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Weltweihnachtscircus Stuttgart 2012
www.weltweihnachtscircus.de ; 75 Showfotos

Stuttgart, 27. Dezember 2012: „Hoffen wir, dass mit diesem Weltweihnachtszirkus eine Tradition begonnen hat, in der man jedes Jahr in Stuttgart in der Weihnachtszeit Zirkus der höchsten Klasse sehen kann“, so schreiben die Produzenten Monica Strotmann und Henk van der Meyden im Programmheft des ersten Weltweihnachtscircus in Stuttgart. Das war im Winter 1993/94. Auf dem Canstatter Wasen stand ein großer Sechsmaster, in dem die niederländische Firma Stardust ein Programm mit einigen der damaligen Stars der internationalen Circuswelt präsentierte.

Yasmine Smart führte Pferde vor, Jürg Jenny Raubtiere, Sandrine und Thierry Bouglione ließen welche erscheinen und verschwinden. Sabu Allegria balancierte auf dem Washingtontrapez, die Guerreros auf dem Hochseil, und Don Martinez wirbelte über das Trampolin. Die Moderation lag bei Klaus Kaulis. Für meine Sperrsitzkarte zahlte ich damals als Zivildienstleistender ermäßigte 25 DM.


Chapiteau 2012/13

In dieser Saison nun feiert der Weltweihnachtscircus in Stuttgart seine 20. Auflage. Die Hoffnung von Monica Strotman und Henk van der Meyden hat sich aufs Beste bewahrheitet. Dieses große circensische Ereignis ist längst eine Tradition, gar eine Institution in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Noch immer kann man dort über Weihnachten einige der aktuell besten Circusnummern sehen. Zum Jubiläum ist dies nicht anders. Es gibt große Truppen, charismatische Solisten und Duos, ausgesuchte Tierdressuren und einen der besten Clowns. Besonderheiten zum runden Geburtstag: Fehlanzeige. Noch immer ist das Chapiteau riesig, der Sitzkomfort aber wurde deutlich verbessert. Und die Eintrittspreise haben sich den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst. Ein vergleichbarer Platz kostet heute rund 30 Euro.


New Flying Girls, Fahrradnummer aus China, Truppe Eshimbekov

Bei den Truppen schaut Stardust gerne gen Osten. Artisten aus Nordkorea sind quasi ein Standard. In dieser Produktion erleben wir die „New Flying Girls“ an einem großen Luftapparat mit Flugtrapez und Fangstühlen. Die fünf Artistinnen zeigen elegante Flugkombinationen zu verschiedenen Stationen, wo sie von insgesamt vier männlichen Artisten gefangen werden. Höhepunkt ist der Vierfache. Mit verbundenen Augen gelingt er an diesem Nachmittag allerdings nicht. Eine höchst originelle Variante der Gruppenjonglage präsentiert eine nicht namentlich genannte Truppe aus China. Sie werfen sich ihre Requisiten - Holzstäbe, die an einem Ende mit einem roten Tuch umwickelt sind - zu, während sie dabei auf Einrädern fahren. In einer der Kombinationen ist eines der Räder im Drei-Mann-Hoch besetzt, während ein anderer Artist rückwärts vor diesem Rad fährt und mit seinen drei Partnern jongliert. Äußerst originell, innovativ und schier unfassbar. Alex Pronin und seine vier Partner fliegen Pirouetten und Salti zwischen zwei gegenüber aufgestellten Russischen Schaukeln. Das Quintett aus Moskau wagt dabei auch eine Art „Passage“, bei der sich zwei Artisten kreuzen. Die Truppe Eshimbekov zählt zu den aktuell besten Dshigitenreitern. Sie reiten ihre waghalsigen Tricks mit einer Rasanz, dass es eine wahre Freude ist. Die mitreißende Begleitung durch Markus Jaichner und sein Orchester macht den Genuss perfekt.


Valerie Inertie, Willer Nicolodi, Giang Brothers

Eine wunderbar sinnliche Kür am Roue Cyr zelebriert Natalie Inertie. Die Kanadierin sorgt damit für die ruhigsten, für mich auch schönsten Momente in diesem Programm. Willer Nicolodi war früher ebenfalls Akrobat, hat sich nun aber schon seit vielen Jahren der Kunst des Bauchredens verschrieben. Mit seiner kecken Maus Joselito versprüht er jede Menge Wortwitz. Drei Zuschauern leiht er ebenfalls seine Stimme, was zu jeder Menge Erheiterung beim restlichen Publikum im vollbesetzten Chapiteau führt. Ebenfalls dem komischen Fach entstammen Claude Sprecher und Daniele Nash. An einem fliegenden Heißluftballon spielen der Schweizer und der Italiener turbulent und artistisch versiert „Räuber und Gendarm“. Mit den Giang Brothers hat der Weltweihnachtscircus auch im 20. Jahr ein Novum zu bieten. Wie Sprechstallmeister Peter Goesmann in seinen gewohnt informativen und mit Superlativen gespickten Moderationen ankündigt, sind damit zum ersten Mal Artisten aus Vietnam beim Weltweihnachtscircus zu sehen. Ihre Partnerequilibristik ist schlichtweg phänomenal und wird von den 23 sowie 28 Jahre alten Brüdern ungemein sympathisch vorgeführt. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn einer der beiden Vietnamesen den anderen Kopf-auf-Kopf (mit Vorteil) rückwärts eine Treppe hinauf balanciert. Sind wir gespannt, wie die Giang Brothers beim kommenden Circusfestival von Monte Carlo abschneiden werden. Dort bereits mit einem Goldenen Clown ausgezeichnet wurden die Fratelli Errani. Diesen Preis erhielten sie für ihre ikarischen Spiele. In Stuttgart nun erleben wir Maycol und Guido zusammen mit ihrem Bruder Wioris auf dem Trampolin. Zu fröhlich-treibender Musik zeigen sie variantenreiche Sprünge, in die sie mittels einer Trinka Elemente aus ihrer Ikarier-Nummer einfließen lassen.


Maycol Errani, Martin Lacey junior

Den Erranis gehört auch die Eröffnung des Programms. Auf jeweils zwei Friesen stehend reiten Maycol und Wioris eine herrliche Doppelpost. Immer mehr weiße Araber lassen die beiden unter sich durchlaufen, um sie dann am langen Zügel zu führen. Es entsteht so gleich zu Beginn ein manegenfüllendes Bild, bei dem Géraldine Katharina Knie die Peitsche führt. Wie die Post, stammt ebenfalls die Freiheitsdressur aus dem Programm 2012 des Schweizer Nationalcircus Knie. Zunächst dirigiert Maycol Errani ein Groß und Klein, dann präsentiert seine Ehefrau Géraldine Katharina Knie die große Freiheit mit Friesen, weißen Arabern und Zebras. Die abschließenden Steiger werden wieder von Errani angeleitet. Mit Martin Lacey junior und seinen Großkatzen ist einmal mehr eine große, vielfach ausgezeichnete Löwennummer zu Gast in Stuttgart. Die Trickfolge ist von seinen Auftritten bei Krone bestens bekannt. Einer der Zuschauer an diesem Nachmittag ist, neben Bruder Alexander, eben jener Jürg Jenny, welcher beim ersten Stuttgarter Weltweihnachtscircus mit seiner gemischten Raubtiernummer dabei war.


Bello Nock

Von den Plakaten für die diesjährige Produktion lacht Bello Nock. Der US-amerikanische Clown mit Wurzeln in der Schweiz wird auch im Programm groß herausgestellt. Mit seinen zig Auftritten erfüllt er die „Mission Comedy“. Bello Nock turnt über das Trampolin, Bello Nock marschiert über das Todesrad, und Bello Nock fährt mit einem Mini-Fahrrad durch die Manege. Am besten gefällt mir aber nach wie vor seine Nummer mit dem aus einem Luftballon gebildeten Bogen und einem imaginären Pfeil, mit welchem er einen anderen Ballon über dem Kopf einer Zuschauerin zerschießt. Dabei kann der Mann mit der markanten blonden Frisur seine ganzen darstellerischen Fähigkeiten ausspielen. Er ist eben ein Showman durch und durch, im Großen wie im Kleinen. Wie bereits erwähnt, wird das Programm wie schon seit vielen Jahren von Peter Goesmann moderiert. Das Orchester von Markus Jaichner musiziert hervorragend und kommt wieder vermehrt, aber längst nicht bei allen Nummern, zum Einsatz. Das Licht ist stark, auf Spielereien wird aber weitgehend verzichtet.

Bleibt zum Schluss noch, dem Weltweihnachtscircus und seinen Produzenten zum 20. Geburtstag zu gratulieren. Einen Monat und einen Tag – vom 6. Dezember 2012 bis 6. Januar 2013 - dauert die Jubiläumsspielzeit. Es gibt wiederum morgendliche Zusatzvorstellungen. Die Stuttgarter lieben „ihren“ Weltweihnachtscircus offensichtlich und werden ihm ganz sicher auch weiterhin die Treue halten. Ein schon oft geäußerter Wunsch sei an dieser Stelle aber erlaubt. Noch mehr Spaß würde der Weltweihnachtscircus machen, wenn verstärkt „Circus gespielt“ und weniger eine Abfolge von Spitzennummern gezeigt werden würde. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Seien wir vielmehr froh, dass wir hierzulande eine solch hochwertige Show haben.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch