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Heilbronner Weihnachtscircus 2013/14
www.weihnachtscircus.com ; 90 Showfotos

Heilbronn, 19. Dezember 2013: Fast 50 Menschen stehen zum Finale in der Manege. Sie alle haben gemeinsam das Programm des 15. Heilbronner Weihnachtscircus bestritten. Das ist neuer Rekord. Gefeiert werden die Artisten von rund 50 mal so vielen Zuschauern. Diese haben sich von ihren Sitzen erhoben und spenden frenetisch Beifall. Heilbronn feiert die Artisten, Heilbronn feiert seinen Weihnachtscircus. Zum halbrunden Jubiläum haben Sascha Melnjak und Uwe Gehrmann ihre bislang größte Produktion an den Neckar gebracht. Es gibt lediglich vier Solokünstler in der Show.

Alle anderen Nummern werden von Truppen mit mindestens vier Artisten gezeigt. Und doch gehören die Sympathien des Publikums scheinbar ganz besonders einem: Wenn César Dias vor dem Finale seine geniale Interpretation von „My Way“ bringt, erntet er dafür wahre Ovationen. In seinen verschiedenen Auftritten hat sich der portugiesische Clown in die Herzen des Publikums gespielt. Fairerweise sollte aber gesagt sein, dass ihm die anderen Mitwirkenden quasi den Weg geebnet haben. Denn dieses Jubiläumsprogramm bietet neben Masse auch Qualität.


Ensemble 2013/14

Großen Anteil an der Gesamtwirkung hat natürlich wie immer Regisseur Louis Knie senior. Schon am ersten Abend läuft das geschickt zusammengestellte Programm flüssig ab. Nur wenige Requisiten erfordern längere Umbaupausen. Einige davon werden charmant von Sprechstallmeister Fabian Egli überbrückt. Nach einem Jahr Pause ist er nach Heilbronn zurückgekehrt. Die Freude über das „Comeback“ scheint beim Stammpublikum ähnlich groß zu sein wie bei Egli selbst. Insgesamt führt er angenehm zurückhaltend durch die Show und leitet das Finale singend ein. Weitere Erfolgsfaktoren sind Livemusik und ein ausgefeiltes Lichtdesign. Eine Formation von Volodymyr Kozachuk thront über der hohen rot glitzernden Gardine und begleitet, wann immer sinnvoll möglich, das Geschehen in der Manege live. Ihr gegenüber sorgt die Technik-Crew dafür, dass der Sound optimal im Chapiteau ankommt. Dort sitzt zudem Enrico Zoppe, der die Show in ein perfektes Licht setzt. Dafür steht ihm eine bestens ausgestattete Anlage zur Verfügung.


Jiri Berousek junior, Truppe Alexander, Cesar Dias

Kommen wir jetzt aber zum Programm selbst. Eröffnet wird es von César Dias, der nach der Ouvertüre mittels Fernbedienung das Publikum „aktiviert“. Renata und Jiri Berousek junior leiten ihre große Freiheitsdressur mit einer kurzen doppelten Hohen Schule ein. Eine wahre Augenweide ist der von Jiri gelenkte Zwölferzug mit jeweils sechs Schimmeln und Rappen. Schöne Tiere, anspruchsvolle Tricks und eine flotte Präsentation, was will man mehr. Schwester Renata übernimmt die Vorführung, nachdem die sechs Braunen die Manege verlassen haben. Als da capi dirigiert Jiri verschiedene Steiger. Mit der ersten artistischen Darbietung gibt es gleich Akrobatik am Schleuderbrett zu sehen. Die Truppe Alexander aus Rumänien bietet mit sieben Personen einen äußerst sympathisch dargebotenen Querschnitt durch die Tricks in diesem Genre. Beim Fünf-Mann-Hoch mit Perchestange sind alle Artisten involviert. Zwei der jungen Männer katapultieren die blonde Fliegerin in die Luft, woraufhin sie sicher in der obersten Etage landet. César Dias kämpft zunächst mit Mundharmonika und Notenständer, um anschließend einer singenden Säge eine Melodie zu entlocken. Ein Wiedersehen gibt es mit den Gibadullin. welche zum ersten Programm des Zirkus Charles Knie unter der Führung von Sascha Melnjak gehörten. Inzwischen zu fünft, entfachen die Russen wie gewohnt ein wahres Feuerwerk der Jonglierkunst. Sie lassen ihre Keulen in den aberwitzigsten Kombinationen fliegen. Und selbstverständlich wirbelt die schwarzhaarige Dame nach wie vor munter mit. Effektvoller Abschluss ist das Fangen von immer schneller zugeworfenen Tellern durch den jüngsten Artisten.


Flying to the Stars, Lucios Team Riders, Tom Dieck junior

Handstandakrobatik mit Hund, das ist seit vielen Jahren das Markenzeichen des unter anderem von Barum bekannten Glen Nicolodi. Auch in Heilbronn geht es die Treppe hinauf und herunter - immer auf den Händen oder gar im Einarmer. Neu für mich ist sein Schlusstrick, bei dem der Hunde zwischen den Armen hindurchläuft, während Nicoldi im Handstand die Stufen hinunterläuft. Beim letztjährigen Circusfestival von Monte Carlo entdeckte Sascha Melnjak die Formation „Flying to the Stars“, wo sie einen Bronzenen Clown gewann. Man sieht den fünf stattlichen Ukrainern an, dass sie vom Sport kommen. Durchaus circustauglich zeigen sie Akrobatik an zwei Reckstangen, zwischen denen ein Trampolin steht. Kraftvolle Umschwünge und elegante Sprünge kennzeichnen genregerecht ihr Repertoire. Dank des hohen Artisteneingangs gelangt die Motorradkugel ohne größeren Aufwand in die Manege. Zur Pausennummer jagen die vier Fahrer von Lucios Team Riders durch den Globe of Death mit einem Durchmesser von fünf Metern. Als besonderer Clou öffnet sich die Kugel. So ist für einen zusätzlichen Nervenkitzel und damit Gesprächsstoff für die folgende Pause gesorgt. Dazu lädt das weitgehend neu gestalteten Vorzelt. Während sich die Gäste erfrischen, bauen die Requisiteure den Zentralkäfig auf. Darin erlebt die neue gemischte Raubtiergruppe von Tom Dieck junior ihre Deutschlandpremiere. Und „gemischt“ ist diese Gruppe in der Tat, vereint sie doch fünf Tiger, zwei Liger und zwei prächtige weiße Löwenmänner. Die Tricks – etwa das Balancieren in einem großen Rad oder weite Sprünge über mehrere andere Tiere – laufen dank Diecks schneidigem Stil sehr flott ab. Diese Vorführung hat Schwung, Eleganz und wird durch die passende Musikbegleitung genial unterstützt. Die Schönheit der gepflegten Tiere tut ein Übriges.


Nico Nicols, Cedeno Brothers, Beijing Diabolo Troupe

Als nächster Programmpunkt war ursprünglich das Duo Nostalgia am Trapez vorgesehen. Aufgrund von Differenzen hinsichtlich der musikalischen Begleitung kam es hier zu einem kurzfristigen Wechsel. Chris Kiliano ist es nun, der sich unter die Circuskuppel begibt. An den Strapaten arbeitet der junge Artist in eingerissenen Jeans seine kraftvolle Kür. Einen Vorgeschmack auf das Programm 2014 des Zirkus Charles Knie bietet der Auftritt von Nico Nicols. Der Spanier bewegt sich souverän auf dem Drahtseil und verhehlt dabei nicht seine Nationalität. Neben dem Sprung durch einen mit Messern besetzten Feuerreifen beherrscht Nicols zudem den Vorwärts- genauso wie den Rückwärtssalto. Ein zweites Mal erleben wir Jiri Berousek junior. Jetzt präsentiert er einen großen Exotenzug mit Zebras und Kamelen. Im Verlauf der Vorführung kommen Lamas hinzu, ein Pony macht die Zugabe. In einer weiteren Einlage liefert sich César Dias ein herrliches Duell mit einem Zuschauer. Insbesondere Dias' Fähigkeit, die passenden Geräusche zu produzieren, sorgt für größte Heiterkeit. Vier junge Mexikaner, die Cedeno Brothers, zelebrieren auf zwei Trinkas ikarische Spiele par excellence. Eine Saison konnten wir sie bei Roncalli erleben. In Heilbronn nun begeistern sie einmal mehr das hiesige Publikum. Die Jungs sind blendend aufgelegt und haben variantenreiche Tricks im Repertoire. Immer wieder beeindruckend ist die Passage zweier Artisten. Quasi den Gegenpol zu einem ansonsten männlich dominierten Programm bildet die Schlussnummer der 13 jungen Damen der Beijing Diabolo Troupe. Im Januar noch haben sie in Monte Carlo einen Goldenen Clown gewonnen. Zwar sind auch Einzeltricks zu sehen, jedoch leben ihre Diabolospiele von eindrucksvollen Bildern des kompletten Ensembles. Es entsteht ein harmonisches Gesamtkunstwerk, bei dem sich Schauwert und Leistung die Waage halten. Somit setzen die Chinesinnen vollkommen zurecht den Schlusspunkt, vielmehr das Ausrufezeichen, hinter diese Show.

Nach César Dias' „My way“ und dem Gesang von Fabian Egli füllt sich die Manege zum Finale. Die Größe des Ensembles wird noch einmal besonders deutlich, wenn die Artisten den Weg zwischen Logen und Gradin ablaufen. Jeweils eine der beiden Hälften ist gefüllt, wenn sie kurz stehen bleiben und sich winkend verabschieden. Zum 15. Geburtstag hat sich der Heilbronner Weihnachtscircus einmal mehr selbst übertroffen und damit Massstäbe gesetzt. Maßstäbe, an denen auch alle weiteren Ausgaben gemessen werden. Wir sind gespannt, was uns im kommenden Winter erwartet. Jetzt aber sollten wir erst einmal die aktuelle Produktion genießen. Denn sie ist in der Tat ein circensischer Hochgenuss.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch