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Circus Krone - Februar 2013
www.circus-krone.de ; 85 Showfotos

München, 9. Februar 2013: Die eigentliche Sensation des Februarprogramms findet statt, wenn die Vorstellung eigentlich schon vorbei ist. Während Nicolai Tovarich im Namen von Christel Sembach-Krone die in Stein gemeißelten Abschiedsworte spricht, wird er doch tatsächlich unterbrochen. Fumagalli in Nachthemd und Zipfelmütze ist es, der eine derartige Dreistigkeit wagt, die schon fast an Majestätsbeleidigung grenzt. Doch der „Zwischenfall“ ist offensichtlich gewollt. Zusammen mit Bruder Daris weist er den Sprechstallmeister darauf hin, dass die Show nun vorbei sei.

Die beiden Spaßmacher reichen Tovarich den Bademantel und erinnern ihn an die beiden Vorstellungen am morgigen Sonntag. Dann kommen Jana Mandana und Martin Lacey junior im Bademantel - während Letzterer das Ohr am Handy hat -, um sich zu verabschieden. Es folgen alle weiteren Mitwirkenden. Wer noch keinen Bademantel anhat, erhält ihn von den Huescas. Zuletzt erscheint „Blondie“ Helena Polach, auf die Fumagalli ein Auge geworfen hat. Doch die Jongleuse entscheidet sich für Daris, mit dem sie schließlich von dannen zieht.


Finale

Welch ein herrliches Schauspiel, bei dem Krone ganz unerwartet eine gehörige Portion Selbstironie beweist. Respekt! Das Finale ist schlichtweg grandios und überrascht sehr, wurde doch in der Vergangenheit auf ein solches im Kronebau zumeist wenig Wert gelegt. Das sonstige Programm ist so, wie wir es von den Winterprogrammen her kennen: Starke Nummern, aber Optimierungsbedarf hinsichtlich der Präsentation. Die Umbaupausen sind teilweise wieder (unnötigerweise) entschieden zu lang, die Livemusik meist eine Idee zu leise, und das Lichtdesign könnte ausgefeilter sein.


Martin Lacey junior

Wobei es hier eine rühmliche Ausnahme gibt. Nämlich die Darbietung, die ganz ohne Showelemente auskommt und daher am authentischsten wirkt. Es handelt sich dabei um Martin Lacey juniors Präsentation eines ganzen Rudels junger Löwen. Das Licht ist konstant hell, Musik wird, wenn überhaupt, nur sehr dezent eingespielt. Lacey zeigt zunächst die sechs weißen Löwenkinder. Zum Schluss kommt dann eine noch größere Anzahl an normalfarbenen Jungtieren hinzu. Er lässt sie einfach toben, spielt mit und animiert sie dank Fleischbelohnung zu kleinen Kunststücken. So zeigt er auch gleich, was die Tiere von sich aus anbieten. Dazu erklärt er sympathisch und überzeugend, wie die Ausbildung der Tiere aussehen wird. Spätestens jetzt begreift jeder im Publikum, was gute Dressur im Circus ausmacht. Nämlich Liebe zum Tier, Respekt, Geduld und auf gar keinen Fall Gewalt. Besser kann Werbung für Wildtiere im Circus nicht aussehen. Chapeau! Hinzu kommt, dass die kleinen Löwen wahnsinnig knuddelig aussehen. Ein hochdotierter Vertrag mit der Firma Steiff wäre ihnen sicher. Doch anders als Plüschtiere geben sich die Lacey-Löwen wunderbar lebhaft und schon erstaunlich selbstbewusst beim Erforschen der Manege.


Familie Casselly, Luftnummern aus Nordkorea

Die weiteren Höhepunkte finden sich an den Enden der beiden Programmteile. Während die Luftnummer der Koreaner groß herausgestellt wird („Circus Krone ist stolz darauf...“), werden die Cassellys unter Wert verkauft („Die Familie Casselly aus Deutschland“). Der Gewinn eines Goldenen Clowns im vergangenen Jahr wird in der Show nicht weiter erwähnt. Doch die Familie von René Casselly weiß auch ohne besondere Ankündigungen zu überzeugen. Ihre Schleuderbrettelefanten sind weiterhin unerreicht. Das Zusammenspiel zwischen Merrylu sowie René Casselly junior und den vier afrikanischen Elefanten ist phänomenal. Nach einer Fülle von akrobatischen Leckerbissen auf den Rücken der Tiere sind die Sprünge mit dem Schleuderbrett von René junior der absolute Höhepunkt. Tolle Sprünge zeigen ebenfalls die Pjöngyang-Flyers an ihrem großen Luftapparat. In Monte Carlo gerade mit einem Silbernen Clown ausgezeichnet, präsentieren sie unter anderem den Vierfachen und zwei unmittelbar hintereinander gesprungene Dreifache. In einem weiteren Auftritt simulieren zwei Nordkoreaner eine Seenotrettungsübung. Wobei allerdings auf die in Monte Carlo noch durch ein Tuch dargestellten tosenden Fluten verzichtet wird. Die Aufführung wirkt so etwas eigenartig, sind doch zu Beginn Hubschraubergeräusche unter die Musik gemischt und trägt der männliche Part des Duos eine orangene Schwimmweste. Letztendlich zeigen sie Artistik an Strapaten, die ein wenig an die Vertikalseilnummer des Duo Bobrov erinnert.


Helena Polach, Skating Pilar, Glen Nicolodi

Den artistischen Auftakt macht, komplett in rot ausgeleuchtet, Helena Polach mit ihren gekonnten Fußballjonglagen. Die junge Tschechin gewinnt das Publikum im Nu und hält zum Schluss fünf Bälle gleichzeitig in der Luft. Eine wahre Könnerin ihres Fachs ist ebenfalls Rich Metiku. Die Schlangenfrau aus Äthiopien ist während ihrer Nummer immer in Bewegung und verbiegt ihren Körper in die unglaublichsten Posen, ohne dabei unästhetisch zu wirken – im Gegenteil. Als Skating Pilar beweisen die Geschwister Solenn und Jonathan enorm viel Gleichgewichtssinn sowie Geschick auf 16 Rollen. Tricks und Präsentation der beiden Franzosen sind vom Feinsten. Livemusik und eine ansprechendere Ausleuchtung hätten den Genuss bei ihrem Auftritt in diesem Februarprogramm noch weiter gesteigert. Ganz egal, ob im Einarmer oder auf zwei Händen, Glen Nicolodi nimmt die Treppe am liebsten kopfüber. Seine Handstandakrobatik, die hierzulande viele Jahre bei Barum zu erleben war, ist nach wie vor äußerst sehenswert. Für den besonderen Effekt sorgt Jack-Russell-Terrier Boy, der die Treppe fast genauso elegant wie Nicolodi nimmt und auch sonst ein adäquater Partner ist.


Wolfgang Lauenburger, Daris und Fumagalli, Phantompferde

Gleich acht Hunde hat Wolfgang Lauenburger als Manegenpartner. Diese sind perfekt trainiert, zeigen ihre anspruchsvollen Tricks aber, als wären sie ein Kinderspiel. Alles wirkt locker. Die Hunde sind geradezu erpicht darauf, zu springen oder auf zwei Beinen zu laufen. Lauenburgers Straßenoutfit mit Hosenträger und Franzosenmütze passt da hervorragend ins Bild. Im UV-Licht präsentiert Jana Mandana zehn Cremellos als Phantompferde. Damit die Tiere erkennbar sind, tragen sie Decken mit neonfarbigen Applikationen. In ihre Mähnen wurden zudem neonfarbige Bänder eingeflochten. Die auf diese Weise außergewöhnlich präsentierte Freiheitsdressur läuft ruhig und geordnet, die verschiedenen Figuren klappen wunderbar. Fumagalli ist das Plakatmotiv für den März. Doch auch schon im Februar treibt er gemeinsam mit Bruder Daris in München seine Späße. In der aktuellen Show übernehmen sie das warm up, zeigen Akrobatik an einem Tisch, zaubern mit weißen Handschuhen und messen sich beim großen Boxentree. Fumagalli sorgt zudem als Dirigent dafür, dass das große Orchester unter der Leitung von Oleksandr Krasyun in Schwung kommt.

Abschließend sei noch die behutsame Modernisierung des umfangreichen Programmhefts erwähnt. Die Gestaltung der Seiten für die Artisten ist im Gegensatz zu den Vorjahren zeitgemäßer geworden. Und noch wichtiger: Die Bilder haben endlich die notwendige Qualität, insbesondere hinsichtlich der Auflösung.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch