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Cirque d'Hiver Bouglione 2012 - "Eclat"
www.cirquedhiver.com ; 55 Showfotos

Paris, 8. Dezember 2012: Man darf ihn getrost empfehlen, wenn Freunde noch eine Abendunterhaltung für ihren Paris-Trip suchen. Der Cirque d'Hiver kann locker mithalten mit dem reichhaltigen Angebot an Abendunterhaltung in der Seinemetropole. Die Shows im Prachtbau der Familie Bouglione nahe des zentral gelegenen Place de la Republique spielen in einer Liga mit Etablissements wie dem Lido oder dem Moulin Rouge. Neben dem einzigartigen Ambiente, der traumhaften Ausstattung und der hochwertigen Inszenierung sind es immer wieder die ausgesuchten Manegenkünstler, welche eine Weiterempfehlung besten Gewissens zulassen.

Dies gilt ganz besonders für die aktuelle Produktion unter dem Titel "Eclat", die uns besonders stark besetzt erscheint, zumindest was den artistischen und clownesken Teil angeht.


Elena Vedyashkina, Redi Montico

Nicht ganz mithalten kann da der Bereich der Tierdressuren. Dieser erfährt naturgemäß eine gewisse Limitation durch den sehr begrenzten Platz für die Unterbringung. Kein Problem stellt diese Einschränkung natürlich für Hunde dar. Mit sechs Dackeln zeigt Elena Vedyashkina eine Dressur, wie ich sie noch nie erlebt habe. Als Requisiten dienen, neben den als Zylinder gestalteten Postamenten, sechs geschwungene Bögen, die wie kleine Brücken aussehen. An diesen führen die Tiere ein regelrechtes Ballett auf. Die Bögen werden hintereinander übersprungen, umgeschmissen und es wird auf ihnen gelegen. Alles wohl orchestriert. Wenngleich die Tiere relativ klein sind, ist es eine „große“ Nummer. Gleich zu Beginn der Show führt Redi Montico Tiger aus seiner gemischten Gruppe vor. Es gibt einige Tricks zu sehen, wie wir sie von diesen gestreiften Großkatzen kennen, etwa den Steigerlauf eines Tigers. Interessantes Detail: Auf die komplette Manege wird während der Nummer eine Plexisglasumrandung gesetzt. Dies wohl, um die Zuschauer in den ersten Reihen vor unerwünschten „Belästigungen“ zu schützen.


Rob Torres, Jose Michel & Co

Je öfter ich ihn erlebe, desto mehr begeistert mich Rob Torres. Dieser amerikanische Clown ist einfach zum Schreien komisch. Er wirkt mit seinem hellblauen Anzug und dem roten Hut ganz unschuldig. Dabei hat er es faustdick hinter den Ohren. Er scheut nicht davor zurück, seine irrwitzigen Ideen in die Praxis umzusetzen. So will er etwa das Tuch eines gedeckten Tischs wegziehen, ohne das Geschirr zu zerstören. Den Trommelwirbel dazu soll ein Zuschauer übernehmen. Als Torres mit der Qualität der musikalischen Begleitung ebenso wenig zufrieden ist wie mit seinem artistischen Können, werden kurzerhand die Rollen gewechselt. Ehe er es sich versieht, steht der Herr aus dem Publikum in der Manege, wo er das Kunststück mit Bravour vollführt. Wunderbar ebenfalls, wie sich Torres mit vielen aufeinander gestapelten Kartons einen Weg durch die engen Zuschauerreihen bahnt. Richtig frech, aber eben äußerst liebenswert. Torres ist es zudem, der das Publikum mit Hilfe von in einer Kiste „gelagertem“ Applaus aufwärmen darf. Eine Funktion, die nicht unterschätzt werden sollte, wie wir an diesem Wochenende in anderen Shows erfahren. Bewährte Entreeclowns sind Jose Michel und Partner Kike. Gemeinsam mit Monsieur Loyal Michel Palmer und Weißclown Alberto Caroli zeigen sie einmal mehr ihre wilde Wasserschlacht um ein kostenloses Abendessen. Das Publikum geht hörbar mit bei diesem spritzigen Vergnügen.


Sampion Bouglione junior, Irina Bouglione, Natalia Egorova-Bouglione

Wie immer sind Vertreter der Familie Bouglione in sowie über der Manege zu erleben. Sampion Bouglione junior kombiniert seine Balljonglagen zum Boden mit Stepptanz. Somit bekommt dieser Auftritt zusätzlichen Schwung. Extrem lang ist die Stange, an der Irina Bouglione ihre Mastenakrobatik vollführt. Durch die Länge bekommt ihre Kür einen zusätzlichen Reiz. Neben Kraft und Eleganz zeichnet diese Nummer ein gewisses Risiko aus. Nichtsdestotrotz zeigt die attraktive Artistin ihre Tricks sehr elegant. Die erotische Aufmachung wird durch die raffinierte Beleuchtung von unten perfekt unterstützt. Eine ähnliche Atmosphäre wird beim Strapaten-Akt von Natalia Egorova-Bouglione erzeugt. Wenngleich nicht ganz so knisternd, werden auch ihre Flüge, Umschwünge und Haltefiguren perfekt mit eher sparsamem - aber sehr gezieltem - Lichteinsatz inszeniert. Die Junioren der Familie wandeln schließlich auf Harry Potters Spuren. Valentino, Dimitri und Alessandro haben sich originell aufgemachte Zaubereien ausgesucht. Da wird etwa der sich in einem Karton befindende Artist nicht etwa mit Schwertern, sondern mit Regenschirmen durchbohrt. Sympathisch ebenfalls der Eingangstrick, bei dem ein Holzauto zusammengebaut wird, welches dann scheinbar von selbst durch die Manege fährt.


Elena Jasters, Trio Bellissimo, Truppe Fantasy

Anton Monastyrsky eröffnet den Reigen der engagierten Artisten. Mit seinen Hula Hoop-Reifen in verschiedenen Größen gewinnt er diesem Genre seinen ganz eigenen Stil ab. Dabei setzt er zudem auf seinen beweglichen Körper und sein akrobatisches Können. Einen Tango am Trapez „tanzt“ das Duo Tempo Rouge. Bei aller Choreographie darf man nicht übersehen, dass hier anspruchsvolle, riskante Tricks sehr sicher dargeboten werden. Äußerstes Risiko geht auch das Duo Jasters ein. In der kompakten Atmosphäre des Cirque d'Hiver wird dies nochmal besonders deutlich. Sowohl beim Schießen mit der Armrust als auch beim Werfen von Messern in verschiedenen Varianten spielt Giacomo Jasters quasi mit dem Leben seiner Partnerin Elena. So jedenfalls wirkt es auf den Betrachter. Die Jasters aber werden dieses Risiko besser kalkulieren können. Entspannung dann wieder beim Trio Bellissimo. Die Ukrainerinnen sind eine wahre Augenweide. Ihre wunderbare Partnerequilbristik zur italienischen Version von „All by myself“ ist es ebenfalls. Wir kennen sie unter anderem von Roncalli und Knie. Mit einer großen Truppe am Schleuderbrett setzen die Bougliones das passende Ausrufezeichen hinter dieses starke Programm. Vier Frauen – eine davon als Springerin – und sechs Männer bilden die Truppe Fantasy. Die gut aussehenden, jungen Rumänen haben ein Repertoire, das wenig Wünsche offen lässt. Sie zeigen beispielsweise einen im Spagat zwischen zwei Zwei-Personen-Türmen gefangenen Sprung und einen, der in gleicher Höhe auf einer Stange gelandet wird. Schlusstrick ist der Fünf-Mann-Hoch mit Perchestange. Mit dieser Truppe ist definitiv zu rechnen.

Orchester, Salto Dancers, Michel Palmer

Natürlich ist eine Show im Cirque d'Hiver mehr als die Summe ihrer Nummern. Da ist das fantastische, über der feudalen Gardine thronende Orchester unter der Leitung von Pierre Nouveau. Der Sound ist einfach grandios. Ebenfalls grandios ist das traumhafte Lichtdesign. Dank Michel Palmer hat das Spectacle den passenden Monsieur Loyal. Mit markanter Erzählstimme überbrückt er knapp die ohnehin kurzen Umbaupausen. In einer gefühlten Hundertschaft sind in diesen Tagen – dank der parallel stattfindenden Show in Le Bourget - die Salto Dancers unterwegs. Im Cirque d'Hiver aber haben sie ihre Heimat. Mit vielen neuen Choreographien runden sie „Eclat“ formvollendet ab.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch