist sich als schneller, sicherer und
vielseitiger Jongleur. Bis zu sieben Bälle und sieben Keulen
hält er in der Luft, außerdem bis zu neun Ringe. Bei der
Jonglage mit neun Ringen nimmt er die letzten beiden von
„Halterungen“ an seinem Gürtel auf, als sich die anderen bereits
in der Luft befinden. Bei den Ring- und Keulenjonglage lässt
Michael Bados zum Teil noch einen Ball auf seinem Kopf dopsen
oder balanciert auf selbigem ein Metallgestell.
Hynek Navratil,
Duo Mystic, Ludwig Navratil
Erschwert
wurden die Vorbereitungen für diesen Weihnachtscircus – wie auch
andernorts in dieser Saison – von der Absage einiger Artisten,
u.a. der vorgesehenen Hochseiltruppe. So mussten in letzter
Minute neue Artisten verpflichtet werden – und wurde
hochwertiger Ersatz gefunden. Die Brüder Ludwig und Hynek
Navratil vom tschechischen Cirkus Humberto steuerten zwei
Darbietungen bei. In rasantem Tempo jongliert Ludwig Navratil
bei seiner Antipodennummer mit Händen und Füßen u.a. fünf
Fußbälle und später zwei Walzen. Zum Abschluss lässt er einen
Fußball über drei Plattformen an die Spitze eines Metallgestells
tanzen, das an seinen Füßen befestigt ist. In Sachen
Leistungsstärke herausragend ist dann die Handstandarbeit von
Hynek Navratil. Nach u.a. langen Passagen auf nur einem Arm
beeindruckt insbesondere sein Schlusstrick. Hier geht er im
Handstand auf Stelzen die Treppe des Piedestals hinab und lässt
dabei noch einen Stab auf seinen Füßen kreisen! Nach diesem
Highlight vor der Pause bleibt dem Duo Mystic, das u.a. schon in
Sarrasanis Dinnershow zu sehen war, die Ehre der Schlussnummer.
Die beiden muskulösen Bulgaren bieten eine sehr starke
Hand-auf-Hand-Arbeit. Unter anderem dreht der Untermann eine
Pirouette im Sitzen/Liegestütz, während der Partner im Einarmer
auf seinem Kopf balanciert. Aus eben dieser Konstellation
richtet sich der Untermann zudem aus dem Sitzen wieder in den
Stand auf. Das artistische Angebot wird abgerundet durch die
Kautschuknummer von „Pink Violet“ alias Anja Lorena.
Bienchen-Entree,
Marcel Baldini, Harry Frank
Selbstverständlich werden in diesem klassischen Circusprogramm
auch Tiere geboten. Engagiert wurde Marcel Baldini. Mit seinen
fünf Eseln, zunächst vom Pferd aus vorgeführt, und zwei Bisons
präsentiert er jeweils eine vollwertige, temporeich laufende
Freiheitsdressur. Auf die Schüsse mit der Schreckschusspistole,
die er in beiden Nummern noch als „Showeffekte“ abfeuert, sollte
er jedoch besser verzichten. Zwei weitere Tiernummern steuert
Direktor Harry Frank persönlich bei: Zunächst zeigt er einen
flott und präzise laufenden Viererzug Miniponys mit
Federpuscheln sowie im Anschluss einen Pintoschecken. Dieses
Tier beeindruckt mit vielfältigem Können, zeigt u.a. diverse
Schulschritte und Steiger, springt die Kapriole und über Hürden.
Springende Hunde verschiedener Größe runden unter Harry Franks
Anleitung den tierischen Teil ab. In die Sparte Clownerie fällt,
neben einem kurzen Intermezzo im ersten Teil, eine recht
eigenständige und witzige Variante des Bienchen-Entrees, das
hier von Wolfgang Frank als seriösem Part sowie dem erwachsenden
August Sergio und seinem Kompagnon im Kindesalter dargeboten
wird. Schön gestaltet ist der Abschluss des Programms: Mit „Maria und Josef“ auf
dem Esel sowie den „Heiligen Drei Königen“ mit Kamel wird kurz
die Weihnachtsgeschichte dargestellt; schließlich gibt der
Weihnachtsmann
jedem Artisten, der auf dem „Nachhauseweg“ durch die Manege
streift, ein Glas aus dem Wasserkrug ab – und auch das letzte
Glas behält er nicht für sich, sondern bewahrt lieber eine Blume
vor dem Welken. Diese beiden Episoden münden dann ins Finale mit der Verabschiedung aller
Akteure. |