In der Zwischenzeit hat sich gar
eine eigene, unverkennbare Handschrift herausgebildet. So werden
die unterschiedlichen Produktionen der Familie, egal ob
Weihnachtscircus oder Tournee-Geschäft, mittlerweile regelmäßig
zur „großen Show“. Der Anspruch an die Programme und die Akteure
ist klar: „Die Ausstrahlung ist sehr, sehr wichtig und die
Verpackung. Deshalb legen wir großen Wert auf die Musik, auf die
Choreografie und auf die Kostüme“, erläuterte Monika Sperlich
das Konzept gegenüber den Badischen Neuesten Nachrichten. Die
Direktionstochter ist auch in diesem Jahr für die künstlerische
Leitung verantwortlich, wird dabei von David Weiser (Regie) und
Camilla Bevans (Choreographie) unterstützt.
Vegas Showgirls,
Zdane Fox
Sechs langbeinige Grazien aus
Bevans’ Ensemble „Vegas Showgirls“ bilden in diesem Winter
Deutschlands wohl schönstes Circusballett. Doch die Damen sind
nicht nur wunderbar anzusehen, sondern gefallen auch mit stets
passenden Choreografien und tänzerischem Können. Auffallend ist
die moderne Ausrichtung, so erklingen zu ihren Auftritten unter anderem Songs
der amerikanischen Popstars Rihanna und Miley Cyrus. Auch einen
Sänger gibt es wieder: der Londoner Zdane Foxx gibt mit seinem
starken Gesang vor allem dem Opening und dem Finale die
besondere Note. Geht es im Opening zu „Merry Christmas Everyone“
mit tanzendem Ballett, vier weiteren Engeln und Weihnachtsmann
ganz der Jahreszeit entsprechend zu, sorgen Foxx und die „Vegas
Showgirls“ zu Lionel Richies „Angel“ für einen berührenden wie
glamourösen Schlusspunkt vor dem Finale.
Sasha the Frog,
Aurélie Brua
Darüber hinaus zeichnet sich auch
die diesjährige Show wieder durch ausgezeichnetes Lichtdesign
und zahlreiche Effekte aus. Feuer- und Nebelsäulen etwa schießen
in diesem Jahr aus einem Bühnenboden. Die aktuelle
Programmzusammenstellung ermöglicht es, auf die Bühne der
Tournee-Produktion „Zirkus des Horrors“ – allerdings nicht ganz
so hoch aufgebaut wie dort – zurückzugreifen. Beste Sicht von
allen Plätzen ist so garantiert. Die Verpackung stimmt also auch
in diesem Jahr – und Ausstrahlung bringen nicht nur Ballett und
Sänger mit, auch die eigentlichen Artisten verfügen über das
gewisse „Extra“. Bestes Beispiel ist etwa Extrem-Klischnigger
Oleksandr Yenivatov („Sasha the Frog“), der mit seinen beiden
Darbietungen als Frosch auf einem Hut und später im
„Foltergestell“ für Staunen und Schaudern zugleich sorgt. Als
sei es die normalste Sache der Welt, werden die verrücktesten
Verrenkungen geradezu zelebriert. Schade nur, dass er – genau
wie seine Partnerin Aurélie Brua, die ihre kräftezehrenden Posen
am doppelten Mast zeigt – auf Bandmusik zurückgreift. Das
achtköpfige Orchester spielt nämlich so druckvoll und
mitreißend, dass es eine wahre Freude ist. Zudem ist der Sound
optimal eingestellt.
Los Alamos, Maik und Siegfried
Sperlich
Auch die Auftritte von Patrick
Brumbach mit wechselnden Partnern („Los Alamos“) vereinen
Ausstrahlung, Verpackung und nicht zuletzt auch artistisches
Können. Beeindruckend sind seine gezielten, schnellen
Messerwürfe auf die sich mit seiner Frau drehenden Zielscheibe
sowie die Blindwürfe. Nicht minder spektakulär ist die
gemeinsame Feuershow mit seinen Stiefsohn Henry. Meterhohe
Feuerfontänen, brennende Bolas, die Funken sprühen, und eine
fliegende und von Brumbach gefangene Kanonenkugel sind
Bestandteile dieser Nummer. Klassische Circuskünste werden hier
modern umgesetzt und neu gestaltet. Das Ballett sorgt jeweils
für die gelungene Einleitung. Das tut es auch – zusammen mit
Sänger Zdane Foxx – zu Billy Idols rockigem „Shock to the
System“ bei der Todesrad-Darbietung von Maik und Siegfried
Sperlich. Beide laufen nicht nur in einem hohen Tempo über das
Rad, sondern haben auch ihre Trickstärke noch weiter ausgebaut.
Neben Aufschwüngen außen am Rad und doppeltem Blindlauf gibt es
jetzt noch mehr Sprungvariationen im Rad und einen
Handstand-Lauf von Maik Sperlich auf dem Außenrad.
Messoudis
Noch ein wenig sensationeller
sind da nur die Messoudis, Vater Said mit seinen Söhnen Yassin,
Soffien und Karim. Nach dem sie gleich zu Beginn ordentlich
Tempo auf die Bühne bringen, variantenreich mit Bällen und
Keulen jonglieren und die Junioren sogar mit Hilfe der
fliegenden Jonglierkeulen dem Vater Zigarette, Hut und
Sonnenbrille vom Gesicht nehmen, ist ihre
Hand-auf-Hand-Darbietung tatsächlich die im Programm
angekündigte Sensation. Mit zwei einarmigen Handständen auf den
Köpfen der anderen Partner legen sie los, um sich anschließend
vom Ballett die Oberteile der Kostüme abnehmen zu lassen. Gleich
darauf wird artistisch nachgelegt. Zum Schluss etwa werden die
drei Brüder von ihrem Vater gehalten. Noch grandioser sind aber
die Passagen, in denen Karim Messoudi auf den Füßen seines
Bruders Yassin – der auf dem Rücken liegt und die Beine in die
Luft streckt – einen Handstand drückt und in denen sich Yassin
daraufhin so windet, dass er zunächst auf dem Bauch und
anschließend wieder zurück auf dem Rücken liegt, wohlgemerkt
stets mit Karim im Handstand auf seine Füßen. Wahnsinn.
Duo Shmarlovski, Balders, Kharah Kavak Jr. und Jolanda
Für die
Komik sind dieses Mal die Gebrüder
Balder zuständig. Die
beiden
sind wahre Sympathieträger. In vier kleinen Szenen spielen sie
sich durch das Programm.
Sei
es beim Duell in Zeitlupe, beim Hund im Whiskey-Fass,
bei
Reiterspielen mit Plüschpferd und
-strauß
oder
bei
der
Wasserschlacht, stets sind ihre Einfälle nett und charmant. Das
lässt sich auch über die Sittiche des Duo Shmarlovski sagen. Die
kleinen Vögel gehen beispielsweise über Kugeln, hüpfen durch
Hindernisse und nehmen eine Rutsche. Zum Abschluss drehen zwei
große Aras ihre Runden durchs Zelt. Die unpassende
Karnevalsmusik wurde von der Regie gegen circensische
Klänge und Melodien aus „Fluch der Karibik“ ausgetauscht, so
dass die Nummer nun auch musikalisch zum wunderbaren
Piraten-Look von Requisiten
und Kostüm passt. Von vorneherein stimmig inszeniert und wie
gemacht für dieses Programm ist die große Reptilienshow von
Kharah Kavak Jr. (Tommy und Jolanda Kocka). Schlangen, Spinnen,
Skorpione, Kaimane und Krokodile verschiedenster Größen sind die
tierischen Akteure in diesem aufwendig gestalteten „Indiana
Jones“-Bild, welches folgerichtig vor der Pause platziert
ist. Spätestens wenn Kocka seine Frau mit Schlangen und
Skorpionen bedeckt, sich beide Vogelspinnen ins Gesicht setzen
oder die Krokodile sich den Weg Richtung Logen suchen, hat
dieses schaurig-schönes Spektakel seine Höhepunkte. |