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Circus Conelli - Magical 2013
www.circus-conelli.ch ; 53 Showfotos

Zürich, 24. November 2013: Die Besucher sollen sich auf dem Heimweg fühlen wie nach einem Kurzurlaub und als ob sie fünf Zentimeter über dem Boden schweben würden. Diesen Anspruch hat Roncalli-Direktor Bernhard Paul an seine eigenen Circusprogramme. Aber diesen Anspruch löst auch die Familie Gasser mit ihrem Circus Conelli ein. Und zwar auf eine Weise, die einfach „Magical“ ist, wie auch das aktuelle Programmotto lautet. Ein starkes Programm mit fließenden Übergängen, exquisites Licht und ebensolche Live-Musik, viel Humor und wundervolles Ambiente machen auch heuer den Conelli aus.

Seit über 20 Jahren gehört der Circus Conelli in der Advents- und Weihnachtszeit fest zum Zürcher Stadtbild und ist dort gar nicht mehr wegzudenken. Auf vier Seiten von Wasser umgeben, steht der Circus auf dem „Bauschänzli“, einer kleinen Insel und ehemaligen Wehranlage mitten in der Limmat. Der Weg zum Circusglück führt hier über eine Brücke. Direktor Roby Gasser und Clown Roli Noirjean begrüßen jeden Gast am Einlass persönlich, die Damen des Balletts kleben goldene Herzchen auf die Wangen der Zuschauer, und über den Köpfen der Besucher schwebt ein Pianospieler auf einer gläsernen Plattform. Der Platz ist eben begrenzt, und so herrscht im dicht bestuhlten Chapiteau mit seinen 900 Sitzplätzen eine äußerst kompakte, intime Atmosphäre.


Tänzerin, Außenansicht, Lichtdesign 

Gleich zu Beginn der neuen Show zieht Conelli im großen Eröffnungsbild mit Ballett und Gesang alle Register. Die sechsköpfige Compagnie besteht aus professionellen Tänzerinnen mit viel Präsenz und Ausstrahlung und tanzt in prachtvollen Kostümen die Choreographien von Direktionsgattin Cindy Gasser-Lee, ehemals selbst Tänzerin in Las Vegas. Inmitten der Ballettdamen stehen der singende Ringmaster Pino Gasparini, Stimme der Pepe-Lienhard-Band und reifer Showman von Format, sowie – nach zwei Jahren Pause – wieder einmal vier großartige Gospelsängerinnen aus den USA. Und auf dem prachtvollen, samtroten Artisteneingang thront die 15-köpfige Big Band von Kapellmeister Alex Maliszewski. Bei Conelli wird jeder Ton live gespielt, und wenn die Artisten keine Noten mitbringen, dann schreibt Maliszewski ihnen ein Arrangement. Von ebensolcher, kompromissloser Qualität ist das Lichtdesign, für das unter anderem ein Kranz von Moving Heads unter der Zeltkuppel und vielfarbige Projektionen zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt sorgt die umsichtige Regie von Direktor Roby Gasser und seiner Frau dafür, dass die ganze Vorstellung ein einziger Fluss ist, in dem es keinerlei Unterbrechungen für Umbaupausen gibt. Letztlich liefert Conelli perfekte Rahmenbedingungen bei Licht, Ton, Musik, Ambiente und Regie, so dass sämtliche Darbietungen optimal präsentiert werden.


Ballett mit Jeremy Gasser und Pino Gasparini, Aleksandr Koblikov, Hugo Noel

Nach dem Opening gehört die Manege zunächst Hugo Noel, der seine Runden im Cyrrad dreht. Einmal hält er sich nur mit Kopf und Füßen am Requisit, ein anderes Mal nur mit den Händen und kreiselt um sich selbst. Als betrunkener Matrose präsentiert sich anschließend Jongleur Aleksandr Koblykov, der mit Gold beim Cirque de Demain und Silber in Monte Carlo ausgezeichnet wurde. Der Ukrainer jongliert ausschließlich mit Bällen, von denen er einige in einer Kontaktjonglage immer wieder über die Matrosenmütze kreisen lässt oder dort deponiert. Später bewegt er vier Bälle mit Händen und Füßen zu gleich, zum Abschluss arbeitet er sicher mit zehn Bällen. „Movie Star“ ist das Motto der Tanznummer, bei der Direktionsspross Jeremy Gasser inmitten des Balletts die E-Gitarre spielt – sowohl Gitarre als auch Kostüme sind effektvoll mit LED-Beleuchtung versehen.


Roy Gardner und James, David Kaplan, Gaston und Roli

So wird der perfekte Übergang zur ersten komischen Zaubernummer des Abends geliefert. Dumm nur, dass Magier Roy Gardener zwar „las-vegas-mäßig“ auftritt, die wahren Kunststücke beim Herbeizaubern von weißen Tauben aber nur seinem distinguierten Butler James gelingen. Nach der Pause folgt tatsächlich noch eine komische Illusionsnummer, was aber nicht im Geringsten stört. Schließlich hat David Kaplan alias „The Great Kaplan“ eine vollkommen andere Nummer im Gepäck. Mit einem Strohhalm bläst er ein winziges Kügelchen in die Luft und will es mit einer Papiertüte fangen. Doch die Papiertüte wird plötzlich von einer herabstürzenden Bowlingkugel durchschlagen, die später scheinbar wieder wie ein Luftballon zur Decke schwebt. Wenn Kaplan dann seine Ukulele, ein wertvolles Erbstück natürlich, auf einem Stuhl ablegt, kommt es, wie es kommen muss: Die Bowlingkugel stürzt wieder aus dem Zeltdach und schlägt das Instrument und den Stuhl in Stücke …. Ein witziger und äußerst kreativer Schockeffekt. Witzig und kreativ, das sind wie immer die Erzkomödianten Gaston und Roli, die auch in dieser Conelli-Show nicht fehlen dürfen. Wieder einmal verzweifelt der schlaue Roli an seinem einfältigen Partner in einigen Reprisen und einem großen Entree. Dieses dreht sich darum, dass der feine Herr Gasparini zum Rinderbraten eingeladen wurde, obwohl doch nur Bohnensuppe im Haus ist. Selbstverständlich endet das Drama im Fiasko.


Pavel Stankevich, Patrick Lemoine, Zhejiang Acrobatic Troupe

Jean Lemoine komplettiert den humoresken Teil der Show. „Jean findet, dass man das Rad nicht neu erfinden muss, um Menschen fröhlich zu machen“, heißt es im Programmheft. Da besteht freilich keine Gefahr von allzu viel Innovation, denn seine Variante der oft gespielten Stummfilmszene mit vier Mitspielern aus den Zuschauerreihen ist geradezu klassisch und ohne eigene Ideen. Der Heiterkeit im Publikum tut das keinen Abbruch. Pavel Stankevich ist Goldmedaillengewinner beim Cirque de Demain in Paris. Bei seiner Handstandequilibristik begleitet ihn fortwährender Jubel von den Rängen. Es ist nur nicht ganz klar: Gilt dieser nun den Posen von höchstem Schwierigkeitsgrad, die er hier ausdauernd und meist nur auf einem Arm zeigt, den Körper dabei maximal gestreckt bis in die Zehenspitzen? Oder quittiert der Jubel vor allem den äußerst muskulösen Körper des attraktiven Ukrainers? Vermutlich eine Mischung aus beidem… Die fernöstliche Note würzt auch dieses Conelli-Programm. Eine Artistin der Zhejiang Acrobatic Troupe jongliert hier Schirme mit den Füßen, während sie mit ihrem Partner unter anderem Figuren der Hand-auf-Hand-Akrobatik zeigt. Schlussendlich lässt die junge Frau auf Händen, Füßen und einem Mundstab sechs Schirme kreisen – und liegt dabei auf den Füßen ihres Partners, der einen Handstand drückt.


Duo Paradise, Truppe Kovgar, Duo Grigorov

Für die letzten Nummern steigert sich dieses großartige Programm nun endgültig in einen magischen Rausch. Pino Gasparini und eine der Gospelsängerinnen singen „You and me“ und leiten damit eine Abfolge von zwei Liebesgeschichten ein. Die erste erzählt das Duo Paradise, Anastasia Krutikova und Artem Panasyuk. In dieser romantischen und harmonischen Darbietung ist es zumeist die Partnerin, die als Unterfrau in schwierigen equilibristischen Posen fungiert. Im fliegenden Wechsel folgt das Duo Grigorov am Luftring. Die Darbietung erinnert hinsichtlich der Tricks und Schwierigkeitsgrade durchaus an die Strapatennummer „Flight of Passion“, und das ist sicher kein Zufall: Die männlichen Partner in beiden Nummern sind Brüder. Hier sind es nun Marina und Olkeksii Grigorov, die hochgefährliche Tricks wie einen Zahnhang präsentieren und die Gefahr zur Kunst werden lassen. Die Schleuderbretttruppe Kovgar gehört seit Jahren zu den ganz großen Circusattraktionen, und nun ist sie erstmals in der Schweiz zu sehen. Ein Kunststück für sich ist es, wie all die Sprünge und Salti in der kleinen Conelli-Manege und unter dem nicht allzu hohen Chapiteau ausgeführt werden. Für den sensationellen Schlusstrick müssen gar die Gäste in der Frontloge kurzfristig umziehen, damit der Absprungturm Platz findet. Doch auch im Conelli-Chapiteau wird so der einmalige Trick möglich: Auf einer Art „russischem Barren“, von zwei Männern getragen, steht ein dritter Artist auf Stelzen und trägt einen Perchesessel. Und an die Spitze dieses gewagten Konstrukts führt der letzte Sprung. Ausgiebig wird nun das Finale zelebriert, mit Zugaben, Gesang und Flitterregen aus der Kuppel.

Sich fühlend, wie nach einem Kurzurlaub, fünf Zentimeter über dem Boden schwebend – so verlassen die Zuschauer das Conelli-Chapiteau, immer noch mit goldenen Sternen auf den Wangen und einem Strahlen im Gesicht. Schon während der Vorstellung war es eine Lust, nicht nur in die Manege, sondern auch in die glücklichen Gesichter drumherum zu blicken. Conelli – immer wieder ein Traumcircus und Cicustraum, schlicht und einfach „Magical“.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber